Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

DOI Artikel:
Die schweizerische Kunstausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0330

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
647

Die schweizerische

die bedeutendsten dcr hier in dcr Schweiz lebenden
Kiinstlcr haben sich unter einander, oder mit dem Kunst-
verein — der die Ausstellung veranstaltet — entzweit
und sind der Ausstellung fern geblieben, so z. B-
Bvcklin, Stückelbcrg, Vautier, Buchser, Arthur Calame
u. s. w. Was an guten Bildern vorhanden ist, haben
meistens im Ausland lebende Künstler, welche Schweizer
von Geburt sind, eingesandt. Sie waren entweder
weniger kleinlich oder patriotischer gesinnt; denn Ruhm
nnd Verdienst sind bis jetzt nicht aus den schweizeri-
schen Ausstellungen zu suchen gewesen.

Die gegenwärtige Ausstellung zeichnet sich vor-
teilhaft gegen die früheren dadurch aus, daß die
Jury strenger als sonst vorgegangen zu sein scheint,
weshalb wir im ganzen wenig wirklich schlechte Bil-
der zu verzeichnen haben, sreilich ebenso wenig wirklich
gute Leistungen. Die Münchener, überhaupt die süd-
deutsche und die sranzvsische Schule, der sich auch die
Genser sehr zuneigen, sind am meisten vertreten.

An eigcntlicher Historienmalerei ist nnr ein ein-
ziges Bild zn verzeichnen: Walter Vigiers — eines
Solothurners — Kolossalgemälde „Schultheiß Wengi
in Solothurn": das Gemälde ist vom Bundesbeitrage
von Solothurn angekaust, wohl nur aus Patriotismus,
nicht aus Kunstsinn. Dasselbe ist so unkünstlerisch wie
»ivglich in der Komposition und unschbn in der Zeich-
nung: ein Durcheinander häßlicher Arme und Fäuste
iu grellcn, trockcncn Farben, ohne Stimmung. Es er-
innert an die Vogelschen Bilder, deren Farbentöne
ganz ähnlich grell und sastlos sind, die sich aber der
patrivtischen Sujets wegen auch großer Beliebtheit er-
sreuen. Neligiöse Bilder sind mehrere vorhanden, aber
keines ist von Bedeutung.

An Genrebildern sindet sich nianches Schvne.
Ed. Ravel in Genf, von der Landesausstellung durch
seine „Zahnarztscene" bekaunt, ist der Manier nach
ganz Franzose. Er bringt uns zwar eiu sehr realisti-
sches, aber durch seine Lebenswahrheit dvch recht erfreu-
liches Bild „Gesangsübung": eine Klosterschule, die
uutcr der Leitung des geistlichen Herrn ihre Gesangs-
Ubung abhält. Schön sind diese Kinder mit ihren
offenen Mündern zwar nicht, dennoch aber berühren
sie sympathisch durch ihre ungezwungene Haltung und
durch ihre unschuldigen Gesichter. Ein uns zwar be-
kanntes, aber immer gern gesehenes Bild ist C. Grobs
„Pelzkappe" (München). Prof. Stelzner aus Mün-
chen bemüht sich mit seinem Bilde „Jm Atelier von
Mieris" niederländische Detailmalerei nachzuahmen.
Viktor Toblers (cbensalls in München) „Wiegen-
lied" ist hübsch komponirt: eine junge Mutter im
mittelalterlichen Gemach, in altdeutscher Tracht, die
aus der Gnitarre ihrem in der Wiege neben ihr stehen-
den Kind ein Schlummerlied spielt. E. Byffers

Kunstausstellung. 648

(Zürich) „Kartenspielcnde Arbeiter" ist ein recht
stimmungsvolles und naturwahres Bild, welches eine
tüchtige Begabung sür Charakteristik beweist; auch seine
„Kaffeetrinkerin" verdient Erwähnung. Jm übrigen
sind noch lobend zu erwähnen: Rity's „Studien im
Heu", B. v. Rappards „Restaurirtes Madonnenbild",
E. Girardets (Paris) „Junger Bummler", I. Tous-
saints (Düsieldorf) „Bauern im Schloß".

An Porträts ist die Ausstellung recht arm; hier
wie im Genre spüren wir den Mangel bedeutendcr
Künstler sehr. Diethelm Meyer aus München, dcr
leider vor wenigen Wochen starb, hatte einen melan-
cholisch schönen Frauenkopf eingesandt; das Bild ist
wohl die hervorragendste Leistung der Ausstellung, auch
sein flotter Älpler sei gleich hier mit erwähnt. Ottilie
Rodensteins Männerporträt gehört jedenfalls auch
zum Erfreulichsten; es ist klar, kräftig gemalt und
voller Leben. Auch Bertha Frorieps (Weiniar) Brust-
bild eines Bergmanns mag besonders der feinen Durch-
führung und schönen, tiefen Farbenstimmung halber er-
wähnt werden. Girons (Paris) „Dame im Pelzrock"
ist manierirt in jeder Beziehung; die schwülstigen roten
Lippen, der schielende Blick, der unschöne Hut, allcs
berührt abstoßend; wir haben schon Besieres von dem
erwähnten Künstler gesehen. Auch E. Pfyfsers ist
wie immer, so auch diesmal im Porträt weit minder
glücklich als im Genre, dagegen ist M. von Fischards
Männerporträt noch als gclungen zu erwähnen.

Der Schwcrpunkt der Ausstellung liegt auf dem
Gebiete der Landschaftsmalerei. Vor allem sei Niko-
laus Psyffers „Blick auf den Ammersee", ein sarben-
sattes prächtiges Sommerbild, erwähnt, welches ein
reiches Kornfeld, mit einem großen Nußbaum im
Bordergrund, in duftiger Perspektive See und Hügel-
land darstellt. Das Bild erinnert an den älteren
Calame und speziell an desien „Sommer". Sympa-
thisch berührt uns Otto Gebhardts (aus München)
nicht weit davon aufgehängte „Partie aus Oberaudorf",
ein Dorf mit Hochgebirgshintergrund. Das Bild giebt
den zarten Duft und die hehre Schönheit, die nur dem
Hochgebirge eigeu ist, wunderbar wieder. Prof.Schuchs
„Auf schlimmen Pfaden" ist ein Bild Vvn großartiger
Wirkung. Ch. Mali's Landschaften sind in den Farbcu
sehr fein abgestimmt. Ähnliches möchten wir von Franz
Lemeckers „Am Strande des Gardasecs" und „Abend
in Venedig" sagen. M. Bentelli's „Aus dem Ber-
ner Oberland" ist saftig gemalt. Sehr anmutig sind
Gamperts Bilder „Partien am Chiemsee"; die
Bilder gewinnen an Jnteresie, wenn man weiß, daß
der Künstler erst seit zwei Jahren unter die Maler
gegangen ist und bis dahin als angesehener Arzt in
der Schweiz gelebt hat, schließlich aber dem Kunst-
drange nicht hat widerstehen können — er hatte schon
 
Annotationen