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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Alt, Theodor: Zur Frage des Otto-Heinrichsbaues
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0338

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663

Zur Frage des Otto-Heinrichsbaues.

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möglicherweise jedoch dcr erste» fertigen Gestalt bereits
angehvrenden Giebel (der Krausschen Radirung) und
die Beränderung des Grundriffes als eine auf, sei es
mangelndem Verständnis, sei es Macht der Mode be-
ruhende Verunglimpfung des Baues als eines Orga-
nismus zu betrachten sei. Diese Folgerungen ruhten
auf der These, daß weder Kaspar Fischer noch Jakob
Heyder an dcr kiinstlerischen Gestaltung dcs ersten
Plaues teilnahmen, sondcrn ein vierter bekannlcr
Meister ähnlicher Autorität wie Colins, Anthoni. Die
Elimination Heyders beruhte auf dem Nachweis der
Jdentität des von Geiger fiir das Jahr 1555 bezeugten
Werkmeisters Friedrichs II., Jakob Haider, mit dem
bishcr sogenanuteu Jakob Leyder des Vertrages von
1558. Die innere Wahrscheinlichkeit fiir diese That-
sache ist so groß, daß es der Korrektur der bisherigen
Schreibweisc kauin bednrst hätte. Allein ich habe da-
mals unter Zuziehung von Sachverständigen durch
Schriftvergleichiing festgestellt, daß das Dokunient in
der That Heyder schreibt und nicht Leyder.

Nun lesen die Gelehrten des Schloßvereins aus
S. 22 der „Mitteilungen" wieder Leyder und gebcn
in Fußnote 2) die Erklärung ab: „Jn der Handschrift
steht zweifellos Leyder, wie Wirth und von Weech ge-
lesen haben. Unrichtig ist die Lesung Alts: Heyder."

Daß Wirth „L" las, ist sehr erklärlich; die etwas
hohe Stcllung des ganzen Buchstabens verleitet hierzu
und er hatte keinen Anlaß zu besonderer Priifung
dieses Buchstabens. Das Gleiche war wohl der Fall
bei Herrn von Weech, der sür Rosenberg den Vertrag
kollationirte, niöglicherweise früher, als mein Aufsatz
erschien, dcffen Kenntnis man ihm übrigens auch gar
nicht zumuteu dürfte. Noscnbergs Pflicht war cs,
Herrn von Weech auf die besondere Bedeutung dieses
Punktes hinzuweiseu, ehe er sich auf seine Autorität
berief: ich bezweifle, daß dies geschehen ist. Daß aber
der Beaustragte des Schloßvcreins „L" liest, beweist,
vaß er bei Prüsnng der Frage sehr wenig gewiffenhaft
vorgegangen ist.

Möglich, daß er als kompetenter Kenner der
Paläographie jener Zeit sich einer über das erste An-
schauen hinausgehenden Untersuchung überhoben fühlte.
Allein die Frage ist überhaupt keine paläographische,
sondcru sie ist, da der Vertrag eine genügende Anzahl
von L svwohl als von H aufweist, lediglich durch
Schriftverglcichung zu entscheiden. Eine solche habe
ich nun uochmals vvrgenommen und dazu vier Herren
beigezogen, welche zum Teil seit vielen Jahren von
den Gerichten und Staatsbehörden als Sachverständige
bei der Beurteilung gefälschter Urkunden, anonymer
Briefe :c. zngezvgen werdcu und in diescni Fach hier-
zulande als Autoritäten gelten, zum Teil Ubrigens auch
mit dcn hieraus sich ergebenden Kenntnissen umfang-

reiche Erfahrung in der Paläographie der kritischen Zeit
(1604) verbinden: einen Sekretär des großherzogl.Mini-
steriums der Justiz, einen Registraturassistenten daselbst
und eincn Registrator des großherzogl. Generallandes-
archivs in KarlSruhe. DieseHerren sind alle sehr rasch zu
dem übereinstimmenden Resultate gelangt, daß„Heyder"
und nicht „Leyder" zu lesen sei, und zwar durch Ver-
gleichung der Ansangsbuchstaben der Worte: „Hoch-
gebornen" und „Herrn" in der 4. und 5. Zeile, „Her-
zog" in der 6., Otto „Heinrichs" am Ende und be-
sonders „Heiligen" in der 5. Zeile des Dokuments
einerseits*), „Läger" in der 16., „Leowen" in der
21. Zeile andererseits. Der Ilnterschied ist so augen-
fällig, daß er jedem, der überhaupt vergleicht, sofort
auffallen muß. Am charakteristischsten zeigt sich dcr
Umstand, daß der Schreiber bei H jeweils den Haar-
strich der unteren Schleife bis an den nächsten kleinen
Buchstaben mit schmalerFeder durchaus konseguent auf-
wärts sührt, während er bei L von der unteren kleinen
Schleife zum nächsten kleinen Buchstaben in energischer
Schweifung mit breiter Feder abwärts steigt.

Jch betrachte mit dieser Aussührung die Repro-
duktion des Schloßvereins als im kritischen Punkt
widerlegt und zweifle nicht, daß derselbe nach ein-
gehenderer Prüfung eine Verbefferung wird eintreten
laffen.

Es sei mir gestattet, hier noch einige kleine Be-
merkungen zu veröffentlichen, welche ich selbst näher
zu verfolgen nicht in der Lage bin.

Von den Architekturen Otto Heinrichs in Neuburg
schreibt Lübke**): „Man stutzt über das srühe Datuni
(1545), da uni jene Zeit die klassischen Bauformen in
Deutschland in dieser Weise noch nicht bekannt und
angewendet waren." Lübke vermutet, sicherlich mit
Recht, daß Otto Heinrich einige von den (italieni-
schen) Künstlern beigezogen hat, die kurz vorher (1543)
mit ihrer Arbeit an dem Bau der Residenz in Landshut
fertig geworden waren. Er stützt seine Vermutung
durch den Hinweis auf nähere Beziehungen Otto
Heinrichs zum Herzog Wilhelm von Bayern — was
wohl nicht einmal nvtig scheint, denn jene Leute suchten
eben gerade Arbeit. Nun ist aber durchaus unwahr-
scheinlich, daß Otto Heinrich, wenn er schon als über-
schuldeter Pfalzgraf italienische Meister haben mußte,
sich, als er Kurfürst geworden und ihm endlich ge-
stattet war, zu verwirklichen, was er ersehnte, mit den

*) Diese „H" sind sämtlich, jedoch teilweise entgegen
der Lesung des Schloßvereins, als große Anfangsbuchstaben auf-
zufassen, was teils an der Großschrift koordinirter Beiwörter,
z. B.: „Durchleuchtigsten Hochgebornen Fürstens", „Heyligen
Römischen Reichs", teils an zweisellos großgeschriebenen
Eigennamen und Hauptwörtern nachgewiesen werden kann.

**) Bd. I, S. 309 der „Renaissance in Deutschland".
 
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