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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

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Nr. 3
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Kubin, Alfred: Von verschiedenen Ebenen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41225#0048

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Von verlchiedenen Ebenen

ausgebaut werden. Das Studium der Aufteilung der leeren Fläche, die Wir-
kungen von Flecken und vor allem eine unendliche Pflege des hervorragendften
Mittels, der Linie, wird dabei die Hauptfache bleiben.
Zeichnet nun der Maler, der Radierer, der Illuftrator, fo denkt er fchon
an das Gemälde, die Platte, den Druck oder das Buch, und jede Unterlage,
jedes beliebige Papier, Pappe, Metall, Holz ift ihm dienlich und recht. Anders
der Zeichner, wie ich ihn im Auge habe, deflen Kunft mit Abficht auf
die Zeichnung befchränkt ift, fich in ihr vollenden will. Eine befondere,
vom Maler ganz verfchiedene Feinfühligkeit für fein Material befeelt ihn. Er
ift Papierkundiger, und die Erfahrung hat ihn für den Reiz des Materials
ungewöhnlich empfindlich gemacht, er ift auf fteter Jagd hinter edlen Papier-
forten. Es ginge ihm arg gegen den Strich, ja wäre ihm wohl überhaupt un-
möglich, auf dem nächftbelten kalkig weißen Mafchinenpapier fein Beltes zu
geben, während die unregelmäßige Körnung, der graue oder bräunliche Ton
alten Papiers ihm die Finger heiß macht. Und welche Entdeckerfreude, wenn
ihm, wie einft mir, auf einem Speicher einige Lagen prächtigen alten Hadern-
papiers in die Hände fallen oder das kaum in Gebrauch genommene dicke
Hauptbuch einer hanfeatifchen Firma mit fchönem Zandersbütten vom Jahre 1821
zum Gefchenk gemacht wird. Auch unter den handgefchöpften Bütten unferer
Tage findet man herrliche Sorten, die weit anregender find wie das übliche
»Zeichenpapier« der Blödes und Skizzenbücher. Wer fucht, der findet, und
wer wiinlcht, der erhält. Mir wurde von meinem Vater, einem k. k. Geo-
meter, der manches Archiv kannte, vor falt 25 Jahren ein ganzer Ballen auf-
gelalfener öfterreichifcher Kataftermappen gegeben ,■ die freie Rückfeite der Pläne
war mehr als ein halbes Menfchenalter die beinahe einzige Unterlage, auf
der ich arbeitete. Diefes Papier ilt jetzt etwa 100 Jahre alt, von unverwüft-
licher, pergamentartiger Befchaffenheit, und als es dann endlich zur Neige ging,
und ich fparen mußte, war das eine fchwere Klippe für mich, denn ich war
gänzlich an feine Eigentümlichkeiten gewöhnt. Glücklicherweife verfchafften
mir Freunde Papierrefte aus einer zugrunde gegangenen Fabrik, nicht fo ideal
ftrapazierfähig, hingegen die Tufche fo faugend, daß die Zeichnung mit der
Unterlage förmlich verwuchs.
Ebenfoviel Aufmerkfamkeit verlangt die Tufche. Es gibt verfchiedene
Sorten, befonders diefe költlich duftende chinefifche, die man felbft anreiben,
aber auch flüffig kaufen kann. Desgleichen die Stifte, Blei, Kohlen, Kreiden,
die feinen Pinfel und dann — in meinem befonderen Fall — die Feder! Die
Feder ift mir feit vielen Jahren das wichtigfte Werkzeug. Ift man erft ein
wenig mit ihrer Behandlung vertraut, und man kommt dabei ja nie an eine
Grenze der Beherrfchung, fo freut man fich der Unerfchöpflichkeit der Wir-
kungen. Sie fiebert uns durch ihre elaftifche Sdhmiegiamkeit die unmittelbarfte
 
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