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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

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Nr. 3
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Kubin, Alfred: Von verschiedenen Ebenen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41225#0047

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER:
CURT GLASER ■ G U S T A V K I R S T E I N ■ HANS TIETZE
VERANTWORTLICHE REDAKTION:
ALFRED KUHN
NR. 3 20. OKTOBER 1922

Einfendungsftelle für alle Manufkripte, außer Österreich und München: Dr. Alfred Kuhn,
Berlin W62, Kurfürftenftraße 126 • Für Öfierreich: Wiener Redaktion, Prof. Dr. H. Tietze,
Wien XIX, Armbrultergaffe 20 ■ Für München: Münchener Redaktion, Dr, Hans Rupe,
München, W idenm ayerftraße 39III • Verlag von E.A. Seemann, Leipzig, Hofpitalltraße 11a

VON VERSCHIEDENEN EBENEN1)
VON ALFRED KUBIN

DER ZEICHNER

EIN paar Striche von unbekannter, längß
vermoderter Hand auf ein Stückchen ver-
gilbtes Papier leicht hingeworfen! Was wird
in uns lebendig, wenn wir die Blicke darauf
ruhen laßen! Wir ahnen das Geheimnis der
graphifchen Sprache, die Möglichkeit, ein voll-
gültiges Kunftwerk mit kleinftem Zeitaufwand
zu fchaffen. Es iß ein Siegelabdruck der
Seele, den wir vor uns haben. Ein ein-
mal und niemals wieder vorhandenes OrL
ginal — einige Minuten pulfierenden Lebens
eingefangen für alle Zeiten, Auf diefer Kunft
der Zeichnung bauen (ich wefentliche Elemente
der Malerei auf, fie iß die Grundlage des Kupfer^
ßichs, des Holzfchnitts wie jeder anderen gra-
phifchen Technik. Heute erfährt fie vielleicht eine
vollere Würdigung wie in vergangenen Zeiten, man fieht Zeichnungen öfier wie frü-
her als Wandfchmuck und in Sammlermappen. Unfer Auffatz nun betrachtet die
Zeichnung als unmittelbaren Selbßzweck, nicht als vorbereitende Hilfszeichnung
oder als zufällige Studie.
Diefe Kunß verdankt fich einem ßillen Drange. Sie wetteifert nicht mit
den Erfcheinungen in der Natur, fondern fchafft Zeichen für diefe, fie iß fym-
bolifch. An fo einfache Stoffe wie Papier und Tufche gebunden, als Werk-
zeug Federn, Stiße oder feine Haarpinfel in ausfchließlicher Verwendung,
erwädhß ihr Stil wie von felbß und kann, einmal begriffen, endlos variiert und
1) Mit Erlaubnis des Verlages Gurlitt aus einem demnächlt erfcheinenden illultrierten
Buche Kubins obigen Titels.
 
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