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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

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Nr. 4
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Literatur / Nekrologe / Sammlungen / Ausstellungen / Forschungen / Denkmalpflege
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66

»W. v. Bode: Sandro Botticelli«

LITERATUR
W. v. Bode, Sandro Botticelli. »Die
führenden Meifter«. Mit vielen Abb.
Propyläen-Verlag, Berlin 1921.
Seit es Botticelliprobleme gibt, hat Bode
zu ihnen, wenn auch in aller Kürze, fo doch
mit Eifer und Wärme Stellung genommen,
und wenn er fich nun plötzlich zu einer
Monographie über den ihm fo lange ver-
trauten Meifter entfchloß, fo bedarf die
Eile, mit der er fie fich von der Seele
khrieb, wahrlich nicht erft der Entfchul-
digung. Die Liebe zum Gegenfiand und
der Mut des Bekenntnilfes fprechen deut-
lich aus allen Kapiteln des Buches, und
diefer Umftand allein follte genügen, auch
diejenigen Fachgenoffen, die in der äfthe-
tifchen Gefamteinftellung oder in Fragen
der Stilkritik dem Verfalfer die Gefolgt
fchaft verweigern, zu gewiflenhafter Nach-
prüfung ihrer Anfichten zu bewegen,
Man hat nicht den Eindruck, daß Bode
aus bloßem Eigenfinn an feinen vielfach
diskutierten Zufchreibungen fefthält, fon-
dern immer zwingen offenbar fachliche
Gründe ihn, die gegnerifchen Argumente
anzufechten, und fichtlich wurde ihm auch
hier letzten Endes die Feder in die Hand
gedrückt durch die Sorge, das Werk eines
großen Künftlers nicht durch leichtfertige
Kritik fchmälern zu laßen. Das ift das
moralifche Plus feines Standpunktes, dem
man durch oft nur gefühlsmäßig begrün-
deten Widerfpruch zweifellos nicht gerecht
wird. Denn der Kern aller Streitfälle,
in denen man für oder gegen Bode Stellung
zu nehmen genötigt wird, ift doch immer
die Frage nach der Schüler- oder Meifter-
hand,- ihre Beantwortung aber beruht, wie
er felbft fehr richtig Tagt, »auf mehr oder we-
niger fubjektiverQualitätswertung«<S.166>,
und diefem Troft darf man fich auch in
kraßen Fällen hingeben, wie in dem des
Rezenfenten, der zu feinem perfönlichen
Schmerze Francesco Botticinis Erzengel-
bild auch hier unentwegt als »Verro.cchios
Meifterwerk« wiederfinden mußte.
Der eigentliche Nachteil des im übrigen
ausgezeichnet ausgeftatteten Buches ift tech-
nifcher Art: die Abbildungen find weder
befchriftet, noch numeriert, auch nicht zi-
tiert, und erfcheinen bisweilen in anderer

Anordnung als im Text,- das erfihwert
ihre Benutzung für den weniger Ein-
geweihten, der bei jedem Bild erft das
Verzeichnis nachfchlagen muß, und man
kann dem Verlag nur raten, diefe neu-
artige Buchäfthetik weder in eine zweite
Auflage, noch in die anderen Bände »Füh-
render Meifier«, die er herauszugeben ge-
denkt, zu übernehmen.
Der Verfaffer pflichtet Warburgs An-
ficht bei, daß Sandro als Goldfchmied nicht
bei feinem Bruder Antonio — »Giovanni«
heißt er verfehentlich auf S.32 — fondern
bei Antonio Finiguerra in der Lehre war,
um 1458 bei Fra Filippo in Prato ein-
trat und fich um 1467 felbfiändig machte.
Im Gegenfatz zu Morelli und Horne leug-
net er die Beziehungen zu den Pollaioli
ganz und betont nachdrücklich den aus-
fchließlichen Einfluß Verrocchios auch in
der »Fortitudo«. Die Reihenfolge, in der
er fich die Entfiehung etlicher Madonnen-
bilder aus der Frühzeit denkt, kommt in
feiner Darfiellung allerdings nicht recht
klar zum Ausdruck: fie könnte eigentlich
nur fo gedacht fein, daß die Madonna
Guidi, die Neapler und die in der Che-
rubimglorie die Vorftufe für die Chigi-
Madonna bildeten,- die Jungfrau vor den
Rofen in den Uffizien und die im Louvre
mit dem Johannes ließen fich allenfalls
auch noch hineinzwängen, aber für die
anderen, entfchieden abweichenden <aus
S. M, Nuova, im Louvre kauernd, mit
Engeln — und in der Gall. Corfini> ift
in diefer kurzen Entwicklung doch wohl
kein Platz. Er ift es um fo weniger, wenn
man mit Bode annimmt, daß der im Ge-
genfatz zu faß allen diefen Bildern fehr reife
und perfönliche Magiertondo der National
Gallery bereits 1468/69 zu datieren fei.
Horne fetzt ihn um 1476 ficher zu fpät
an,- eher dürfte er mit den Judithbildern
gleich nach der Fortezza <1470> entftanden
fein. Bei der ganzen Gruppe der ge-
nannten Madonnen und auch noch bei
der Thronenden Maria mit fechs Heiligen
im Magazin der LIffizien wird als Haupt-
grund für die Eigenhändigkeit geltend ge-
macht, daß fie durch das Koftüm zeitlich
eng begrenzt feien von Schulwerken Botti-
cellis aber fo früh noch nicht die Rede fein
dürfe.
 
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