KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER:
CURT GLASER • GUSTAV KIRSTEIN • HANSTIETZE
VERANTWORTLICHE REDAKTION:
ALFRED KUHN
NR. 13/14 L 29, DEZEMBER/5. JANUAR 1922/23
Ein fendungsftelle für alle Manufkripte, außer Österreidi und München: Dr. Alfred Kuhn,
Ber 1 in = Friedenau, Fregeftraße26’ Für Öfterreich: Wiener Redaktion, Prof. Dr. H. Tietze,
Wien XIX, Armbrult ergaffe 20 ■ Für München: Münchener Redaktion, Dr, Hans Rupe,
München, Wi d enmay er Itr aße 39III ■ Verlag von E. A.Seemann, Leipzig, Hofpitalltraße 11a
RÜCKBLICK AUF DIE
DEUTSCHE GEWERBESCHAU, MÜNCHEN
VON HANS RUPE
ES liegt im Wefen unferer großen, zufammenfaffenden Ausheilungen, daß
fie dem Augenblidc dienen und in dem Maße, als fie auf laute und
überrafchende Wirkung eingeftellt find, an Eindringlichkeit und erzienerifcher
Kraft verlieren muffen. Der fachliche Wert der Einzelleiftung wird nicht nur
durch die Überfülle des Gebotenen, fondern vor allem durch die übliche
programmatifche Tendenz der Aufmachung verfchleiert oder verunklärt, ein
Nachteil, der fich aus äußeren Gründen (Bedürfnis des Wechfels, dekorative
Anpaffung an den gegebenen Raum ufw.> wohl begreifen und entfchuldigen
läßt, keineswegs aber in einen Vorzug umgedeutet werden dürfte. Bei aller
Anerkennung der großen organifatorifchen Leiftung muß ich ausfprechen, daß
in der Deutfchen Gewerbefdiau diefes Prinzip der Aufmachung eine aufdring-
liche und Hörende Geltung beanfpruchte. Der unbefangene Befucher konnte
fich beim Durchwandern der kunftgewerblichen Ausftellungsfäle feiten konzen-
trieren, die Sucht der Ausftattungskünftler, durch den Rahmen in die Wirkung
der Materialien einzugreifen, erreichte in vielen Fällen das Gegenteil — ich
erinnere nur beifpiels weife an die übertriebene Buntheit in der Wandbemalung
des Raumes für Packungen durch Zietara, München (Halle I>, die gewiße
karnevaliftifche Improvifationen ins Gedächtnis rief, oder an die Geftaltung
der Halle II (Bronze, Meffing) durch Profeffor Pankok, Stuttgart, wo die
Wirkung des Materials von der exotifch grellfarbigen Holzverkleidung einfach
verfchluckt wurde.
Wohl ift zu verftehen, daß die fortfchrittlich gefinnte Ausftellungsleitung
die moderne Richtung programmatifch betont hatte, nur fchien der Ausgangs-
punkt falfch gewählt, indem der Stil fich mit wenigen Ausnahmen nicht aus
dem Gefamtrhythmus der einzelnen Materialgruppen frei entwickeln durfte,
fondern durch mehr oder weniger willkürlich gehaftete Raumbilder abftrakt
HERAUSGEBER:
CURT GLASER • GUSTAV KIRSTEIN • HANSTIETZE
VERANTWORTLICHE REDAKTION:
ALFRED KUHN
NR. 13/14 L 29, DEZEMBER/5. JANUAR 1922/23
Ein fendungsftelle für alle Manufkripte, außer Österreidi und München: Dr. Alfred Kuhn,
Ber 1 in = Friedenau, Fregeftraße26’ Für Öfterreich: Wiener Redaktion, Prof. Dr. H. Tietze,
Wien XIX, Armbrult ergaffe 20 ■ Für München: Münchener Redaktion, Dr, Hans Rupe,
München, Wi d enmay er Itr aße 39III ■ Verlag von E. A.Seemann, Leipzig, Hofpitalltraße 11a
RÜCKBLICK AUF DIE
DEUTSCHE GEWERBESCHAU, MÜNCHEN
VON HANS RUPE
ES liegt im Wefen unferer großen, zufammenfaffenden Ausheilungen, daß
fie dem Augenblidc dienen und in dem Maße, als fie auf laute und
überrafchende Wirkung eingeftellt find, an Eindringlichkeit und erzienerifcher
Kraft verlieren muffen. Der fachliche Wert der Einzelleiftung wird nicht nur
durch die Überfülle des Gebotenen, fondern vor allem durch die übliche
programmatifche Tendenz der Aufmachung verfchleiert oder verunklärt, ein
Nachteil, der fich aus äußeren Gründen (Bedürfnis des Wechfels, dekorative
Anpaffung an den gegebenen Raum ufw.> wohl begreifen und entfchuldigen
läßt, keineswegs aber in einen Vorzug umgedeutet werden dürfte. Bei aller
Anerkennung der großen organifatorifchen Leiftung muß ich ausfprechen, daß
in der Deutfchen Gewerbefdiau diefes Prinzip der Aufmachung eine aufdring-
liche und Hörende Geltung beanfpruchte. Der unbefangene Befucher konnte
fich beim Durchwandern der kunftgewerblichen Ausftellungsfäle feiten konzen-
trieren, die Sucht der Ausftattungskünftler, durch den Rahmen in die Wirkung
der Materialien einzugreifen, erreichte in vielen Fällen das Gegenteil — ich
erinnere nur beifpiels weife an die übertriebene Buntheit in der Wandbemalung
des Raumes für Packungen durch Zietara, München (Halle I>, die gewiße
karnevaliftifche Improvifationen ins Gedächtnis rief, oder an die Geftaltung
der Halle II (Bronze, Meffing) durch Profeffor Pankok, Stuttgart, wo die
Wirkung des Materials von der exotifch grellfarbigen Holzverkleidung einfach
verfchluckt wurde.
Wohl ift zu verftehen, daß die fortfchrittlich gefinnte Ausftellungsleitung
die moderne Richtung programmatifch betont hatte, nur fchien der Ausgangs-
punkt falfch gewählt, indem der Stil fich mit wenigen Ausnahmen nicht aus
dem Gefamtrhythmus der einzelnen Materialgruppen frei entwickeln durfte,
fondern durch mehr oder weniger willkürlich gehaftete Raumbilder abftrakt