Literatur
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nung1), So komme ich zu einer Anfetzung des Blattes gegen 1454, zu Ende
der Arbeit an den Eremitanifresken'/ der gefchriebene Vermerk »anno 1479«
und dann weiter unten: »donü<m> dni <omini> ac maisri <magistri> mei« mag
von dem Schüler Mantegnas ftammen, dem der Meilter das Blatt 1479 ver-
ehrt hat. Stimmt die oben verfuchte Beweisführung, fo ilt fie die entfcheE
dende Stütze für die frühere Anfetzung des Wiener Bildes.
1) Die andern auf dem Blatt enthaltenen flüchtigen Entwürfe oder Bewegungsftudien find
nicht eindeutig genug, daß fie überzeugend mit andern Kompofitionen in Verbindung ge-
bracht werden können.
LITERATUR
Raffaels Zeichnungen HIV
Während ich diefen Band, der den Unter-
titel »Die Florentiner Madonnen« führt,
immer von neuem durchging, konnte ich ein
Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken,
daß der Zeiten Ungunft zum Trotz diefes
großartige Unternehmen, das Corpus aller
Raffaelzeichnungen, wenn auch langfam,
fortfchreitet. Und gewiß gebührt dafür der
Dank dem Wage- und Opfermut des Ver-
legers, der fich delfen bewußt ilt, daß es
fich hier um einen deutfchen Ehrentitel
handelt. So geben wir uns der Hoffnung
hin, daß ficher geborgen in der Hand der
beiden Männer, deren Namen fich auf dem
Titelblatt finden, diefes monumentale Werk
einft zum Abfchluß geführt wird: ob etwas
früher oder fpäter, verfchlägt wenig.
Kein anderer unter den Fachgenoffen
des In- oder Auslandes hätte eine Leiltung
zu vollbringen vermocht, wie fie Oskar
Fifchel uns hier bietet. Nach welcher Seite
man fich einltellen mag: hinfichtlich der
Kritik der Blätter, der Ordnung des Ma-
terials, der Beziehungen, die zu Raffaels
eigenen oder den Werken anderer Meilter
aufgedecht werden, oder der knapp zu-
fammenfaffenden Einleitung, fo erfcheint
alles gleich wohl überlegt, klug durchdacht
und feinfinnig dargeboten. Ich möchte für
die überzeugende Richtigkeit der Attribu-
tionen um fo wärmer eintreten, als eine
vor kurzem in einer namhaften italienifchen
Fachzeitfchrift erfchienene Kritik der erlten
1) Raffaels Zeichnungen. Herausgegeben
von Oskar Fifchel. Abteilung 3. G. Grote,
Verlag. Berlin 1922.
beiden Bände in diefer Hinficht fcharfe Aus-
heilungen gemacht hat, die fo wenig ernft
zu nehmen find, daß man lieh fragen muß,
ob rein fachliche Motive die Urfache des
darin angefchlagenen Tones bilden.
Gewiß: wer die Blätter einzeln betrachtet,
ohne die Anmerkungen des Herausgebers
genau zu prüfen, kann zunächft Zweife
hier und da nicht unterdrücken. Oft find
die urfprünglichen Konturen des erfinden-
den Künftlers von grober Hand lieblos
übergangen und verwifcht worden oder
Raffael hat fich eines technifchen Mittels
bedient, das für diefe Zeit feiner Entwick-
lung noch ungewöhnlich ilt: der Betrachter
ftutzt und fragt fich, ob es für die Floren-
tiner Epoche möglich fei. Ich denke hier
namentlich an die unbeachtet gebliebene
Zeichnung mit dem hl. Bruno, eine licht-
erfüllte Pinfelftudie, Taf. 148 <aber auch an
andere mit dem in Bifter getauchten Pinfel
lavierte Blätter>,- fo malerilch frei denken
wir uns den Florentiner Raffael gewöhn-
lich nicht. Macht man es fich aber zur
Pflicht, des Herausgebers Gründe eingehend
zu prüfen, fo fühlt man fich gedrungen,
die erlten Bedenken aufzugeben,- nur in
des erfindenden Künftlers Gedankenwerk-
ftatt hat diefe Figur entliehen können. Und
als Gewinn folcher durch Fifchels Dar-
legungen gewonnenen Erkenntnis wird
dankbar gebucht, daß eine neue ungeahnte
Seite diefer überreichen Künftlernatur fich
erfchließt und der Übergang zu dem, was
fich in der erlten Stanze <und den fie vor-
bereitenden Entwürfen> vollendete, zwang-
los, ja notwendig geboten wird. Auch
Rötelzeichnungen, noch eine Seltenheit bei
Raffael, der fich in feinen Anfängen über-
345
nung1), So komme ich zu einer Anfetzung des Blattes gegen 1454, zu Ende
der Arbeit an den Eremitanifresken'/ der gefchriebene Vermerk »anno 1479«
und dann weiter unten: »donü<m> dni <omini> ac maisri <magistri> mei« mag
von dem Schüler Mantegnas ftammen, dem der Meilter das Blatt 1479 ver-
ehrt hat. Stimmt die oben verfuchte Beweisführung, fo ilt fie die entfcheE
dende Stütze für die frühere Anfetzung des Wiener Bildes.
1) Die andern auf dem Blatt enthaltenen flüchtigen Entwürfe oder Bewegungsftudien find
nicht eindeutig genug, daß fie überzeugend mit andern Kompofitionen in Verbindung ge-
bracht werden können.
LITERATUR
Raffaels Zeichnungen HIV
Während ich diefen Band, der den Unter-
titel »Die Florentiner Madonnen« führt,
immer von neuem durchging, konnte ich ein
Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken,
daß der Zeiten Ungunft zum Trotz diefes
großartige Unternehmen, das Corpus aller
Raffaelzeichnungen, wenn auch langfam,
fortfchreitet. Und gewiß gebührt dafür der
Dank dem Wage- und Opfermut des Ver-
legers, der fich delfen bewußt ilt, daß es
fich hier um einen deutfchen Ehrentitel
handelt. So geben wir uns der Hoffnung
hin, daß ficher geborgen in der Hand der
beiden Männer, deren Namen fich auf dem
Titelblatt finden, diefes monumentale Werk
einft zum Abfchluß geführt wird: ob etwas
früher oder fpäter, verfchlägt wenig.
Kein anderer unter den Fachgenoffen
des In- oder Auslandes hätte eine Leiltung
zu vollbringen vermocht, wie fie Oskar
Fifchel uns hier bietet. Nach welcher Seite
man fich einltellen mag: hinfichtlich der
Kritik der Blätter, der Ordnung des Ma-
terials, der Beziehungen, die zu Raffaels
eigenen oder den Werken anderer Meilter
aufgedecht werden, oder der knapp zu-
fammenfaffenden Einleitung, fo erfcheint
alles gleich wohl überlegt, klug durchdacht
und feinfinnig dargeboten. Ich möchte für
die überzeugende Richtigkeit der Attribu-
tionen um fo wärmer eintreten, als eine
vor kurzem in einer namhaften italienifchen
Fachzeitfchrift erfchienene Kritik der erlten
1) Raffaels Zeichnungen. Herausgegeben
von Oskar Fifchel. Abteilung 3. G. Grote,
Verlag. Berlin 1922.
beiden Bände in diefer Hinficht fcharfe Aus-
heilungen gemacht hat, die fo wenig ernft
zu nehmen find, daß man lieh fragen muß,
ob rein fachliche Motive die Urfache des
darin angefchlagenen Tones bilden.
Gewiß: wer die Blätter einzeln betrachtet,
ohne die Anmerkungen des Herausgebers
genau zu prüfen, kann zunächft Zweife
hier und da nicht unterdrücken. Oft find
die urfprünglichen Konturen des erfinden-
den Künftlers von grober Hand lieblos
übergangen und verwifcht worden oder
Raffael hat fich eines technifchen Mittels
bedient, das für diefe Zeit feiner Entwick-
lung noch ungewöhnlich ilt: der Betrachter
ftutzt und fragt fich, ob es für die Floren-
tiner Epoche möglich fei. Ich denke hier
namentlich an die unbeachtet gebliebene
Zeichnung mit dem hl. Bruno, eine licht-
erfüllte Pinfelftudie, Taf. 148 <aber auch an
andere mit dem in Bifter getauchten Pinfel
lavierte Blätter>,- fo malerilch frei denken
wir uns den Florentiner Raffael gewöhn-
lich nicht. Macht man es fich aber zur
Pflicht, des Herausgebers Gründe eingehend
zu prüfen, fo fühlt man fich gedrungen,
die erlten Bedenken aufzugeben,- nur in
des erfindenden Künftlers Gedankenwerk-
ftatt hat diefe Figur entliehen können. Und
als Gewinn folcher durch Fifchels Dar-
legungen gewonnenen Erkenntnis wird
dankbar gebucht, daß eine neue ungeahnte
Seite diefer überreichen Künftlernatur fich
erfchließt und der Übergang zu dem, was
fich in der erlten Stanze <und den fie vor-
bereitenden Entwürfen> vollendete, zwang-
los, ja notwendig geboten wird. Auch
Rötelzeichnungen, noch eine Seltenheit bei
Raffael, der fich in feinen Anfängen über-