Ein Befuch im Louvre 221
während man jetzt fdion durch die verfdhiedenen Öffnungszeiten genötigt ift,
fich bald mit der einen, bald mit der anderen Sammlung zu begnügen.
Wie gefährlich die übergroße Anhäufung von Werken eines Meifters
ift, kann man in dem Rodin-Mufeum erfahren, das im Hotel Biron einge-
richtet worden ift. Die eng aufgeftellte Sammlung der Gipsabgüffe in der
Kapelle wirkt faßt unerträglich. Aber auch die Mafle der Originalfkulpturen,
die in den weitläufigen Räumen des Hauptgebäudes gut verteilt find, Itellt
an die Aufnahmefähigkeit des Befchauers übergroße Anforderungen. Solche
Spezialmufeen haben immer etwas vom Kuriofitätenkabinett. Kunft lebt nicht
in der Ifolierung. Auch Rodin gefchah kein guter Dienft mit diefer wohL
gemeinten Ehrung.
Ein Saal im Louvre hätte feinem Werke belfer dauernde Wirkung ge-
fiebert als das Hotel beim Invalidendom. Denn der Louvre bleibt, fo viele
Mufeen in Paris mit der Zeit entltanden, immer das Ziel aller Kunftfchätze.
Es gibt zwei Mufeen oltafiatifcher Kunft, in denen in neuer Zeit ernfthafte
Arbeit geleiftet wird. Aber die Hauptfammlung lieht doch im Louvre, wo
die künftlerifch wertvollften Stücke der Expedition Pelliot im Anfchluß an die
Grandidier=Sammlung untergebracht wurden, und wo durch Ankäufe vor
allem chinefifche Steinfkulpturen eine nicht unbedeutende Abteilung oltafiatifcher
Kunft entltanden ift.
So find die Jahre feit dem Kriege nicht fpurlos am Louvre vorüber-
gegangen, es hat fich manches verändert, manches ift hinzugekommen. Aber
im ganzen fühlt fich der Befucher bald wieder heimifch, weil die alte Ordnung
nur an wenig Stellen gründlich durchbrochen wurde.
★
EINE UNBEACHTETE ZEICHNUNG
NACH DEM MODELL MICHELANGELOS FÜR DIE FASSADE
VON S. LORENZO
VON DAGOBERT FREy
DIE Autorität Geymüllers, mit der diefer für die Echtheit des bereits im
18. Jahrhundert angezweifelten Holzmodells der S. LorenzoWalfade
in der Akademie eingetreten ift, hat hier wie bei fo vielen anderen Fragen
hemmend auf die Weiterentwicklung der Forfchung gewirkt. Für ihn, der
in feiner Darftellung Michelangelos als Architekten die Plaftik aus der Unter-
fuchung vollkommen ausgefchaltet hatte — ein methodifcher Vorgang, der
bei einem Werke, das fo vollkommen plaftifch empfunden war, und dellen
architektonifcher Aufbau nur Rahmen und Gerüfte für das Schaffen des Bild-
hauers abzugeben hatte, an fich nicht zu rechtfertigen ift — für ihn konnte
Nr. 12. 22. XII. 22
während man jetzt fdion durch die verfdhiedenen Öffnungszeiten genötigt ift,
fich bald mit der einen, bald mit der anderen Sammlung zu begnügen.
Wie gefährlich die übergroße Anhäufung von Werken eines Meifters
ift, kann man in dem Rodin-Mufeum erfahren, das im Hotel Biron einge-
richtet worden ift. Die eng aufgeftellte Sammlung der Gipsabgüffe in der
Kapelle wirkt faßt unerträglich. Aber auch die Mafle der Originalfkulpturen,
die in den weitläufigen Räumen des Hauptgebäudes gut verteilt find, Itellt
an die Aufnahmefähigkeit des Befchauers übergroße Anforderungen. Solche
Spezialmufeen haben immer etwas vom Kuriofitätenkabinett. Kunft lebt nicht
in der Ifolierung. Auch Rodin gefchah kein guter Dienft mit diefer wohL
gemeinten Ehrung.
Ein Saal im Louvre hätte feinem Werke belfer dauernde Wirkung ge-
fiebert als das Hotel beim Invalidendom. Denn der Louvre bleibt, fo viele
Mufeen in Paris mit der Zeit entltanden, immer das Ziel aller Kunftfchätze.
Es gibt zwei Mufeen oltafiatifcher Kunft, in denen in neuer Zeit ernfthafte
Arbeit geleiftet wird. Aber die Hauptfammlung lieht doch im Louvre, wo
die künftlerifch wertvollften Stücke der Expedition Pelliot im Anfchluß an die
Grandidier=Sammlung untergebracht wurden, und wo durch Ankäufe vor
allem chinefifche Steinfkulpturen eine nicht unbedeutende Abteilung oltafiatifcher
Kunft entltanden ift.
So find die Jahre feit dem Kriege nicht fpurlos am Louvre vorüber-
gegangen, es hat fich manches verändert, manches ift hinzugekommen. Aber
im ganzen fühlt fich der Befucher bald wieder heimifch, weil die alte Ordnung
nur an wenig Stellen gründlich durchbrochen wurde.
★
EINE UNBEACHTETE ZEICHNUNG
NACH DEM MODELL MICHELANGELOS FÜR DIE FASSADE
VON S. LORENZO
VON DAGOBERT FREy
DIE Autorität Geymüllers, mit der diefer für die Echtheit des bereits im
18. Jahrhundert angezweifelten Holzmodells der S. LorenzoWalfade
in der Akademie eingetreten ift, hat hier wie bei fo vielen anderen Fragen
hemmend auf die Weiterentwicklung der Forfchung gewirkt. Für ihn, der
in feiner Darftellung Michelangelos als Architekten die Plaftik aus der Unter-
fuchung vollkommen ausgefchaltet hatte — ein methodifcher Vorgang, der
bei einem Werke, das fo vollkommen plaftifch empfunden war, und dellen
architektonifcher Aufbau nur Rahmen und Gerüfte für das Schaffen des Bild-
hauers abzugeben hatte, an fich nicht zu rechtfertigen ift — für ihn konnte
Nr. 12. 22. XII. 22