Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

DOI issue:
Nr. 12
DOI article:
Glaser, Curt: Ein Besuch im Louvre
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.41225#0228

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
220

Ein BefucL im Louvre

Zufammenhang der franzöfifchen mit der böhmifchen Malerei deutlich wird. Die
Schule von Fontainebleau hat einen eigenen Raum erhalten, und ebenfo die
Le Nain, Der ftärkfte Eindrude aber erwartet den Befucher in dem großen Saale
des 19. Jahrhunderts. Delacroix und Courbet herrfchen hier jetzt. Die Reihe
der großen Meifterwerke Delacroix7 ift um das Riefenbild des Sardanapal
vermehrt, eine Malerei von großartigem Wurf und unerhörtem Glanz der
Farbe. Gericaults Fluß der Medufa erfcheint ganz fchwarz und wird völlig
zuriiekgedrängt durch Delacroix7 Farbenwunder und den Impetus feiner
Kompofitionen.
Man kannte Delacroix, auch ehe der Sardanapal im Louvre hing, aber
man kannte Courbet nicht, bevor das große Atelier in die Öffentlichkeit ge-
langte. Abbildungen geben keine Vorftellung von den Herrlichkeiten diefes
Werkes, von der Koftbarkeit der Malerei, von den unübertroffenen Einzel-
heiten, wie den abgeftreiften Kleidern des Modells, der fpielenden Katze, des
Gemäldes auf der Staffelei, Unbegreiflich ift es, wie diefes Riefenbild zur
Einheit gezwungen wurde, wie die Dinge in der Breite und Tiefe fich ent-
falten, mit der die Fläche Rhythmus und Glanz hat, und wie die Pläne fich
gliedern, wie alles von einer Luftfchicht umfloßen fcheint.
Neben dem »Atelier« lieht das »Begräbnis von Omans«, das erft jetzt
fichtbar geworden ift, die Rehe im Walde, und es gibt andere Courbets in
den kleinen Sälen des 19, Jahrhunderts, die in den früheren Zeichnungs-
räumen eingerichtet wurden, wie vor allem im Petit Palais, wo die unver-
gleichlichen Demoiselles au bord de la Seine hängen. So kann man Courbet
jetzt in den Parifer Mufeen wahrhaft kennen lernen, und feine Kunft ift die
große Überrafchung für den, der nach Jahren wiederkehrt.
Daß man von Manet noch immer wenig fieht, von Renoir und Cezanne
nur vereinzelte Werke, nimmt nicht wunder, da man weiß, wie im Louvre
immer bedächtig gearbeitet wurde. Man läßt fich Zeit, in dem Bewußtfein,
daß die Dinge felbft eines Tages ihren Weg finden werden, und man ift in
diefer Erwartung noch feiten getäufcht worden. So hat die Sammlung Ca-
mondo dem Louvre die erfte Reihe von Meifterwerken der Impreffioniften
gebracht. Als glückliche Ergänzung fchließt fie fidh der Sammlung Moreau-
Nelaton an. Hier hängt jetzt von Manet der herrliche Fifre, Degas und
Cezanne find glänzend vertreten. Es ift die Sammlung eines wahrhaft
wählerifchen Liebhabers, und es ift gut, daß fie mit ihrem Dixhuicieme, ihren
Asiatica und ihren mittelalterlichen Skulpturen zufammenblieb, wie in dem
Riefenmufeum des Louvre nichts wohltuender ift als diefe kleinen Enklaven
der Privatfammlungen, zu denen neben Chauchard noch Schlichting hinzuge-
kommen ift. Hoffentlich verfällt man niemals auf den Gedanken, diefes Bilder-
meer fyftematifch aufzuteilen, es würde uferlos und völlig unüberfehbar.
 
Annotationen