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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

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Nr. 10
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Gerstenberg, Kurt: Elsheimer und die römischen Landschaftsmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.41225#0184

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Elsheimer und die römifchen Landschaftsmaler

der völlige Umfchwung im Landfchaftsftil Eisheime rs auf römifchem Boden
nach 1600 durch die Berührung mit Paul Brill erfolgt fei, <Städel, Jahrbuch
1921, S. 129ff.> Weizfäcker benutzt zum Beweis feiner Ausführungen den
Landfchaftszyklus in den Lünetten einer Loggia des Palazzo Rospigliosi. Brills
Landfdhaft mit der Jagd foll das Vorbild für Elsheimers Erziehung des Bacchus
bei den Nymphen von Nysa gegeben haben. Diefe Fresken Brills find aber,
da der Palazzo Rofpigliofi nicht vor 1605 begonnen wurde, kaum vor Ende
des Jahrzehnts anzufetzen1) und daher nicht gut als Vorbilder Elsheimers um
1600 denkbar. Es ilt dies Mißverhältnis auch Weizfädcer wohl nicht ent-
gangen, aber er meint a. a. O. 143: »Steht auch das Entltehungsdatum in
diefem Falle nicht genau auf Jahr und Tag feit, fo hat das doch an diefer
Stelle wenig zu bedeuten, insofern es fich für uns nur um ein typifches
Beifpiel Brillfchen Stilcharakters aus dem angegebenen Zeitraum handelt, auf
das jenes Frankfurter Bild mit aller Deutlichkeit hinweilt.« Es wäre nun an
Weizfäcker gewefen, nachzuweifen, daß der Stilcharakter Brills fich in dem
Jahrzehnt 1600 — 1610 nicht verändert hat. In der Tat läßt fich indeflen gerade
das Gegenteil beweifen, Als Brill 1599 die Fresken in S. Maria in Traltevere
malte, Itand er unter dem Einfluß des Girolamo Muziano und gewinnt den
Raum durch hintereinandergeltellte Schrägkulilfen‘2>. Tafelbilder Brills wie die
römifchen Ruinen 1600 in Dresden zeigen noch die altniederländifche Zerlegung
des Landfchaftsraumes in drei Farbzonen. Erlt in den Fresken des Cafino
Rofpigliofi um 1605, mehr noch in den Fresken des Palazzo Rofpigliofi
gewinnt Brill einen einheitlich klaren Tiefenraum mit niedrig gehaltenem
Horizont. Worin belteht denn aber die Übereinltimmung der Frankfurter
Landfchaft Elsheimers mit Brills Fresko? Weizfäcker nennt zunächlt »die als
beherrfchender kompofitioneller Faktor in der ungefähren Mitte des Bildes
energifch betonte fenkrechte Teilungslinie, die durch einen den Vordergrund
beherrfchenden Baumftamm mit halb abgeltorbenen Zweigen bezeichnet ilt«
<a. a. O. 144>. Allgemeiner ausgedrückt: bei den Niederländern ilt der Sinn
für die tektonifche Fügung der italienifchen Landfchaft, die die Mitte und die
rahmenden Seiten zu betonen pflegt, erwacht. Aber nun gilt dies doch nicht
generell für alle italienifchen Landfchaften, und zumal zwifchen 1600 und 1610
ilt der allmähliche Wechfel ebenfo bedeutungsvoll wie klar zu fallen. Es tritt
eine Verfchiebung ein von der Harren fymmetrifchen Fällung zu einer gelölteren
Anordnung, die mit den Mafien freier fchaltet, etwa eine Baumgruppe im Vorder-

1> Vergl. Anton Mayer: Das Leben und die Werke der Brüder Matthäus und Paul Brill,
Leipzig 1910. S. 52.
2> Ausführlich habe ich dies Abhängigkeitsverhältnis Brills behandelt in dem Abfchnitt über
Muziano in meinem Buch über die ideale Landlchaftsmalerei, das Ende des Jahres erfcheinen wird.
 
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