382 Die Nicfitfterbenwollende. Gfoffen angefichts der Ausfeilung der »Freien Sezefiion«
richtungen, die man wohl mit falfchen Namen, die impreffioniftifche und die
expreffioniftifche bezeichnet. Die Jugend unter Führung der Brüche drohte mit
Abfpaltung, fofern ihr nicht die gebührende Stelle gefiebert würde. Man ver-
hinderte damals den Bruch, Dies nicht zu tun, wäre, wie man heute zugeben
muß, das Richtige gewefen, denn es hätte den Tod der Sezeffion zur Folge ge-
habt. Man nahm ein Sanierungsprogramm an, man wollte die »Belten« fammeln,
fich rein auf Qualität einftellen, nachdem die Kunltpolitik augenbliddich nichts zu
Tagen wußte, man wollte eine Front bilden »von Ballermann bis Bebel«. An
heb ein gewiß guter Gedanke, der einzige, der überhaupt die Sezelfion noch
retten konnte, der anknüpfend an ihrer großen Vergangenheit, Zufammenhang
mit den lebendigen Kräften des Tages fuchte. Leider jedoch verhinderten äußere
Umftände das Zuftandekommen des Planes. Zwei Faktoren nahmen auf einmal
eine immer größere Bedeutung an, die bisher als nicht eben wefentlich an-
gefehen werden durften: die Juryfreie und die Akademie. Erftere Aus-
heilung fand indem Maler Sandkuhl einen Organifator von bedeutender Fähig-
keit, dem es gelang, aus einem an fich fo unglücklichen Gebilde wie eine
nichtjurierte Ausftellung in den ganz ungeeigneten Hallen am Lehrter Bahn-
hof eine Attraktion für Künftler und Publikum zu machen, und letztere ge-
wann in Max Liebermann eine Perfönlichkeit von folchem Ausmaße, daß
ihre bisher, fofern es fich um moderne Kunft handelte, meift belächelten Ver-
anftaltungen tatfächlich zu den Sammelpunkten der Qualität wurden. Lieber-
mann vereinigte Kenntnis der Vergangenheit, Traditionsbewußtheit mit dem
Willen, der Jugend eine Brefche zu brechen. Wie fich in ihm das konferva-
tive Element des jüdifchen Patriziers verbindet mit dem Liberalismus des
Achtundvierzigers, fo verbanden fich in feinen Ausfüllungen <die unvermeid-
lichen Konzeffionen an die alten Mitglieder der Akademie feien übergangen)
der Sinn für das gute Gewefene mit der Sympathie für alles Starke, Quellende,
Werdende. Nimmt man dazu das Preftige, das dem Führer des deutfehen
Impreffionismus anhaftet, weiter den, wenn auch ungern eingeftandenen Klang
des Namens der Akademie am Parifer Platz, fo verlieht man, daß das Pro-
gramm der Sezeffion nicht mehr von Wirkung fein konnte, da ihm der Wind
aus den Segeln genommen war.
Was der natürliche Lauf der Dinge ift, kann denn auch nicht durch Ver-
bote, andere Aufteilungen zu befchicken, gehindert werden, zumal eine Reihe
junger Kunftfalons entftanden, die alle die gleiche Kunft pflegen. So bleibt
für die Ausftellung der Sezeffion nicht mehr viel übrig. Es ift denn Tat-
fache, daß auf der repräfentativen Schau kein Heckel, kein Schmidt-
Rottluff, kein Kirchner, kein Kokofchka, kein Nolde, kein Bedc-
mann, kein Otto Mueller, kein Nauen fich befindet. Unter den Plaftikern
fehlt der ftärkfte, den wir überhaupt befitzen: Barlach. Dies wäre die Ge-
richtungen, die man wohl mit falfchen Namen, die impreffioniftifche und die
expreffioniftifche bezeichnet. Die Jugend unter Führung der Brüche drohte mit
Abfpaltung, fofern ihr nicht die gebührende Stelle gefiebert würde. Man ver-
hinderte damals den Bruch, Dies nicht zu tun, wäre, wie man heute zugeben
muß, das Richtige gewefen, denn es hätte den Tod der Sezeffion zur Folge ge-
habt. Man nahm ein Sanierungsprogramm an, man wollte die »Belten« fammeln,
fich rein auf Qualität einftellen, nachdem die Kunltpolitik augenbliddich nichts zu
Tagen wußte, man wollte eine Front bilden »von Ballermann bis Bebel«. An
heb ein gewiß guter Gedanke, der einzige, der überhaupt die Sezelfion noch
retten konnte, der anknüpfend an ihrer großen Vergangenheit, Zufammenhang
mit den lebendigen Kräften des Tages fuchte. Leider jedoch verhinderten äußere
Umftände das Zuftandekommen des Planes. Zwei Faktoren nahmen auf einmal
eine immer größere Bedeutung an, die bisher als nicht eben wefentlich an-
gefehen werden durften: die Juryfreie und die Akademie. Erftere Aus-
heilung fand indem Maler Sandkuhl einen Organifator von bedeutender Fähig-
keit, dem es gelang, aus einem an fich fo unglücklichen Gebilde wie eine
nichtjurierte Ausftellung in den ganz ungeeigneten Hallen am Lehrter Bahn-
hof eine Attraktion für Künftler und Publikum zu machen, und letztere ge-
wann in Max Liebermann eine Perfönlichkeit von folchem Ausmaße, daß
ihre bisher, fofern es fich um moderne Kunft handelte, meift belächelten Ver-
anftaltungen tatfächlich zu den Sammelpunkten der Qualität wurden. Lieber-
mann vereinigte Kenntnis der Vergangenheit, Traditionsbewußtheit mit dem
Willen, der Jugend eine Brefche zu brechen. Wie fich in ihm das konferva-
tive Element des jüdifchen Patriziers verbindet mit dem Liberalismus des
Achtundvierzigers, fo verbanden fich in feinen Ausfüllungen <die unvermeid-
lichen Konzeffionen an die alten Mitglieder der Akademie feien übergangen)
der Sinn für das gute Gewefene mit der Sympathie für alles Starke, Quellende,
Werdende. Nimmt man dazu das Preftige, das dem Führer des deutfehen
Impreffionismus anhaftet, weiter den, wenn auch ungern eingeftandenen Klang
des Namens der Akademie am Parifer Platz, fo verlieht man, daß das Pro-
gramm der Sezeffion nicht mehr von Wirkung fein konnte, da ihm der Wind
aus den Segeln genommen war.
Was der natürliche Lauf der Dinge ift, kann denn auch nicht durch Ver-
bote, andere Aufteilungen zu befchicken, gehindert werden, zumal eine Reihe
junger Kunftfalons entftanden, die alle die gleiche Kunft pflegen. So bleibt
für die Ausftellung der Sezeffion nicht mehr viel übrig. Es ift denn Tat-
fache, daß auf der repräfentativen Schau kein Heckel, kein Schmidt-
Rottluff, kein Kirchner, kein Kokofchka, kein Nolde, kein Bedc-
mann, kein Otto Mueller, kein Nauen fich befindet. Unter den Plaftikern
fehlt der ftärkfte, den wir überhaupt befitzen: Barlach. Dies wäre die Ge-