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Hans Poelzigs theatralifdie Sendung
vor ornamentalem Hintergrund riefenhaft den flimmernden Geilt, Ophelias
Silhouette, Entwürfe und Figurinen, die auf den Theaterausltellungen im
Ausland Eindruck machten. Statt feiner wandelnden Heroen ftanden da
unten feldgraue Herrchen, ein Hamlet im Autofhawl, Horatio im Raglan,
Ophelia im fußfreien Kleid herum und fuchten Anfchluß, und nur Polonius
wußte in allen Strahlen und Achfen diefes Riefenraumes zu leben.
Jetzt ruft man ihn wieder zum Theater und bannt ihn auf Kuliffen und
vielleicht auch’ Figurinen feit, denn am Spiel hat er keinen Anteil gehabt.
Was damit bewiefen werden konnte, ift bewiefen: daß dies fprudelnde Tem-
perament Mozart gut zu falben verftände, daß der neue Barockmeifter Geh
mit dem alten vertrüge, daß feine Formen und der Lüfter feiner Farben in
Mozarts Töne und Rhythmen einftimmten, dies alles hatte die Oper von
Poelzig zu erwarten — fo viel es ift, für ihn war es immer noch zu wenig.
Denn folange man ihm nur Kuliffen und Koftümfundus anvertraute, und
ihm nicht auch Generalvollmacht über totes und lebendiges Inventar auf der
Bühne gab, fo lange konnte Mozarts Bild auch nicht zuftande kommen.
Manche Szenenbilder Poelzigs waren entrückend fchön: ein Parkgitter mit
phantaltifchen Bäumen im unbeftimmten Schimmer der Nacht, bei der nur der
funkelnagelneue grufelig-echte Sternhimmel in die Weichheit der Töne hinein-
blitzte — die Szene vor Don Juans Schloß mit üppig wucherndem, wie von
Amoretten lebendig gewordenen Hecken der Feftfaal mit bauchigen Balkons,
ein Wuchern und Lüftern von Ornament und Farben, das der paffendfte
Abfchluß wäre für den Raum des Salzburger Haufes!
Aber nun mußten zwifchen den ausladenden Tanz diefer Linien, den
Phosphor feiner Farben, und die Elmsfeuer auf feiner Ornamentik echt
fpanifche Koftüme geraten, Unfere Staatstheater befitzen, von trefflichen
Koftümiers jahrzehntelang verforgt, ein reich abortiertes Lager — aber wer
riet diefem fprudelnden Beleber des Barock Geh die Menfchen dazu in den
Schränken mit den echten Spaniern zu holen? In folchen Hülfen muffiert
nicht das vermeintliche Rokoko von Mozarts Mufik. Er mußte die Theater-
fpanier der Zopfzeit heraufbefchwören mit Pumphofen, Schlitzen und Feder-
hut, die Damen im Reifrock, Federn im Haar und Mediciskragen, das war
die Bevölkerung von Don Juans Heimat, nicht weil fie echt ift, nur weil fie
in demfelben Phantafieland und derfelben Stilprovinz zu Haufe ift — zeitlos! Zu
Mozarts »viva la libertä« ift es nicht »echt«, die kleine fpanifche Tocque, fondern
den Federhut zu fchwingen! Zu feinem Menuett nicht fchlanke fpanifche Volks-
tracht mit prallen Hüften, fondern der wippende Reifrock. Und wo bei
Poelzig alles rollt, wuchert, baufcht, flutet und ebbt, der Mufik gleich von der
Erde hinweg alle Schwere der Maffe und Farbe überwindet, dürfen keine
Koftümfilhouetten aus Völkerkunde oder Stilgefchichte herumftehen, untempe-
Hans Poelzigs theatralifdie Sendung
vor ornamentalem Hintergrund riefenhaft den flimmernden Geilt, Ophelias
Silhouette, Entwürfe und Figurinen, die auf den Theaterausltellungen im
Ausland Eindruck machten. Statt feiner wandelnden Heroen ftanden da
unten feldgraue Herrchen, ein Hamlet im Autofhawl, Horatio im Raglan,
Ophelia im fußfreien Kleid herum und fuchten Anfchluß, und nur Polonius
wußte in allen Strahlen und Achfen diefes Riefenraumes zu leben.
Jetzt ruft man ihn wieder zum Theater und bannt ihn auf Kuliffen und
vielleicht auch’ Figurinen feit, denn am Spiel hat er keinen Anteil gehabt.
Was damit bewiefen werden konnte, ift bewiefen: daß dies fprudelnde Tem-
perament Mozart gut zu falben verftände, daß der neue Barockmeifter Geh
mit dem alten vertrüge, daß feine Formen und der Lüfter feiner Farben in
Mozarts Töne und Rhythmen einftimmten, dies alles hatte die Oper von
Poelzig zu erwarten — fo viel es ift, für ihn war es immer noch zu wenig.
Denn folange man ihm nur Kuliffen und Koftümfundus anvertraute, und
ihm nicht auch Generalvollmacht über totes und lebendiges Inventar auf der
Bühne gab, fo lange konnte Mozarts Bild auch nicht zuftande kommen.
Manche Szenenbilder Poelzigs waren entrückend fchön: ein Parkgitter mit
phantaltifchen Bäumen im unbeftimmten Schimmer der Nacht, bei der nur der
funkelnagelneue grufelig-echte Sternhimmel in die Weichheit der Töne hinein-
blitzte — die Szene vor Don Juans Schloß mit üppig wucherndem, wie von
Amoretten lebendig gewordenen Hecken der Feftfaal mit bauchigen Balkons,
ein Wuchern und Lüftern von Ornament und Farben, das der paffendfte
Abfchluß wäre für den Raum des Salzburger Haufes!
Aber nun mußten zwifchen den ausladenden Tanz diefer Linien, den
Phosphor feiner Farben, und die Elmsfeuer auf feiner Ornamentik echt
fpanifche Koftüme geraten, Unfere Staatstheater befitzen, von trefflichen
Koftümiers jahrzehntelang verforgt, ein reich abortiertes Lager — aber wer
riet diefem fprudelnden Beleber des Barock Geh die Menfchen dazu in den
Schränken mit den echten Spaniern zu holen? In folchen Hülfen muffiert
nicht das vermeintliche Rokoko von Mozarts Mufik. Er mußte die Theater-
fpanier der Zopfzeit heraufbefchwören mit Pumphofen, Schlitzen und Feder-
hut, die Damen im Reifrock, Federn im Haar und Mediciskragen, das war
die Bevölkerung von Don Juans Heimat, nicht weil fie echt ift, nur weil fie
in demfelben Phantafieland und derfelben Stilprovinz zu Haufe ift — zeitlos! Zu
Mozarts »viva la libertä« ift es nicht »echt«, die kleine fpanifche Tocque, fondern
den Federhut zu fchwingen! Zu feinem Menuett nicht fchlanke fpanifche Volks-
tracht mit prallen Hüften, fondern der wippende Reifrock. Und wo bei
Poelzig alles rollt, wuchert, baufcht, flutet und ebbt, der Mufik gleich von der
Erde hinweg alle Schwere der Maffe und Farbe überwindet, dürfen keine
Koftümfilhouetten aus Völkerkunde oder Stilgefchichte herumftehen, untempe-