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Mannheimer Zeitung — 1828

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https://doi.org/10.11588/diglit.44354#0049

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Einrückungsgebühr 4 Vr. .
die Zeile.

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Mit Großterzoglich badiſchem gnädigſt. ausſchl. Privilegium.



AN§ 4/2.

| Sonntag, den 13. Januar

1828.





B a d e n.



Staufen, den z. Januar. Franz Joseph Bol-
linger, Bürger und Landwirth von Ehrenstetten (Amts
Staufen), geboren den 23. Febr. 1773, lebte uit sei-
ner Ehefrau ſchon seit 23. Jahren in eincr kinderloſcn
Ehe. Sie brachten beide ein so beträchtliches Vermö-
gen zusammen, daß sie unter die vermöglichen Bür-
Hgersleute des Orts gerechnet wurden. Die Kinterlo-
sigkeit ihrer Ehe bestimmte beide Gatten, in Jahre
1817 ihr Bauerngut zu veräußern , um ſich ein be-
quemeres, sorgenloſeres Leben zu verschaſfen. Von
dieſer Zeit an versank Bollinger, der sich selbſt rühm-
te, daß er von seinen Eltern eine gure Erziehung er-
halten, und früher als. emſiger Arbeiter bekanut war,
in Müßiggang, und führte ein ausſchweifendes Leben.

Im Jahre 1821 kam er in nähere Bekanntschaft mit

einem jungen Mädchen von zweideutigem Rufe, Fran-
zisca Rieſterer, der Tochter unvermöglicher Eltern. Aus
dieser Bekanntschaft ſind 2 uneheliche Kinder entsproſ-
sen. Bollinger ernährte seine Geliebte reichlich, und
wandte ihr einen großen Theil seines Vermögens zu.
Im Herbſte des Jahrs 1826 kam Bollinger zu Ohren,
daß Franzisca Rieſterer ſich mit einem Dritten ver-
heirathen wolle. ~ Ukber diese Treuloſigkeit aufge-
bracht, beschloß Bollinger sich an dieſem Mädchen zu
rächen. Unter einem ſchicklichen Vorwande überredete
er ſie, am 17. Sept. 1826 mit ihm uach Freiburg zu
gehen. Er rief sie noch vor Tag in ihrem Hauſe ab z
beide verließen gegen halb 4 Uhr Ehrenſtetten, und
schlugen die Straße nach Bollſchweil ein. Bollinger
kam ſchon Vormittags 8 Uhr allein nach Ehrenſtetten
zurück. Als seine Begleiterin auf den Abend nicht nach
Hauſe kam , und auch des andern Tages nicht zurück-
gekehrt war , so erhob sich gegen Bollinger der Ver-
dacht , daß er ſie unterwegs ermordet habe. Er wur-

. de eingezogen, läugnete aber Anfangs die That. Al-

lein seine Aussagen waren um so weniger geeignet,
den Verdacht gegen ihn zu entfernen , da Jedermann,
der denselden kannte , ihn für fähig hielt, seine Ges
lichte wegen Untreue zu ermorden. Es wurde Haus-
suchung bei demſelben vorgenommen , und die Kleider
der Ermordeten, welche er unbegreiflicher Weiſe der-
selben nach der That ausgezogen und mit ſich nach Hauſe
genommen hatte, wurden gefunden. Bollinger geſtand
ſchon am zweiten Tage die Ermordunz der Franzisca Rie-
ſterer ein. Der Leichnam der Ermordeten ward in einem
132 Fuß tiefen Schacht entkleidet gefunden und herauf-
gezogen. Der Sectionsbefund beſtätigte die Aussage
Bollingers, daß diese Person durch Zuſammendrücken
der Kehle mit den Fingern von ihm erwürgt worden war.
Der Inquiſit hat alle Haupt - und Nebenumſtände im
Laufe der Untersuchung eingeſtanden z; er zeigte wenig Reue
über sein Verbrechen, und war geneigt, seine ungünlſti-
gen, ehelichen Verhältnisse als erſte Ursache vorzuſchü-
len. Zu seiner Entschuldigung führte er die Größe sei-
ner Leidenschaft und den Undank seiner Geliebten an ,
welcher er einen großen Theil seines Vermögens abge-
treten hatte, und die im Begriffe ſtand, seinen Neben-

buhler zu heirathen. Nach geſchloſsſener Untersuchung

hat das großherzogliche Oberhofgericht zu Mannheim
durch Urtheil vom 3. Oct. v. J. auf Todesſtrafe ge-
gen Vollinger erkannt, welches Urtheil von Seiyer
Königlichen Hoheit dem Großherzog am 29. Novemb.
v. I. beſtätigt, und dem Deliuquenten am 31. v. M.
Vormittags 10 Uhr , vont großberzoal. Bezirksanrt
Staufen verkündet wurde, Derselbe war des Todes-

urtheils zwar nicht gewärtig ; hörte es abcr ſtandhaft

an. Die durch mehrere eifrige Eciſtliche ſtattgefunde-
ne Vorbereitung zum Tode ließ ihn die Größe seines
begangenen Verbrechens und das dadurch gegebene
Aergerniß erkennen. Willig empfing er die Tröſtun-
gen der Religion, und geſtärkt durch diese erhielt er
den einzigen Schwerdtſtreich, der sein Leben heute früh
 
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