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Voss, Georg [Hrsg.]; Lehfeldt, Paul [Bearb.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 1,1): Kreis Meiningen: Amtsgerichtsbezirk Meiningen (die Stadt Meiningen und die Landorte) — Jena, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.19308#0047
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Geschichte der Stadt Meiningen.

Meiningen. 26

uns dann in den Urkunden des 9. Jahrhunderts wiederholt begegnen. Auf-
fallender Weise fehlt aber, auch aus dem 9. Jahrhundert, jede
urkundliche Bestätigung vom Dasein Meiningens. Wenn es auch
sehr wahrscheinlich ist, dass Meiningen damals schon lange bestanden hatte, so
lassen sich doch die Angaben des Chronisten Seb. Güth (u. A., S. 8)*) über
das hohe Alter der Stadt, das er sogar bis zum Jahre 618 n. Chr. zurückführt,
durch keinerlei Urkunden belegen, wenn sie auch von späteren Forschern (v. Donop,
Eine Vermuthung über den Ursprung der Stadt Meiningen, im Archiv des Henneb. A.-V. II, 28—76)
mit Aufwand von viel Fleiss und Scharfsinn zu vertheidigen gesucht worden sind.

Als zu Ende des 9. und besonders in den ersten Jahrzehnten des folgenden
Jahrhunderts die Ungarn ihre furchtbaren Raubzüge in die Grenzgebiete Sachsens,
Thüringens und Frankens unternahmen, da soll auch Meiningen von ihnen in
Schutt und Asche gelegt worden sein. Einen mit den Ungarn abgeschlossenen
mehrjährigen Waffenstillstand benutzte der kraftvolle König Heinrich I. (919—936),
um die am meisten gefährdeten Länderstrecken durch umwallte Zufhichtsplätze zu
schützen, welche die Bevölkerung des Gebietes aufnahmen, in denen Vorräthe auf-
gespeichert wurden und wo für regelmässige Burgwächter gesorgt werden konnte.
Auch im Werrathal sind jedenfalls um diese Zeit solche feste Plätze geschaffen
worden. Nach unserer Chronik (S. 12) gehörte auch Meiningen zu diesen. Der
Ort wurde wieder aufgebaut, veränderte aber etwas seine Lage. Wenn man eine
Vermuthung aussprechen darf, so dürfte wohl folgende Annahme der Wirklichkeit
ziemlich nahe kommen:

Meiningen**) ist in der ältesten Zeit ein Hof gewesen, später wird auch eine
Burg erwähnt, welche die Veranlassung zur allmählichen Entstehung des Ortes
wurde, indem sich um diese viele Umwohner ansiedelten. Umfasste nun der Hof,
wie nach den Berichten der Chronisten zu schliessen ist, hauptsächlich das ehe-
malige Stadtgut beim alten Gottesacker, den auf der Flussterrasse gelegenen soge-
nannten Schafhof, d. h. die Gegend der jetzigen Marienstrasse, so war es ganz
natürlich, dass in der Nähe die erste Kirche - die Martinskirche ***) — erbaut
wurde, wie sich auch annehmen lässt, dass nach der Burg zu oder auch nach der
anderen Seite einzelne Häuser standen, woher auch die Sage stammen mag, dass
die Stadt sich ehemals bis an den Kirchbrunnen ausgedehnt habe: man darf nur
nicht an eine eigentliche Stadt, an geschlossene Häuserreihen, sondern an einzelne
Häuser denken. Zur Anlage von Befestigungen aber schien mehr die südwest-
liche Gegend geeignet, weil man dort die von der Werra abgeleiteten Gräben
zweckmässig benutzen konnte. Auch mögen zum Schutz des Ortes die beiden
Landwehren aufgeworfen worden sein. Die Landwehren sind jedenfalls jüngeren

*) Güth, Joh. Seb., Poligraphia Meiningensis, Gotha 1676, neue Ausgabe von E. Schaubach,
Meiningen 1861, ist die Hauptquelle für die Geschichte der Stadt Meiningen; muss sie auch für die ältere
Zeit mit Vorsicht benutzt werden, so kann sie doch für die späteren Aufzeichnungen, insbesondere für die
Zeiten des 30-jährigen Krieges, Anspruch auf unbedingte Zuverlässigkeit machen, da Güth als Augen-
zeuge berichtet.

**) Meiningen, patronym. = ze den Meiningen, zu den Leuten des Meino (Magino). Vgl. Hertel,
im 46. Heft der Schriften des Meininger Geschichtsvereins, S. 64, Anm. 3; G. Jacob, Ortsnamen des
Herzogth. S.-Meiningen, S. 80.

***) Genannt nach dem Schutzpatron Würzburgs, des Hauptortes von Franken, dem heiligen Martin
von Tours 316 — 400.
 
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