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Voss, Georg [Editor]; Lehfeldt, Paul [Oth.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 1,1): Kreis Meiningen: Amtsgerichtsbezirk Meiningen (die Stadt Meiningen und die Landorte) — Jena, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.19308#0125
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07 Meiningen.

Geschichte der Stadt Meiuingeii.

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Marie in dies Palais über und bewohnten es bis zu ihrem Ableben. Gegenwärtig
dient es dem erbprinzlichen Paare als Residenz. Fast zu derselben Zeit, in der
die beiden Palais entstanden, Hess Staatsminister v. Könitz das jetzt der Firma
B. M. Strupp gehörige Haus errichten"), im Jahre 1826 wurde in den nach Norden
angrenzenden Gärten ein Doppelhaus gebaut, dem bis 1839 die übrigen Häuser
der Westseite der Strasse folgten. In das Jahr 1829 fällt die Errichtung des
Hoftheaters, zu dessen Bau die Steine der an der Westseite der Stadt (an der
mittleren Pforte) abgebrochenen Stadtmauer und des sogenannten Ziegen-
thürmchens (der Wohnung des Ziegenhirten) verwendet wurden. Der Plan war
von Baurath Othmer in Braunschweig, die Ausführung leitete Architekt A. W.
Do ebner. Am 17. December 1831 wurde das Theater, das die vorbereitende
Stufe zu einer ungeahnten Kunsthöhe werden sollte, von der Bethmannschen Ge-
sellschaft mit Fra Diavolo eröffnet **). In den Jahren 1831 — 1833 entstand das
„Kauf- und Gewerbshaus" ***), vornehmer Weise zuweilen B azar, vom Volk
gewöhnlich Judenbau genannt, weil in seinen unteren Räumen jüdische Kauf-
leute ihre Verkaufsläden hatten, das obere Geschoss war von 1838—1877 der
herzoglichen Realschule eingeräumt. Nachdem die Miethsverträge der ersteren
abgelaufen waren und die Realschule ihr neues Heim in der Berliner Strasse be-
zogen hatte, wurde das Haus zu einer städtischen Mädchenschule umgebaut, hat
aber in den letzten zwei Jahrzehnten noch wesentliche Vergrösserungen erfahren.
Da, wo sich seit kurzem das monumentale Gebäude der Bank für Thüringen er-
hebt (Eröffnung am 1. Februar 1909), stauet bis vor zwei Jahren das Geschäftshaus
der Mitteldeutschen Creditbank, das ursprünglich als Gastwirthschaft von Kammer-
fourier Wagner 1847 errichtet war. So war allmählich die Bernhardstrasse ent-
standen. Etwas weiter nördlich, an der jetzigen Leipziger Strasse, stand ehedem
ein hohes, unschönes Gebäude mit zwei langgestreckten einstöckigen Flügeln, die
sogenannte untere Kaserne. Es war im Jahre 1827 von der herzoglichen Kammer
errichtet und an den Kaufmann Thorbecke von Mannheim vermiethet, der eine
Tabakfabrik darin anlegte, die bis 1843 bestand. Von da an bis 1867 diente es
dem Meininger Militär als Kaserne, wurde aber in den 70er Jahren des 19. Jahr-
hunderts nach Erbauung der neuen Kaserne, die das 2. Thüringische Infanterie-
Regiment Nr. 32 am 1. und 3. November 1867 bezog, eingelegt, während der
Grund und Boden zum Parkgebiet gezogen wurde.

In den Jahren 1831—1839 entstand auch die einzeilige Marienstrasse.
Vorher führte vom Sächsischen Hof ein Fahrweg unmittelbar nach dem Weg hinter
der halben Stadt, der heutigen Bismarckstrasse. Wo jetzt die Häuser der Strasse
stehen, war der grosse Zimmerrasen; zwischen ihm und dem Englischen Garten
führte ein Weg nach dem alten Gottesacker, dessen Eingang bis 1839 sich der
jetzigen Grabkapelle gegenüber an der Westseite befand, damals aber an die Süd-
seite verlegt wurde. Die gothische Gr ab kapeile wurde auf der Stelle der 1827
abgebrochenen Gottesackerkirche (Martinskirche) 1839 erbaut. Das schöne Portal ist

*) Mit dessen Abbrach hat man am 27. April 1909 begonnen; es macht einem Umbau nach den
Plänen des Hofbaumeisters Karl Behlert Platz.

**) Früher fanden Vorstellungen im Schlosse, in der Reitbahn und auch im Sächsischen Hofe statt.
***) Volksblatt Nr. 4 vom 24. Januar 1835.
Bau- und Kunstdenkm. Thüringens. S.-Meiningen. I. 7
 
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