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Voss, Georg [Hrsg.]; Lehfeldt, Paul [Bearb.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 1,1): Kreis Meiningen: Amtsgerichtsbezirk Meiningen (die Stadt Meiningen und die Landorte) — Jena, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.19308#0421
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Unter den 36 Wallfahrtsstätten, die zu katholischer Zeit das Gebiet des heutigen
Herzogthums S.-Meiningen besass, war eine der vornehmsten und besuchtesten die
der heiligen Jungfrau geweihte Kirche im Grimmenthal (Grintal). Schon in früh-
mittelalterlicher Zeit stand hier eine kleine Wallfahrtskapelle, die aber dem Ver-
fall entgegen zu gehen schien. Nur ein Betstock mit dem Muttergottesbild be-
zeichnete dem Pilger die geweihte Stätte. Ein Aufsehen erregendes Ereigniss frischte
am Ende des 15. Jahrhunderts den Glanz der alten Wallfahrt wieder auf. Heinz
Teufel, ein ausgedienter würzburgischer Feldhauptmann, der in Obermassfeld seinen
Wohnsitz aufgeschlagen hatte, ward auf der Jagd plötzlich von einem Gebrest
überfallen, betete vor dem Grimmenthaler Bildstock und ward augenblicks gesund.
Die Kunde dieser Heilwirkung der heiligen Jungfrau verbreitete sich rasch, und
Schaaren von Gläubigen eilten herzu, um an der geweihten Stelle Andacht zu halten.
Eine neue Kapelle wurde im Juni und Juli 1498 von den frommen Umwohnern
erbaut, sie nahm auch in ihrem Innern den altehrwürdigen Bildstock auf. Die Ein-
weihung fand am 21. August durch den Würzburger Weihbischof Georg Antworter
statt. Der Zulauf zu dem wunderthätigen Bilde nahm ungeahnte Verhältnisse an,
und bald erwiesen sich die Räume der Kapelle als unzulänglich. Daher beschloss
Graf Wilhelm von Henneberg, die Kapelle zu vergrössern und zugleich eine
Hauptkirche zu bauen, die jene in sich aufnehmen könnte. Dem Entschluss folgte
die Ausführung unmittelbar. Ein Gedenkstein, der jetzt an dem Südeingang
des Gutsgebäudes eingesetzt ist, meldet, dass der Bau 1499 begonnen wurde.
Die Kosten berechnet Brückner auf 18 000 Gulden. Die Hauptweihe der
Johannes dem Täufer geweihten Kirche erfolgte am 1. Mai 1502 durch den Würz-
burger Weihbischof und acht ihm beistehende Geistliche. Der Bau war in spät-
gothischem Stil aufgeführt und muss mit seinen Pfeilern, 7 iUtären, vergoldeten
Knäufen, 12 Hochfenstern und dem Thurme von innen wie von aussen einen
grossartigen Eindruck gemacht haben. Auch die rein künstlerische Verzierung
wurde durch schaffensfreudige Meister, namentlich aus dem Frankenlande, gefördert.
Vom Jahre 1500—1514 arbeitete der berühmte Bamberger Maler Paul Lautensack
mit seinem Bruder Hans und mit seinen „Knechten" (Schülern) ausschliesslich für
Grimmenthal. Aus seiner Werkstatt gingen hervor ein Marienbild über der Kirch-
thür (1501) und' ein Bild des Bartholomäus, Bilder der heiligen Anna und des
heiligen Christoph im Chor, sowie eine „Bodentafel" an der Decke, Simon Judä
und Dionys (1503), der heilige Gregor (1504), eine grosse Tafel im Chor (1505),
wiederum eine heilige Anna (1506), Gertrud (1507), ein Bild am Mittelaltar (1508),
ein St. Johannisbild ebenda und der Hortus conclusus mit zwei Engeln (1513—1514).
Ausser der Lautensackschen Schule widmeten mehrere geschickte Schnitzer und
Bildhauer ihre Dienste der gefeierten Kirche und lieferten ausgezeichnete Schnitz-
werke, unter denen das hohe, reichvergoldete Geschlechtsregister Jesu einen hervor-
ragenden Platz einnahm. Nicht gering war der Reichthum an silbernen und goldenen
Bildwerken, namentlich an Kelchen, Monstranzen, Kreuzen, Ringen, Ketten, Glied-
massen, von welch letzteren einige auch in Meiningen von den Goldschmieden Hans
Büchner, Hans Kobenheit und Nicolaus Ein gearbeitet wurden. So stand nach
sieben Jahren angestrengter Thätigkeit die Grimmenthaler Marienkirche in der
Hauptsache fertig da, die nachfolgenden Bauarbeiten hatten auf ihren Charakter im
ganzen keinen wesentlichen Einfluss.
 
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