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Voss, Georg [Hrsg.]; Lehfeldt, Paul [Bearb.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 1,1): Kreis Meiningen: Amtsgerichtsbezirk Meiningen (die Stadt Meiningen und die Landorte) — Jena, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.19308#0572
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480

Ritschenhausen, Kirche

Meiningen. 480

hergestellt. Der Stein, aus dem die Thurmspitze besteht, ist ein poröser Tuff. Die
Rüstlöcher sind noch erhalten. Das Brustbild eines Mannes, in Stein gehauen,
ist hoch oben am Thurm, etwa 9 m über der Erde, an einer Quader der Südostecke
angebracht. xA.uf der Brust des Mannes ist ein Schild mit einem Steinmetzzeichen
angebracht. Es ist daher wahrscheinlich, dass hier der Baumeister oder Steinmetz
des Thurmes dargestellt ist. Die starke Verwitterung des Steines macht eine genaue
Zeitbestimmung nicht möglich. Die Form der in dichten Büscheln über die Ohren
herabfallenden Haare erinnert zwar auffallend an Männerporträts aus der Zeit um
1500. Doch es ist wohl nur ein Zufall. Der Stein stammt wohl aus der Zeit um
1600, ähnlich wie der Kopf an der Kirche zu Obermassfeld (Abbildung auf S. 481).
Die Zahl 1594, welche Brückners Landeskunde als Jahr der Erbauung des
Thurmes angiebt, stand früher über der Rundbogenpforte, welche nach dem Umgang
am Fuss der Pyramide führt. Den Formen dieser Zeit entspricht auch die Um-
rahmung des Spitzbogenfensters am unteren Theile des Thurmes. Die Mauern
des Thurmes sind in der Höhe des Kirchendaches 1 m stark.

Der Thurm steht an der Südwestseite der Kirche. An der Stelle dieses
steinernen Thurmes soll vor dem Jahre 1594 ein hölzerner Thurm gestanden
haben*). Der Hauptraum der Kirche ist um das Jahr 1770 fast ganz neu erbaut
und im Aeusseren fast schmucklos. Das Satteldach der Kirche ist gegen den Thurm
gelehnt. Auf der entgegengesetzten Seite des Thurmes ist die Spur eines ebenso hohen
Daches sichtbar. Ob dies die Spur einer älteren Kirche oder Kemenate ist, lässt sich
wohl nicht mehr entscheiden, zumal der Putz des Thurmes erst vor einigen Jahren
erneuert ist. Der Dachfirst der Kirche liegt etwa 1 m südöstlich von der Mitte
des Thurmes. Die ursprüngliche Form des Kirchendaches aus der Bauzeit des
Thurmes im 16. Jahrhundert erkennt man auf dem Dachboden. Das ursprüngliche
Dach war etwa IV2 m niedriger als das jetzige und lag mit dem First in der
Mitte des Thurmes. Die Inschrift: Anno 1769 steht auf dem Fenstersturz des
Fensters im Südwestgiebel. Offenbar ist der ganze Hauptraum in dieser Zeit erbaut.

Die Kirche ist fast genau von Nordost nach Südwest gerichtet. Der Haupt-
raum ist ein längliches, nicht ganz regelmässiges Rechteck. Der Triumphbogen,
welcher zu dem Chor unter dem Thurm führt, ist rundbogig.

Sacramentsnische. Im Chor unter dem Thurm befindet sich eine kleine
Sacramentsnische, bekrönt von einem verstümmelten Kielbogen mit verstümmeltem
Relief.

Sacristei an der Südwestseite, quadratisch, mit rundbogigem Tonnengewölbe
des 16. Jahrhunderts.

Zwei Geschosse Emporen auf quadratischen Pfeilern an der Nordwest- und
Südwestseite der Kirche.

Pfarrstand mit drei korinthischen Pilastern und aufgenagelten Roccoco-
Ornamenten an der Nordwestseite der Kirche.

Orgel, mit der Jahreszahl 1775 in einer Cartouche, mit vier roh geschnitzten
Posaunenengeln und aufgenagelten, geschnitzten Roccoco-Ornamenten, ähnlich wie
die Ornamente an den Emporen und an der horizontalen Holzdecke. Die Orgel
steht unter dem runden Triumphbogen auf einer Empore.

*) Brückner, Landeskunde des Herzogthums Meininsren II, S. 174.
 
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