II. Der Sejm als Ereignis
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räumliche Ordnung. So war es auch sein Platz in der Ratsrunde, um den sich
der Erzbischof von Gnesen in der Auseinandersetzung mit Olesnicki sorgte: er
befürchtete, bei einer Anerkennung von Oiesnickis Kardinalswürde und des-
sen damit verbundener Aufwertung einen geringeren Platz (locMS zn/enor) in
den Beratungen einnehmen zu müssen. Statt sich einer Auseinandersetzung
zu stellen und den Verlust seines Platzes zu riskieren, verließ der Erzbischof
gemeinsam mit weiteren Vertretern Großpolens demonstrativ die Beratungen,
die mit den verbliebenen Herren ihren Fortgang nahmen. Auf Bitten der groß-
polnischen Herren begab sich der König allerdings wenig später in die Her-
berge des Erzbischofs von Gnesen, um dort separate Beratungen mit den groß-
polnischen Vertretern zu führen. Verärgert und irritiert durch dieses Vorgehen
versammelten sich die kleinpolnischen Herren ihrerseits in der Herberge von
Bischof Olesnicki, um sich in einem kleinen und exklusiven Rahmen zu be-
sprechen.""' Nicht der Abgang einer Teilnehmergruppe, sondern die Verlegung
der Verhandlungen an einen nichtöffentlichen, ja gar privaten Raum hatte die
Empörung der kleinpolnischen Herren hervorgerufen; den dadurch bedingten
Ausschluss von den Beratungen begriffen sie als entehrende Schmach (dedecor).
Nach den gesonderten Verhandlungen kamen alle Teilnehmer wieder zu einer
Sitzung zusammen, um über den Umgang mit dem Rangstreit zu beraten. Die
kleinpolnischen Herren erklärten sich öffentlich dazu bereit, die Autorität des
Kardinals, sofern nichts gegen ihn vorgebracht werde, gleich der des Erzbi-
schofs zu würdigen; andernfalls würden alle die Versammlung verlassen. Die
großpolnischen Herren aber baten Olesnicki, sich wie der Erzbischof von den
öffentlichen Beratungen fernzuhaken." '
Deutlich wurde in den Diskussionen des Jahres 1449 zwischen einem per-
sönlichen, nichtöffentlichen und einem öffentlichen Raum unterschieden. Wäh-
rend eine Zusammenkunft an einem nichtöffentlichen Raum den Abschluss des
Gremiums gegenüber einem bestimmten Akteurskreis mit sich brachte, wurde
der öffentliche Raum gleichsam durch die gemeinschaftlichen Beratungen kon-
stituiert und den Ämtern der Teilnehmer entsprechend räumlich gegliedert
und geordnet.^ Die Notwendigkeit der Neu- bzw. Umordnung dieser Struk-
tur hatte sich offenbart, als Olesnicki mit seinem Auftritt die Integration in den
Kreis und die Einnahme des ersten Platzes darin beanspruchte. Um derartige
Unstimmigkeiten und Konflikte von vorneherein zu vermeiden, sollte König
100 Annales seu cronicae XII, S. 86.
101 Dem Bericht von Jan Dlugosz zufolge war der Kardinal gebeten worden, ganz aus Piotrköw
abzureisen, vgl. Annales seu cronicae XII, S. 87. Olesnicki selbst schrieb jedoch einige Monate
später an Nikolaus Lasocki, er sei dazu aufgefordert worden, während der öffentlichen Bera-
tungen in seiner Herberge zu verbleiben: rogrdw?ü, wo saüow pro dd? uice ad coMsdiMW wrErcm
pMMicMW, sed pro rdws pMMdds shmdo in dospdio meo coMSMierem (Schreiben an Nikolaus Lasocki,
den Krakauer Dekan und Gesandten in Rom, in: CE 1,2, Nr. 93, S. 94-97, hier S. 97).
102 Auch in den Jahren 1479 und 1490 kam es zu Auseinandersetzungen um Separatberatungen.
Die Vertreter der preußischen Stände hatten in beiden Fällen um direkte Verhandlungen mit
dem König und wenigen Vertrauten gebeten, um ihre Beschwerden und Forderungen Vor-
bringen zu können. Dies rief die Empörung der polnischen Kronherren hervor, die einzig
das Plenum als geeignetes Forum für den Konfliktaustrag ansahen. Zur Interpretation dieser
Gruppenkonstellationen und politischen Debatten vgl. die Ausführungen in Kapitel B.111.1.
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räumliche Ordnung. So war es auch sein Platz in der Ratsrunde, um den sich
der Erzbischof von Gnesen in der Auseinandersetzung mit Olesnicki sorgte: er
befürchtete, bei einer Anerkennung von Oiesnickis Kardinalswürde und des-
sen damit verbundener Aufwertung einen geringeren Platz (locMS zn/enor) in
den Beratungen einnehmen zu müssen. Statt sich einer Auseinandersetzung
zu stellen und den Verlust seines Platzes zu riskieren, verließ der Erzbischof
gemeinsam mit weiteren Vertretern Großpolens demonstrativ die Beratungen,
die mit den verbliebenen Herren ihren Fortgang nahmen. Auf Bitten der groß-
polnischen Herren begab sich der König allerdings wenig später in die Her-
berge des Erzbischofs von Gnesen, um dort separate Beratungen mit den groß-
polnischen Vertretern zu führen. Verärgert und irritiert durch dieses Vorgehen
versammelten sich die kleinpolnischen Herren ihrerseits in der Herberge von
Bischof Olesnicki, um sich in einem kleinen und exklusiven Rahmen zu be-
sprechen.""' Nicht der Abgang einer Teilnehmergruppe, sondern die Verlegung
der Verhandlungen an einen nichtöffentlichen, ja gar privaten Raum hatte die
Empörung der kleinpolnischen Herren hervorgerufen; den dadurch bedingten
Ausschluss von den Beratungen begriffen sie als entehrende Schmach (dedecor).
Nach den gesonderten Verhandlungen kamen alle Teilnehmer wieder zu einer
Sitzung zusammen, um über den Umgang mit dem Rangstreit zu beraten. Die
kleinpolnischen Herren erklärten sich öffentlich dazu bereit, die Autorität des
Kardinals, sofern nichts gegen ihn vorgebracht werde, gleich der des Erzbi-
schofs zu würdigen; andernfalls würden alle die Versammlung verlassen. Die
großpolnischen Herren aber baten Olesnicki, sich wie der Erzbischof von den
öffentlichen Beratungen fernzuhaken." '
Deutlich wurde in den Diskussionen des Jahres 1449 zwischen einem per-
sönlichen, nichtöffentlichen und einem öffentlichen Raum unterschieden. Wäh-
rend eine Zusammenkunft an einem nichtöffentlichen Raum den Abschluss des
Gremiums gegenüber einem bestimmten Akteurskreis mit sich brachte, wurde
der öffentliche Raum gleichsam durch die gemeinschaftlichen Beratungen kon-
stituiert und den Ämtern der Teilnehmer entsprechend räumlich gegliedert
und geordnet.^ Die Notwendigkeit der Neu- bzw. Umordnung dieser Struk-
tur hatte sich offenbart, als Olesnicki mit seinem Auftritt die Integration in den
Kreis und die Einnahme des ersten Platzes darin beanspruchte. Um derartige
Unstimmigkeiten und Konflikte von vorneherein zu vermeiden, sollte König
100 Annales seu cronicae XII, S. 86.
101 Dem Bericht von Jan Dlugosz zufolge war der Kardinal gebeten worden, ganz aus Piotrköw
abzureisen, vgl. Annales seu cronicae XII, S. 87. Olesnicki selbst schrieb jedoch einige Monate
später an Nikolaus Lasocki, er sei dazu aufgefordert worden, während der öffentlichen Bera-
tungen in seiner Herberge zu verbleiben: rogrdw?ü, wo saüow pro dd? uice ad coMsdiMW wrErcm
pMMicMW, sed pro rdws pMMdds shmdo in dospdio meo coMSMierem (Schreiben an Nikolaus Lasocki,
den Krakauer Dekan und Gesandten in Rom, in: CE 1,2, Nr. 93, S. 94-97, hier S. 97).
102 Auch in den Jahren 1479 und 1490 kam es zu Auseinandersetzungen um Separatberatungen.
Die Vertreter der preußischen Stände hatten in beiden Fällen um direkte Verhandlungen mit
dem König und wenigen Vertrauten gebeten, um ihre Beschwerden und Forderungen Vor-
bringen zu können. Dies rief die Empörung der polnischen Kronherren hervor, die einzig
das Plenum als geeignetes Forum für den Konfliktaustrag ansahen. Zur Interpretation dieser
Gruppenkonstellationen und politischen Debatten vgl. die Ausführungen in Kapitel B.111.1.