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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 2
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Berger, Ernst: Die Rubens-Bilder der Münchner Pinakothek, [2]
DOI Artikel:
Hebing, Cornelius: Die Oelfarben
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0011

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Nr. 2.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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gibt sich schon dadurch, dass die Zeitpunkte,
wann einschneidende Massregein vorgenommen
wurden, nach Jahrzehnten jederzeit sicher zu kon-
statieren sind. Denn seibstverständiich wird
jedes Biid sein besonderes Merkblatt erhalten
müssen, auf dem die wichtigsten Daten wie auf
der Fiebertabelle bei Kranken notiert sind. Ein
späterer Konservator wird diese Merkblätter
niemals aus dem Auge lassen dürfen, und wenn
im Laufe der Zeit Vorwürfe gegen seine Tätig-
keit erhoben werden oder Schäden stärker be-
merkbar sind, dann kann das Merkblatt genaue
Auskunft geben, was früher an dem Bilde beob-
achtet wurde und was schon dagegen geschehen ist.
Dazu kommt noch der jeweilige Platz in Be-
tracht, an dem die Bilder sich befinden, ob die
Wand eine Innenwand oder eine Aussenwand ist,
weil im Winter der Temperaturunterschied Kon-
densationen der Feuchtigkeit zur Folge hat, die
sich auf der Bildfläche niederschlagen. In unge-
heizten Galerieräumen werden sich die Folgen
solcher Kondensation besonders im Frühjahr mehr
zeigen, als in geheizten Räumen.
Um nun wieder auf die Rubens-Bilder zurück-
zukommen, muss bemerkt werden, dass es sich
bei den gesprungenen Holztafeln und den oben
aufgezählten Schäden an Leinwandbildern nicht
nur darum handeln könnte, die zutage tretenden
Schäden „zu beheben", d. h. auszubessern, so gut
es geht, sondern es handelt sich um die Be-
seitigung der äusseren Ursachen, welche
diese Schäden veranlasst haben. Das ist nach
meiner Meinung der Kernpunkt der ganzen
Angelegenheit, und um diese äusseren Ursachen
kennen zu lernen und ihre Wirkung zu stu-
dieren, sind alle die obenerwähnten genauen Be-
obachtungsarbeiten von höchster Bedeutung.
Dann erst kann beurteilt werden, ob die Schäden
Folgen der äusseren Einflüsse (Temperatur,
Feuchtigkeit u. a.) sind, oder die Folge der vom
Maler angewendeten Methoden (schlechte Grun-
dierung, ungenügender Schutz gegen das Werfen
des Holzes, überreicher Firnisgebrauch u. dergl.).
Die Technik von Rubens und seiner Zeit ist
ziemlich genau bekannt.*) Durch Zugabe von
Balsam wie venetian. Terpentin und Verdünnungs-
mittel (Terpentin, Spiköl, von einzelnen auch Stein-
öl) zur Oelfarbe erreichten sie die dünne trans-
parente Farbe, wobei noch durch die von fast
allen Meistern beliebte Methode des „Ver-
treibens"**) eine Glätte und Gleichmässigkeit des
Auftrages eintritt, die im Laufe der Zeit ein emaille-
artiges Aussehen bewirkte. Auch die Methode
*) Vgl. meine Beiträge, IV. Renaissance und Folge-
zeit, insbesondere die Noten zum De Mayerne-Ms.
S. 399 und Einleitung S. XL, XLI.
**) Durch dasVertreibenwerdendiePinselstriche
unsichtbar, eine Eigentümlichkeit, die selbst bei
grossen Bildern von Rubens und anderen bemerkbar
ist und dem Beobachter auffallen muss.

des „Lasierens", die ein hauptsächlicher Teil der
alten Technik war, trägt dazu bei, dass viele
Bilder jetzt einen „glasigen" Eindruck machen.
Bei Reinigungsarbeiten (Abnahme alten Firnisses),
beim Neuaufspannen oder Rentoilieren, dem stets
ein Niederbügeln mit erwärmtem Bügeleisen folgt,
wird, auch wenn diese Arbeiten mit der allergrössten
Vorsicht vorgenommen werden, die Glätte der Far-
benschicht vermehrt. Die Gefahr, dass die feineren
Lasuren durch die Firnisabnahme mit abgenommen
werden, ist stets vorhanden. Ein schlecht be-
handeltes Gemälde stellt dann nur noch die Unter-
malung dar und jeder Freund der alten Kunst
wird Herrn Linde beistimmen, wenn er gegen
diese Folgen rücksichtsloser Firnisabnahme pro-
testiert. Ein geputztes, also auch „verputztes"
Bild ist ein beschädigtes Bild, aber mit der
traurigen Gewissheit verbunden, dass der Schaden
nicht mehr gutzumachen ist. Von den Rubens-
Bildern der Pinakothek ist die „Susanna im Bade"
ein solches Bild, und auch „Christus und die
Reuigen" macht den Eindruck eines von allen
Feinheiten der Lasur entkleideten Werkes. Andere
Bilder, wie z. B. die „Amazonenschlacht", einzelne
der Porträts u. a., zeigen gewisse Hache Stellen und
verriebene Partien im Fleisch, die „verdächtig"
sind und frühere Manipulationen vermuten lassen.
In eingeweihten Kreisen sind gerade die die
Rubens-Bilder betreffenden Restaurierungen zu
Zeiten des ehemaligen Galeriedirektors Foltz
(1865—7$) noch in lebhafter Erinnerung. Es
wird erzählt, dass ein Nachziehen der Konturen
mit Farbe (!!) erforderlich gewesen wäre, um die
durch die „Putzwut" eingetretenen Schäden einiger-
massen zu verdecken. Dieser Zeit folgte naturge-
mäss eine Periode der Reaktion, in der man die
Rubens-Bilder in Ruhe liess, aber gerade in diese
Zeit fallt die Einführung der Zentralheizung, deren
Einfluss auf den allgemeinen Zustand der Gemälde
sich jetzt, wie es den Anschein hat, zu zeigen beginnt.
Was an Schäden bisher zu bemerken ist, ist
geringfügig gegenüber den Gefahren, die durch
allzu eifrig betriebene Massnahmen die Schätze des
Rubens-Saales bedrohen. Mögen alle guten Geister
die Galerie davor bewahren und es verhüten, dass
infolge der vom Minister angeordneten Beseitigung
der vorhandenen kleinen Schäden nicht erst ein
viel grösserer Schaden angerichtet werde!
München, Ende Juni 1909.
Die Oelfarben.*)
Von Cornelius Hebing.
Durch Vermischung der trockenen Farbe mit Lein-
öl ergibt sich das als Oelfarbe bezeichnete Gemenge.
*) Mit freundlicher Erlaubnis des Autors aus dessen
kürzlich erschienenem Buche „Oelfarbe und Oelfarb-
anstriche" (Verlag von Georg D. W. Callwey) abge-
druckt. C. Hebing ist als Praktiker und Redakteur
der deutschen Malerzeitung „Die Mappe" in Fach-
kreisen bestens bekannt.
 
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