München, 21. Febr. 1910.
Beitage zur „Werkstatt
Erscheint i4tägig unter
der Kunst " (E. A. Seemann, Leipzig).
Leitung von Maier Ernst Berger.
YI. Jahrg.
Nr. li.
Inhait: Die Farben der Fiora-Büste. Von Witheim Schötermann. — Kunstgeschichtiiche Bemerkungen über
Perspektive. Von Theodor Wedepoht. —. Thioindigo und Indigo ais Maifarben. Von Prof. Ernst
Täuber. — Nachweis von Arsen in Tapetenfarben.
Die Farben der Flora Büste.
Von Wiiheim Schötermann-Weimar.
In der Angelegenheit der Flora-Büste sind die
mikro-chemischen Untersuchungen von grösster
Bedeutung, die kürzlich der auf diesem Gebiete
als Fachmann bekannte Gelehrte Prof. E. Raehl-
mann-Weimar*) an kleinen Teilchen der Bemalung
vorgenommen hat. Danach lässt sich folgendes
feststellen: Die Technik der Malerei auf der
Büste, ihre Malmittel und der Auftrag der Farben-
schichten sind alt und weisen für die Renaissance-
zeit charakteristische Merkmale auf (lichtdurch-
lässiges Malmedium usw.).
Die durch die mikroskopische Prüfung fest-
gestellten Bestandteile der bemalten Stellen der
Büste enthalten Stoffe, welche (nach Raehlmann)
seit anderthalb Jahrhunderten in der Malkunst
nicht mehr verwendet worden sind.
Hierzu ein paar Erläuterungen. In seinem Gut-
achten im Amtlichen Berichte aus den königli-
chen Kunstsammlungen, XXXI. Jahrg., Nr. 4,
Januar i$io, heisst es, S. IIQ, über die Bemalungder
Büste: „Die Details dieser Malerei . . . zeigen
eine Technik, welche der altitalienischen
Temperatechnik des XV. und XVI. Jahr-
hunderts und auch der gleichzeitigen alt-
deutschen und altniederländischen Kunst
als Malmethode eigen ist. Einzelne
Stellen auf den von mir untersuchten Proben
weichen aber im Farbenauftrage völlig von d em
geschilderten Typus ab." — Hier ist offen-
bar die alte Malerei ausgebessert worden. Wie
ausgedehnt diese Restauration bzw. Uebermalung
*) Die Leser dieser Blätter seien auf dessen Ab-
handlung „Die Technik der alten Meister der klassischen
Zeit, beurteilt nach mikroskopischen Untersuchungen
an Bruchstücken ihrer Gemälde" im III. Jhrg., Nr. 22/24,
wiederholt aufmerksam gemacht.
der Büstenoberfläche gewesen ist, lässt sich an
den bisherigen Proben nicht feststellen. Nur die
Tatsache, dass eine Uebermalung stattgefunden
hat, ist an den Befunden im Blau des Gewandes
festgestellt. „Die an der beschriebenen (alten)
Malerei zutage tretende Technik lässt er-
kennen, dass der Autor der Büste ein
ebenso technisch geschulter Maler als
guter Bildhauer gewesen sein muss. So
legt die Malerei auf der Büste, auch unter der
dicken Schmutzkruste, welche sie bedeckt, Zeug-
nis ab für die Kunst des alten Meisters, der sie
geschaffen hat." Soweit Raehlmann.
Obgleich mein „Glaube" an die Echtheit der
Büste nicht allzu fest war, so wäre es doch
eine Torheit, sich nicht jederzeit gern belehren
zu lassen von Männern, die mehr kennen und
wissen als man selber. So nahm ich dankbar
Exzellenz Raehlmanns Einladung an, mich von
obigen Feststellungen mit eigenen Augen zu
überzeugen.
An einem schneehellen, sonnigen Tage be-
suchte ich ihn in seiner Arbeitsstätte und fand
ihn beschäftigt mit seinen Präparaten, bei der
denkbar günstigsten Beleuchtung für Mikroskopie.
Auf den Objekttisch wurde zuerst von einem
Tafelbilde des Marco Basaiti ein Bruchstückchen
im Querschnitt gebracht. Es zeigte die (im Gut-
achten angeführte) mehrfache Farbenschichtung
über dem hellen Malgrund, alsdann ein zweites
Stückchen blauer Farbe vom Bilde desselben
Meisters, von der Fläche gesehen. Da war das
charakteristische Bild der mittelalterlichen Mal-
technik: auf dem Kreide- (oder Gyps-)Grund das
lichte speckige Malmedium, in dem die hellen und
dunklen blauen Farbpartikeln „schwammen". Gan z