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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 22
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Gerhardt, Paul: Eugène Delacroix' Tagebuch
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Pudor, Heinrich: Das Kgl. Materialprüfungsamt Gross-Lichterfelde über Echtfärberei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0090

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86

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 22.

das Bild so angelegt wissen, wie das Sujet bei
grauem Wetter ohne Sonne aussehen würde, ohne
Licht und Schatten, jedes Objekt ais farbige Masse
behandelt, die von ailen Seiten verschieden reflek-
tiert ist. Und nun soii man sich in die Lage
versetzt gtauben, dass plötzlich die Sonne über
diese Szene, die im Freien bei grauem Himmel
spielt, scheine. Da erscheinen Licht und Schatten
in der richtigen Weise. Er fährt fort: „So merk-
würdig es erscheinen mag, so beruht doch in
dieser tiefen Wahrheit das Verständnis für Farbe
in der Malerei. Wie sonderbar. Von den gros-sen
Malern, selbst von denen, die für Koloristen gelten,
haben sie nur sehr wenige verstanden."
Alles ergreift und bewegt den Künstler, stets
nimmt er auf und verarbeitet alles, was Kunst
heisst: Architektur, Musik, Literatur, darstellende
Kunst, bildende Kunst. Er kommt mit den
Grossen seiner Zeit auf diesen Gebieten oft zu-
sammen, bespricht und kritisiert sie, ihre Werke,
lässt sich und seine Werke ebenfalls kritisieren
und besitzt die Klugheit, für sich einen prak-
tischen Nutzen daraus zu ziehen, den er sich
praktisch seziert und in seinem Tagebuch festlegt.
So verbindet er seine grosse Kunst mit der Wissen-
schaft, so hinterlässt er der Nachwelt an Hand
seinér gewaltigen geschaffenen Beispiele einen
wertvollen Leitfaden.
(S. 104.) „Man muss daran denken, dass das
Grau der Feind jeder Malerei ist. Die Malerei
wird durch ihre Schrägstellung zum Lichte fast
immer grauer aussehen, als sie ist."
Rubens ist Delacroix' grösstes Studium, er
hält ihn technisch in jeder Weise als vorbildlich.
Dabei sieht er auch vermeidenswerte Fehler und
vergleicht ihn mit den übrigen Meistern der Zeit,
um einen richtigen Weg zu konstruieren.
„Es ist eine absolute Notwendigkeit, den
Halbton im Bilde (S. 103), d. h. alle Töne über-
haupt zu übertreiben. Man kann darauf schwören,
dass das Bild unter schräger Beleuchtung aus-
gestellt werden wird. Es wird also notgedrungen
das, was unter einem einzigen Gesichtspunkte
(S. 105), d. h. bei geradefallendem Lichte, wahr
ist, unter allen anderen dichtes Grau und falsch
sein. — Rubens übertrieben; Tizian desgleichen;
Veronese manchmal grau, weil er sich sehr an
die Wahrheit hält.
Rubens malt erst seine Figuren und den Hinter-
grund nachher. Er behandelt ihn dann so, dass
er jene zur Geltung bringt. Er musste auf weissen
Grund malen. Der Lokalton muss in der Tat
durchsichtig sein, obgleich im Halbton. Er ahmt
im Prinzip das Durchscheinen des Blutes unter
der Haut nach."
Das sind technisch ausserordentlich wichtige
Fingerzeige, die so des Hinweises bedürfen und
die so häufig unbeachtet bleiben. Selbst die
kleinsten Hilfsmittel hält Delacroix für genügend

wertvoll, sie zu beobachten und sich zu eigen
zu machen. Er fertigt, nachdem er den St. Justus
von Rubens gesehen, eine Kopie (S. 108) nach
einem Kupferstich und kommt zu der Ueber-
zeugung, dass bei Rubens der Gebrauch des
Haarpinsels an Stelle des Borstenpinsels die glatte
und vollendetere Ausführung ohne abgesetzte
Flächen bestimmte. Durch den Gebrauch der
üblichen Borstenpinsel entstehen Härten, die ein
Verschmelzen der Farben unüberwindlich er-
scheinen lassen. Dieses Verfahren führt zu einer
runden Malerei, wie die Rubens' war, verleiht
aber auch schneller den Eindruck des Fertigen.
Die Holztafel, glaubt Delacroix, zwinge fast dazt^
den Haarpinsel zu verwenden.
Bis in diese Einzelheiten ergeht sich die rege
Beobachtung des Meisters, die für gewisse Tech-
niken von nicht zu unterschätzendem Wert sind.
Alle gegebenen Mittel sind gleich wertvoll.
„Die Kunst ist keine Algebraaufgabe, wo die
Abkürzung der Figuren zur Lösung des Problems
hilft. Die Lösung in der Kunst ist nicht die Ab-
kürzung, sondern die Erweiterung, die Ausdehnung
der Empfindung, und zwar durch alle vorhandenen
Mittel." (Fortsetzung folgt.)
Das Kgl. Materlalprüiungsamt Gross-
Lichterfelde über Echtiärberei.
Von Dr. Heinrich Pudor.
Die Mitteilungen aus dem Kgl. Materialprüfungs-
amt zu Gross-Lichterfelde, herausgegeben im Auftrag
der Kgl. Aufsichtskommission, enthalten im 2. und
3. Heft :91o einen Artikel „Derzeitiger Stand der Echt-
färberei im Spiegel der Farbstoffindustrie-Entwicklung"
von Dr. P. Heermann, ständiger Mitarbeiter der Abt. 3
für papier- und textiltechnische Prüfungen, der die
Vorwürfe, die Verfasser gegen die Teerfarbenindustrie
erhoben hat*), im ganzen als berechtigt anerkennt,
wenn er auch die Verantwortung gewissermassen „zer-
streut" und in der Hauptsache wieder, wie dies schon
Dr. Göhring getan hatte, auf die Färbereien schiebt,
die ihrerseits unter der Preisdrückerei und unverstän-
digen Auftragsdirektiven („genau wie Vorlage zu färben")
zu leiden haben. Wir geben aus dem angeführten Artikel
das Wichtigste wieder und bemerken im voraus, dass
der Artikel an die Erfahrungen anschliesst, die das
Kgl. Materialprüfungsamt bei der Prüfung einer grossen
Zahl von Militär-Leinendrillichen für eine ausländische
Militärbehörde in bezug auf Licht-, Luft-, Wetter- und
Waschechtheit, z. T. auch Schweissechtheit, anzustellen
hatte. Es heisst also da: „Vor allem erscheint es ge-
boten, ein offenes Wort zu sprechen und die Verant-
wortung für vorhandene Missstände auch offen denen
zuzuschieben, die sie zu tragen haben. Von den ge-
prüften etwa 30 Drillichstoffen hat sich nur ein Teil
als recht gut und durchaus befriedigend, ein anderer
Teil als mittelmässig, und der weitaus grösste
Teil als unbefriedigend und mangelhaft er-
wiesen. Von diesen letzteren verschoss beispiels-
weise ein Teil schon nach mehrtägiger Belichtung votl-

*) „Werkstatt der Kunst" vom 16. November 1908:
„Von den modernen Farbstoffen". „Technische Mit-
teilungen für Malerei" vom 13. Dezember 1908: „Ueber
Teerfarbstoffe", und vom Januar 1909: „Nochmals
über Teerfarbstoffe".
 
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