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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 8
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Ostwald, W.: Ikonoskopische Studien, [2]
DOI Artikel:
Bentz, F.: Die Frage der Restaurierschulen: eine Antwort an Herrn Linde
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0035

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Nr. 8.

Münchner kunsttechnische Blätter.

3f

gegebenen Kunstwerke in der angegebenen Weise
zu untersuchen, zunächst noch das Studium der
mannigfaltigen Temperabindemittei durchzuführen
und dann die Zuveriässigkeit der Methode an
Material von bekannter Hersteiiungsweise zu er-
proben. Beiden Aufgaben gedenke ich mich als-
bald zu unterziehen.
Die Frage der Restaurierschulen.
Eine Antwort an Herrn Linde von F. Bentz-
Freiburg i. B.
Ohne auf die Frage der Retuschen, die ja in den
vorhergehenden Artikeln*) eingehend behandelt worden
ist, weiter einzugehen, da auch Herr Linde nicht
weiter darauf zurückkommt, seien jetzt nur über den
einen Punkt, die Errichtung von Restaurierschulen,
einige Ausführungen gemacht.
Herr Linde sagt, dass ein eingehender Unterricht
im Restaurieren, wie ich ihn empfohlen habe, doch
nicht nutzbringend sei, denn wer solle ihn erteilen?
Sei doch die Tätigkeit unserer ersten Restauratoren,
die sicher nach bestem Gewissen ihre Tätigkeit aus-
geübt haben, nicht durchweg heilbringend gewesen.
Kann dies wirklich, selbst die Richtigkeit vorausgesetzt,
ein Argument sein für einen gründlichen Unterricht in
der Restaurationskunde? Geht es doch hier wie mit
jeder empirischen Wissenschaft, dass die Einzelempirie
erst fruchtbar gemacht werden kann durch die Zu-
sammenarbeit vieler Forscher; denn allein dadurch
wird eine Nachprüfung und ein Fortschreiten durch
das Hinzukommen neuen Materials ermöglicht. Gerade
die ungünstigen Erfolge, von denen Herr Linde spricht,
weisen, soweit sie wirklich vorhanden sind, in diese
Richtung. Denn sie wurden allein dadurch verschuldet,
dass jeder der Restauratoren fast ganz auf sich allein
gestellt war. Er musste bei seinen Proben immer von
vorn anfangen und dabei ist es selbstverständlich, dass
das Richtige nicht sogleich gefunden werden konnte.
Wieviel Mühe und wieviel Zeit hätte gespart werden
können, wieviel Fehlgriffe wären vermieden worden,
wenn einem Restaurator in einem solchen Falle die
Erfahrungen anderer in ausreichendem Masse zur
Verfügung gestanden hätten. — Was wäre der einzelne,
auf sich gestellte Arzt, wenn ihm nicht in den Sammel-
punkten seiner Wissenschaft, in den Universitäten
und Kliniken, die Erfahrungen anderer zugute kämen?
Es ist nicht einzusehen, warum gerade der Beruf des
Restaurators ohne sorgfältige theoretisch-praktische
Ausbildung bleiben soll, da doch gerade er nach der
Art der ihm anvertrauten Objekte einen gegründeten
Anspruch auf vorzügliche Ausbildung besitzt.
Und das ist ja das Ziel der zu gründenden
Restaurierschulen, dass die Arbeit und die Ergebnisse
der einzelnen nicht mehr wie bisher verloren gehen,
sondern gesammelt und geklärt werden sollen. Auf
diese Weise wird es dann sehr rasch geschehen, dass
die Klagen über schlechte Restaurierung verstummen.
Ich denke mir, dass auch Herr Linde mit einer solchen
Schule einverstanden sein müsste, wenigstens abge-
sehen von der strittigen Frage der Retuschen; denn
dass überhaupt nichts an Gemälden gemacht werden
dürfe, ist wohl auch nicht seine Meinung. Da ihm ja
gerade auch die Erhaltung der Bilderschätze am
Herzen liegt, so muss er auch ihre Sicherung wünschen,
wenigstens soweit dies nach seinen Prinzipien ohne
Farbe und Pinsel möglich ist. Diese Erhaltung und
Herstellung auf mechanischem Wege erfolgt natürlich
um besten dort, wo dafür die reichsten Erfahrungen
zu Gebote stehen.

*) Vgl. Nr. 3 u. Nr. 20 des vorigen Jahrganges.

Ich denke mir die Einrichtung einer solchen
Schule in folgender Weise. Unter der Leitung eines
Mannes, der in der Technik der verschiedenen Mal-
verfahren, wie in den bei der Restaurierung nötigen
Fertigkeiten gut bewandert ist, sollen die Erfahrungen
gesammelt werden, die in der Wiederherstellung von
Bildern bisher gemacht worden sind. Dabei ist die
Literatur in ausgiebiger Weise zu verwenden; weiter
ist zu hoffen, dass die lebenden Restauratoren von
ihren Verfahren dieser Zentralstelle Mitteilung machen
werden. Es wäre sehr zu begrüssen, wenn die Archive
der Museen, die an diesem Material sehr reich sind,
geöffnet und Mitteilungen gemacht würden über die
Art und die Erfolge der am Bestände der Museen
gemachten Erfahrungen. Auf Grund dieses ange-
sammelten Materials könnten dann systematisch alle
in Betracht kommenden Fragen behandelt werden.
An der Hand von Experimenten und manuellen
Uebungen würden die Schüler dieser Anstalt in die
Restaurierungskunde eingeführt. Da alle auftauchenden
Neuerungen hier verfolgt und geprüft werden sollen,
bliebe die Anstalt stets auf der Höhe ihrer Aufgabe.
Um diese am zweckmässigsten zu erfüllen, würde die
Anstalt am besten einem grösseren Organismus ange-
gliedert, z. B. einer Akademie der bildenden Künste.
In München wäre ihr die Verbindung mit der ,.Deut-
schen Gesellschaft zur Beförderung rationeller Mal-
verfahren" höchst förderlich.
Durch die Anstalt selbst oder die von ihr ausge-
bildeten Restauratoren könnten dann die Besitzer von
Gemälden, seien es Museen oder Private, gefährdete
Werke wiederherstellen lassen; sie hätten dann die
Gewähr, dass diese Wiederherstellung nach den besten
Methoden und Erfahrungen geschehe. Wie weit dabei
in den Bestand des Bildes eingegriffen werden solle,
das hinge von der Erhaltung des Bildes wie von der
Auffassung des Besitzers über die Zulässigkeit von
Retuschen ab. Ob Retuschen gemacht werden dürfen
oder nicht, d. h. also Ergänzung zerstörter Stellen,
ist im letzten Grund eine Frage der Höherschätzung
archäologischer oder ästhetischer Werte. Auf keinen
Fall käme nach den Prinzipien der dort ausgebildeten
Restauratoren jemals eine Uebermalung vor, d. h. das
Eingreifen einer fremden Hand in die erhaltenen Teile
des Bildes. Aber auch die rein mechanischen Ar-
beiten, die bei der Erhaltung der Bilder in Frage
kommen: Neuspannen der Leinwand, Rentoilieren,
Bügeln, Entfernung trüber und schlechter Lacke, Ent-
fernung und Sicherung von Blasen, das Geradebiegen
der Holztafeln und das Parkettieren, das wichtige
Reinigen der Bilder, namentlich bei eingefressenem
und überßrnisstem Schmutz; die Entfernung vonUeber-
malungen, das Wiederherstellen des Zusammenhanges
der Malschichten bei austrocknenden Bildern, die
Abtötung schädlicher Mikro-Organismen, die Sicherung
morscher und fauler Holztafeln, die Uebertragung des
Bildes von einer Leinwand oder Holztafel auf die
andere und manches andere sind so wichtige und
subtile Geschäfte, dass sie allein eine sorgfältige Aus-
bildung des Restaurators verlangen. Von ihrer richtigen
Vornahme hängt in wievielen Fällen die Erhaltung
eines wertvollen Kunstwerkes ab, z. B. ob beim Ren-
toilieren die richtigen Klebemittel verwandt werden
oder solche, die dem Bilde zu sicherem Verderben
werden. Dass auch eine genaue Kenntnis der ver-
schiedenen Malweisen, soweit sie festgestellt werden
kann, den Schülern vermittelt werden soll, hat nicht
nur eine theoretische, sondern auch eine hervorragende
praktische Bedeutung, auch abgesehen von einer Re-
tuschierung, denn wenn das Verderben eines Bildes
von einer bestimmten Malweise, z. B. einem gefährlichen
Bindemittel herrührt, kann in vielen Fällen, wenn die
Sachlage erkannt ist, dem Verfall abgeholfen werden. —
Für alle diese Punkte muss auch Herr Linde eine
 
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