Nr. t8.
Münchner kunsttechnische Blätter.
7!
Pigmentfarben beziehen, hier niederiegen, indem
ich vorher bemerke, dass die Versuche in einem frei
nach NW gelegenen Raum vorgenommen wurden.
Ganz unverändert im Licht erwiesen sich
Neapeigelb und verschiedene Sorten Kad-
miumgelb, die mit heii und dunkel bezeichnet
waren, in Oel. Gerade von den Kadmiumfarben
habe ich Repräsentanten, die sehr verschiedenen
Quellen entstammten, untersucht und trotz einer
Belichtungsdauer von 18 Monaten in keinem Falle
irgendwelche Veränderungen wahrgenommen. Es
befanden sich unter den betreffenden Produkten
auch recht helle, die wohl die Beziehung „hell-
zitronengelb" verdienten; aber auch diese Hessen
keine Veränderung durch das Licht erkennen, wie
sie von anderer Seite früher beobachtet worden
¡st. (Fortsetzung folgt.)
R. Wiegmann: Ueber die Maiweise des
Tizian und Goethes Farbenlehre.
(Fortsetzung u. Schluss.)
Es gibt wohl schwerlich eine langweiligere Lek-
türe als die versiiizierten Dialoge zwischen der Exzellenz
und dem Gevatter, mit welchen Boschini einen ganzen
Quartband gefüllt hat. Demungeachtet kann ich mir
nicht versagen, die Uebersetzung einiger unseren Gegen-
stand speziell betreffenden Stellen hier folgen zu lassen,
teils als Belege für die Richtigkeit der oben mitge-
teilten Ergebnisse, teils zur näheren Verdeutlichung
meiner nur in flüchtigen Umrissen gegebenen Dar-
stellung.
* *
*
Boschini über die Malweise der Venezianer
in La Carta del navigar pitoresco.
Exzellenz: Sagt mir nun in aller Freimütigkeit
alle Eure Gedanken über diese Angelegenheit.
Denn es dünkt mich, dass man ein Maler werden
könnte,
wenn man dergleichen und so Schönes anhört.
Drum schnell die Leinwand herbei und die
Pinsel zu Hand,
und beginnet mit den Farben auszudrücken
Fleisch und Blut und Leben nach Eurer Kenntnis
des venezianischen Verfahrens. Wohlan, worin
besteht es?
Gevatter: Ich will abermals auf Tizian hinweisen
und alle jene andern derselben Klasse;
Ich sage Euch, ich weiss, dass die Natur
allerlei Erden gebildet hat, und dass man
dieser Erden sich mehr bedienen soll, als des
Uebrigen,
weil die Erden den Eck- und Grundstein in der
Malerei abgeben.
Zum Exempel allerlei präparierte Salze,
Smalten, grüne, blaue und gelbe
und solche Farbenkörper, die andere übermässig
schätzen,
hat Tizian samt und sonders verworfen.
Ich spreche, wie ich schon einmal gesagt habe,
vornehmlich vom Kolorieren des Nackten;
denn im übrigen ist jede Farbe gut; aber für
das Fleisch
hat er jene Erden allein tauglich befunden.
Ebenso die glänzenden Ueberzüge und Firnisse,
die man lieber Lackierungen nennen sollte,
während das Fleisch doch fleischig sein soll,
hat er nie gebraucht, der Natürlichkeit gemäss.
Und namentlich die Fremden
setzen in diese Glätte einen solchen Wert,
dass dieselbe sie die einzige Schönheit dünkt,
das höchste Siegel der Kunst.
O, in welche Lumperei setzt man dabei einen
Wert,
auf Oel, Mastix und Sandarach
und Terpentin — um nicht zu sagen Theriak —
auf Zeug, mit dem man Stiefel wichst! —
Wenn einer unserer grossen Maler
eine Waffenrüstung oder ein golden Gefäss
gemacht,
einen Spiegel oder was auch sonst,
so hat er es glänzen und leuchten lassen allein
durch Farben.
Exzellenz: Sagt mir etwas über das Kolorieren
auf die neue Art der Fremden.
Gevatter: Ich wende dahin mich zurück, und von
den Naturalisten
will ich, Euch gehorchend, etwas sagen.
Diese glauben hoch über den Venezianern zu
stehen.
weil sie (die Fremden), wie gesagt, Kopisten sind.
Sie sagen so: wir malen alia prima —
da gilt's Schnelligkeit und raschen Entschluss,
und sich betrügend durch diese leere Meinung,
glauben sie auf die höchste Geltung Anspruch
zu haben.
Die Schnelligkeit besteht darin,
dass sie sich hinter eine grosse Leinwand setzen
und die eigne Grütze
beuteln, und Figuren hinklexen in Menge,
und ohne Natur (Modell) ihnen allerlei Stellungen
geben.
Wenn sie dann die Figuren gemacht haben,
übergehen sie solche nicht wieder, oder
decken das Ganze nochmals wieder völlig
und verdoppeln sich die Arbeit.
Sie erreichen aber damit gar nichts, weil das
Uebermalen
nur dann gut ist, wenn es hier und da geschieht
und mit Berücksichtigung und Wirkenlassen auch
der Untermalung;
dies ist die Kunst, wodurch sich die Figuren
runden.
Jene aber sagen: wenn man nicht alles gleich
dick mit Farben deckt,
so werden die Figuren fleckig scheinen.
O, Flecken, die ihr glänzende Sterne der
Malerei seid,
Ihr macht eben das Kolorit natürlich! —
Es ist das Verbinden des Frischen mit dem
Trocknen,
was bei dieser Art Behandlung so Schönes her-
vorbringt,
aber jene fliehen es, wie Schlangen der Verführung
und haben Furcht davor und — bleiben bei dem
Schlendrian.
Wenn sie den Wert der Flecken kennten,
sie würden all ihr Talent dran setzen,
diesen Zauber der Naturwahrheit studieren
und würden ihn nicht Flecken nennen, sondern
Glanz und Schimmer.
Ich behaupte, dass ein gutes Kolorit Flecken
bedingt
und zugleich sichtbare Behandlung,
und dass ohne Beides nichts Tüchtiges gemalt
werden kann.
Münchner kunsttechnische Blätter.
7!
Pigmentfarben beziehen, hier niederiegen, indem
ich vorher bemerke, dass die Versuche in einem frei
nach NW gelegenen Raum vorgenommen wurden.
Ganz unverändert im Licht erwiesen sich
Neapeigelb und verschiedene Sorten Kad-
miumgelb, die mit heii und dunkel bezeichnet
waren, in Oel. Gerade von den Kadmiumfarben
habe ich Repräsentanten, die sehr verschiedenen
Quellen entstammten, untersucht und trotz einer
Belichtungsdauer von 18 Monaten in keinem Falle
irgendwelche Veränderungen wahrgenommen. Es
befanden sich unter den betreffenden Produkten
auch recht helle, die wohl die Beziehung „hell-
zitronengelb" verdienten; aber auch diese Hessen
keine Veränderung durch das Licht erkennen, wie
sie von anderer Seite früher beobachtet worden
¡st. (Fortsetzung folgt.)
R. Wiegmann: Ueber die Maiweise des
Tizian und Goethes Farbenlehre.
(Fortsetzung u. Schluss.)
Es gibt wohl schwerlich eine langweiligere Lek-
türe als die versiiizierten Dialoge zwischen der Exzellenz
und dem Gevatter, mit welchen Boschini einen ganzen
Quartband gefüllt hat. Demungeachtet kann ich mir
nicht versagen, die Uebersetzung einiger unseren Gegen-
stand speziell betreffenden Stellen hier folgen zu lassen,
teils als Belege für die Richtigkeit der oben mitge-
teilten Ergebnisse, teils zur näheren Verdeutlichung
meiner nur in flüchtigen Umrissen gegebenen Dar-
stellung.
* *
*
Boschini über die Malweise der Venezianer
in La Carta del navigar pitoresco.
Exzellenz: Sagt mir nun in aller Freimütigkeit
alle Eure Gedanken über diese Angelegenheit.
Denn es dünkt mich, dass man ein Maler werden
könnte,
wenn man dergleichen und so Schönes anhört.
Drum schnell die Leinwand herbei und die
Pinsel zu Hand,
und beginnet mit den Farben auszudrücken
Fleisch und Blut und Leben nach Eurer Kenntnis
des venezianischen Verfahrens. Wohlan, worin
besteht es?
Gevatter: Ich will abermals auf Tizian hinweisen
und alle jene andern derselben Klasse;
Ich sage Euch, ich weiss, dass die Natur
allerlei Erden gebildet hat, und dass man
dieser Erden sich mehr bedienen soll, als des
Uebrigen,
weil die Erden den Eck- und Grundstein in der
Malerei abgeben.
Zum Exempel allerlei präparierte Salze,
Smalten, grüne, blaue und gelbe
und solche Farbenkörper, die andere übermässig
schätzen,
hat Tizian samt und sonders verworfen.
Ich spreche, wie ich schon einmal gesagt habe,
vornehmlich vom Kolorieren des Nackten;
denn im übrigen ist jede Farbe gut; aber für
das Fleisch
hat er jene Erden allein tauglich befunden.
Ebenso die glänzenden Ueberzüge und Firnisse,
die man lieber Lackierungen nennen sollte,
während das Fleisch doch fleischig sein soll,
hat er nie gebraucht, der Natürlichkeit gemäss.
Und namentlich die Fremden
setzen in diese Glätte einen solchen Wert,
dass dieselbe sie die einzige Schönheit dünkt,
das höchste Siegel der Kunst.
O, in welche Lumperei setzt man dabei einen
Wert,
auf Oel, Mastix und Sandarach
und Terpentin — um nicht zu sagen Theriak —
auf Zeug, mit dem man Stiefel wichst! —
Wenn einer unserer grossen Maler
eine Waffenrüstung oder ein golden Gefäss
gemacht,
einen Spiegel oder was auch sonst,
so hat er es glänzen und leuchten lassen allein
durch Farben.
Exzellenz: Sagt mir etwas über das Kolorieren
auf die neue Art der Fremden.
Gevatter: Ich wende dahin mich zurück, und von
den Naturalisten
will ich, Euch gehorchend, etwas sagen.
Diese glauben hoch über den Venezianern zu
stehen.
weil sie (die Fremden), wie gesagt, Kopisten sind.
Sie sagen so: wir malen alia prima —
da gilt's Schnelligkeit und raschen Entschluss,
und sich betrügend durch diese leere Meinung,
glauben sie auf die höchste Geltung Anspruch
zu haben.
Die Schnelligkeit besteht darin,
dass sie sich hinter eine grosse Leinwand setzen
und die eigne Grütze
beuteln, und Figuren hinklexen in Menge,
und ohne Natur (Modell) ihnen allerlei Stellungen
geben.
Wenn sie dann die Figuren gemacht haben,
übergehen sie solche nicht wieder, oder
decken das Ganze nochmals wieder völlig
und verdoppeln sich die Arbeit.
Sie erreichen aber damit gar nichts, weil das
Uebermalen
nur dann gut ist, wenn es hier und da geschieht
und mit Berücksichtigung und Wirkenlassen auch
der Untermalung;
dies ist die Kunst, wodurch sich die Figuren
runden.
Jene aber sagen: wenn man nicht alles gleich
dick mit Farben deckt,
so werden die Figuren fleckig scheinen.
O, Flecken, die ihr glänzende Sterne der
Malerei seid,
Ihr macht eben das Kolorit natürlich! —
Es ist das Verbinden des Frischen mit dem
Trocknen,
was bei dieser Art Behandlung so Schönes her-
vorbringt,
aber jene fliehen es, wie Schlangen der Verführung
und haben Furcht davor und — bleiben bei dem
Schlendrian.
Wenn sie den Wert der Flecken kennten,
sie würden all ihr Talent dran setzen,
diesen Zauber der Naturwahrheit studieren
und würden ihn nicht Flecken nennen, sondern
Glanz und Schimmer.
Ich behaupte, dass ein gutes Kolorit Flecken
bedingt
und zugleich sichtbare Behandlung,
und dass ohne Beides nichts Tüchtiges gemalt
werden kann.