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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr.6
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Gasparetz, G. E.: Die Mikrochemie im Dienste der Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0025

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MTFR

Miinchen, 13. Dez. 1909.

Beüage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

TI. Jahrg.

Nr. 6.

Inhalt: Die Mikrochemie im Dienste der Kunstgeschichte. Von G. E. Gasparetz-Budapest. — Farben aus
Angeiica Kaufmanns Nachlass. — Freih. v. Pereira, „Tempera rediviva!" Von E. B. — Anfragen
und Beantwortungen.

Die Mikrochemie im Dienste der Kunstgeschichte.

Von G. E. Gaspa
Wenn man einzelne Gemälde in den Galerien
-durch Jahrzehnte beobachtet, wird man mit Be-
fremden bemerken, dass bei vielen der Name
des Meisters zu oft geändert wird. Auch tauchen
immer neue Gemälde auf, die meistens von einem
berühmten Meister abstammen sollen. Endlich
findet man solch eine Unzahl Bilder unter dem
Namen eines Meisters, dass einem unwillkür-
lich Bedenken über ihre Originalität aufsteigen
müssen.
Um ein Gemälde zu klassifizieren, d. h. die
Schule oder den Meister zu bestimmen, haben
wir bis jetzt zwei Mittel: die auf uns zurückge-
bliebenen Urkunden und die Stilkritik. Solche
Urkunden, die ein glaubhaftes Zeugnis ablegen,
sind leider nur sehr spärlich vertreten, so dass
wir hauptsächlich auf die Stilkritik angewiesen
sind. Die Stilkritik hat zwar in den letzten De-
zennien bedeutende Fortschritte gemacht, jedoch
man kann von ihr in vielen Fällen, bei restau-
rierten oder übermalten Gemälden, keine absolute
Sicherheit erwarten.
Wir besitzen aber noch eine Handhabe, welche
sich einerseits aui die Urkunden stützt, andererseits
von dem Material der Gemälde ausgeht, also nicht
theoretisch, sondern real mit Realen arbeitet und
uns auch absolut gewisse Beweise liefern kann:
dies ist die Mikrochemie.
Die Mikrochemie gibt uns Aufschluss über die
un einem Gemälde verwendeten Farben, Mahnittel

*) Nach dem gelegentlich des IX. Internationalen
Kunsthistorischen Kongresses zu München im Septem-
ber d. J. gehaltenen Vortrage. Herr Gasparetz hat eine
Reihe weiterer, sehr interessanter Arbeiten auf diesem
Gebiete in Vorbereitung, deren Abdruck in diesen
Blättern er uns in Aussicht gestellt hat.

etz- Budapest.*)
und den Malgrund. Hierdurch erhalten wir positive
und negative Beweise.
Die positiven Beweise beruhen auf den Ur-
kunden, Farbenrezepten und Briefen einzelner
Städte, Klöster, Schulen und Meister.*) Hier
finden wir die an einem bestimmten Ort und Zeit
verwendeten Farben, Bindemittel und Grundie-
rungen verzeichnet, die man auch in dem aus der-
selben Zeit und Schule oder Meister stammenden
Gemälde wieder wird antreffen müssen. Nachdem
aber die Urkunden sich nicht immer klar und
deutlich ausdrücken, sich sogar in vielen Einzel-
heiten widersprechen, liefert nur die mikroche-
mische Untersuchung eines aus derselben Zeit und
Schule oder desselben Meisters stammenden Bildes
absolut sichere Daten.
Die negativen Beweise entnehmen wir aus der
Geschichte der Chemie, wo die Zeit vermerkt ist,
zu welcher eine neue Farbe erfunden wurde.**)
Wird eine von diesen Farben in dem analysierten
Gemälde gefunden, so kann es nicht vor der
angegebenen Zeit verfertigt worden sein. Mit
diesen Beweisen kann man leicht feine, moderne
Fälschungen aufdecken.
Wie aus diesen Zeilen ersichtlich, verspricht
die Mikrochemie, neben den Urkunden und der
Stilkritik, eine sichere Stütze zu werden und der
Wissenschaft auch so ihre Dienste zu leisten.
Doch bei der Untersuchung von Gemälden stösst
man auf grosse technische Schwierigkeiten. Diese
zu beheben, habe ich mir zur Aufgabe gestellt.

*) S.: Quellenschriften für Kunstgeschichte; Berger,
Beitr. z. Geschichte der Maltechnik, München 1904.
**) Solche Farben gibt es viele, von den gebräuch-
lichsten: Berlinerblau, die Chromfarben, künstliches
Ultramarinblau, die Anilinfarben usw.
 
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