Nr. 22.
Münchner kunsttechnische Blätter.
87
kommen; der andere Teil änderte vöilig seinen ur-
sprünglichen Farbton und Charakter, wurde von feldgrün
oder graugrün in rot oder braun verwandelt und liess
nach einigen Wochen kaum noch seine Zugehörigkeit
zu dem ursprünglichen Stoff erkennen. Andere Stoffe
Hessen beim Waschen fast ihren gesamten Farbstoff
an die Waschbrühe ab und erschienen nahezu ent-
färbt; wieder andere Hessen einen Teil der aufgefärbten
Farbstoffe an die Waschbrühe ab und veränderten sich
von grün nach rot o. ä., kurz, traten aus der Wäsche
mit vöilig verändertem Gesichte wieder hervor ....
Angesichts des grossen Prozentsatzes durchaus mangel-
hafter und unbrauchbarer Färbungen muss es aber
auch nicht wundernehmen, wenn die mit Teerfarben
hergestellten Färbungen vielfach in Acht und Bann
getan werden. So äusserten sich beispielsweise mehrere
Herren eines Bekleidungsamtes, dass letzteres bei den
fraglichen Drillichen nunmehr wieder zu den Khaki-
färbungen*) übergegangen sei, da es mit Teerfarben-
färbungen keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt
habe. Aber auf der anderen Seite wirken diese mine-
ralischen Färbungen als Sauerstoffüberträger auf die
Faser selbst ein und schädigen sie derart, dass da-
durch die Tragfähigkeit des Stoffes sehr herabgemindert
wird. Wenn der Farbstoff das Gewebe überdauert,
so hat keiner hiervon einen Nutzen, wenn aber das
Gewebe den Farbstoff überdauert, so kann mit dem
starken Gewebe noch vieles begonnen werden."
Hier machen wir halt, denn hier sind wir zu einer
ausserordentlich bedeutungsvollen prinzipiellen Frage
gelangt. Herr Dr. Heermann scheint die Sache hier
so darzustellen, als ob es wünschenswert sei, dass das
Gewebe den Farbstoff überdauert. Das eben ist ein
prinzipieller Irrtum. Heute freilich überdauert meist
das Gewebe den Farbstoff um das Vielfache bis Un-
endliche. Das ist ebenso bedauerlich, als wenn der
Farbstoff das Gewebe überdauert. Das Richtige ist
vielmehr dies, dass Gewebe und Farbstoff gleich
lange haltbar sind, und dass beide eine so
innige Verkettung und Vereinigung einge-
gangen sind, dass eins ohne das andere weder
leben noch sterben kann. Dies ist das Ideal, und
je näher wir diesem Ideal kommen, desto vollkommener
ist die Färbung. Und diesen Standpunkt vertritt dann
auch Dr. Heermann, wenn er sagt: „Unter einer völlig
echten Farbe, oder richtiger Färbung, kann nur eine
solche verstanden werden, welche, ihrem bestimmten
Zweck angepasst, so lange dauert oder bestehen bleibt
als der Gegenstand selbst, auf dem die Färbung be-
festigt ist. Das wäre die Vollendung oder Vollkommen-
heit der Echtheit."
Gleich darauf spricht dann Dr. Heermann das
schwerwiegende Wort aus: „Dass aber die Leistungen
der Textilindustrie den berechtigten Anforderungen der
Verbraucher entsprechen, kann nicht behauptet werden.
Bis auf einzelne Zweige der Industrie, zu denen bei-
spielsweise die Gegenstände der Herrenbekleidung ge-
hören, sind heute noch fortwährend und überall Klagen
über unechte Färbungen zu hören. Auf der ganzen
Linie — nicht nur in der Textilindustrie — empfinden
wir, dass Wandel geschafft werden muss und dass die
Klagen im grossen und ganzen berechtigt sind . . . ."
Wenn nun Dr. Heermann weiter die Ansicht, die wir
in den letzten Jahren so oft hören mussten, vertritt, dass
die Rückkehr zu den natürlichen Farbstoffen trotz
alledem nicht am Platze sei, dass der geringste Teil der
Naturfarben echt sei, während unter den unzähligen syn-
thetischen Farbstoffen ein grosser Teil echt und zweck-
dienlich sei, und dass es hier nur darauf ankomme, nicht
die Preise zu drücken und das Passende auszuwählen,
so fürchte ich einmal, dass eben dadurch, dass nur
die teuren künstlichen Farbstoffe genügend echt sind,
*) Gemische von Eisen- und Chromoxyden.
der Vorrang derselben vor den natürlichen Farben um
so problematischer wird, als die Industrie die Billigkeit
bevorzugt. Zweitens aber vermisse ich auch in diesem
Artikel des Herrn Dr. Heermann wieder jede Bezug-
nahme auf die Fragen der Aesthetik, der
Kunst und der Schönheit. Das Wort „schön"
kommt in dem ganzen Artikel nicht einmal vor! Und
dies heute, wo wir die gesamte Industrie auf Schön-
heit und Geschmack aufbauen und die Grundsätze der
Aesthetik auf alle Zweige der Industrie anwenden
wollen! Wie steht es also mit der Schönheit der
synthetischen Farbstoffe, das heisst, anders ausgedrückt:
ermöglichen dieselben ebenso schöne Färbungen als
die älteren Naturfarben? Und ist der norwegische
HausHeissverein in Christiania vielleicht deshalb zu den
alten Farbvorschriften mit Birkenrinde und Heidekraut
zurückgekehrt, weil die Färbungen für gesunde, unver-
bildete und empfängliche Augen ungleich schöner sind
als die synthetischen Färbungen? U. A. w. g.
Wie schützt man Malereien oder Ent-
würfe gegen Verschmutzungen?
In einer früheren Abhandlung wurde darüber be-
richtet, wie einzurahmende Bilder, gegen Mauerfeuchtig-
keit zu schützen seien*), während der heutige kurze
Artikel den Zweck hat, Entwürfe oder Malereien, die
nicht unter Glas und Rahmen kommen, auf der Vorder-
und Rückseite mit einer entsprechenden Schutzschicht
zu versehen, um sie vor Feuchtigkeit, Beschmutzungen
usw. zu bewahren.
Wie bekannt sein dürfte, sind gerade jene Ent-
würfe — gleichviel ob sie in Schwarz oder Bunt aus-
geführt sind — ganz besonders der Beschmutzung aus-
gesetzt, die entweder für die verschiedenen Repro-
duktionsarten bei der Klischeeherstellung oder für
lithographische Zwecke von den Künstlern geliefert
werden, und so mancher Künstler hat schon in dieser
Richtung genugsam Erfahrungen gemacht, die nicht
die angenehmsten gewesen .sind. Aber auch schon
dann wird mit den Entwürfen vielmals nicht so glimpf-
lich verfahren, wenn sie an Interessenten eingereicht
werden, die zum Kauf angeregt werden sollen, wobei
es sehr oft passiert, dass die Arbeiten als ungeeignet
oder nicht verwendbar usw. in einem Zustande zurück-
kommen, der die Weiterversendung fast zur Unmög-
lichkeit macht. In diesem Falle hat der Künstler ausser
der Enttäuschung über die fehlgeschlagene Offerte
noch den Aerger, dass seine so sauber ausgeführte
Arbeit fast ganz verdorben ist, also Zeit und Mühe
fruchtlos gemacht wurde.
Für gewöhnlich wird leider das im Begleitschreiben
gestellte Ersuchen an die Interessenten, dass die Ent-
würfe möglichst geschont werden möchten, von diesen
wenig oder gar nicht beachtet, und wandern die Ent-
würfe von Hand zu Hand, wobei so mancher Knitter
und Schmutzfleck darauf kommt, der schwer oder gar
nicht mehr zu entfernen ist, worauf sie schliesslich
irgendwo eine Zeitlang zwecklos herumliegen, bis sie
endlich als ungeeignet an den Absender zurückgelangen.
— In dieser Art ist also schon so mancher Künstler
arg geschädigt worden, und will ich nicht sagen, dass
es gerade Bosheit seitens der Interessenten zu sein
braucht, die den Schaden verursachte, doch eine grosse
und unverzeihliche Nachlässigkeit und strafbare Fahr-
lässigkeit ist es unbedingt, wenn den Künstlern ihre
Arbeiten so rücksichtslos verdorben werden.
Es wird sich nun vor allen Dingen sehr empfehlen,
nach allen Seiten Vorkehrungen zu treffen, um den
erwähnten Mängeln genügend vorzubeugen, und um
*) Nr. 13 vom 2t. März 1910.
Münchner kunsttechnische Blätter.
87
kommen; der andere Teil änderte vöilig seinen ur-
sprünglichen Farbton und Charakter, wurde von feldgrün
oder graugrün in rot oder braun verwandelt und liess
nach einigen Wochen kaum noch seine Zugehörigkeit
zu dem ursprünglichen Stoff erkennen. Andere Stoffe
Hessen beim Waschen fast ihren gesamten Farbstoff
an die Waschbrühe ab und erschienen nahezu ent-
färbt; wieder andere Hessen einen Teil der aufgefärbten
Farbstoffe an die Waschbrühe ab und veränderten sich
von grün nach rot o. ä., kurz, traten aus der Wäsche
mit vöilig verändertem Gesichte wieder hervor ....
Angesichts des grossen Prozentsatzes durchaus mangel-
hafter und unbrauchbarer Färbungen muss es aber
auch nicht wundernehmen, wenn die mit Teerfarben
hergestellten Färbungen vielfach in Acht und Bann
getan werden. So äusserten sich beispielsweise mehrere
Herren eines Bekleidungsamtes, dass letzteres bei den
fraglichen Drillichen nunmehr wieder zu den Khaki-
färbungen*) übergegangen sei, da es mit Teerfarben-
färbungen keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt
habe. Aber auf der anderen Seite wirken diese mine-
ralischen Färbungen als Sauerstoffüberträger auf die
Faser selbst ein und schädigen sie derart, dass da-
durch die Tragfähigkeit des Stoffes sehr herabgemindert
wird. Wenn der Farbstoff das Gewebe überdauert,
so hat keiner hiervon einen Nutzen, wenn aber das
Gewebe den Farbstoff überdauert, so kann mit dem
starken Gewebe noch vieles begonnen werden."
Hier machen wir halt, denn hier sind wir zu einer
ausserordentlich bedeutungsvollen prinzipiellen Frage
gelangt. Herr Dr. Heermann scheint die Sache hier
so darzustellen, als ob es wünschenswert sei, dass das
Gewebe den Farbstoff überdauert. Das eben ist ein
prinzipieller Irrtum. Heute freilich überdauert meist
das Gewebe den Farbstoff um das Vielfache bis Un-
endliche. Das ist ebenso bedauerlich, als wenn der
Farbstoff das Gewebe überdauert. Das Richtige ist
vielmehr dies, dass Gewebe und Farbstoff gleich
lange haltbar sind, und dass beide eine so
innige Verkettung und Vereinigung einge-
gangen sind, dass eins ohne das andere weder
leben noch sterben kann. Dies ist das Ideal, und
je näher wir diesem Ideal kommen, desto vollkommener
ist die Färbung. Und diesen Standpunkt vertritt dann
auch Dr. Heermann, wenn er sagt: „Unter einer völlig
echten Farbe, oder richtiger Färbung, kann nur eine
solche verstanden werden, welche, ihrem bestimmten
Zweck angepasst, so lange dauert oder bestehen bleibt
als der Gegenstand selbst, auf dem die Färbung be-
festigt ist. Das wäre die Vollendung oder Vollkommen-
heit der Echtheit."
Gleich darauf spricht dann Dr. Heermann das
schwerwiegende Wort aus: „Dass aber die Leistungen
der Textilindustrie den berechtigten Anforderungen der
Verbraucher entsprechen, kann nicht behauptet werden.
Bis auf einzelne Zweige der Industrie, zu denen bei-
spielsweise die Gegenstände der Herrenbekleidung ge-
hören, sind heute noch fortwährend und überall Klagen
über unechte Färbungen zu hören. Auf der ganzen
Linie — nicht nur in der Textilindustrie — empfinden
wir, dass Wandel geschafft werden muss und dass die
Klagen im grossen und ganzen berechtigt sind . . . ."
Wenn nun Dr. Heermann weiter die Ansicht, die wir
in den letzten Jahren so oft hören mussten, vertritt, dass
die Rückkehr zu den natürlichen Farbstoffen trotz
alledem nicht am Platze sei, dass der geringste Teil der
Naturfarben echt sei, während unter den unzähligen syn-
thetischen Farbstoffen ein grosser Teil echt und zweck-
dienlich sei, und dass es hier nur darauf ankomme, nicht
die Preise zu drücken und das Passende auszuwählen,
so fürchte ich einmal, dass eben dadurch, dass nur
die teuren künstlichen Farbstoffe genügend echt sind,
*) Gemische von Eisen- und Chromoxyden.
der Vorrang derselben vor den natürlichen Farben um
so problematischer wird, als die Industrie die Billigkeit
bevorzugt. Zweitens aber vermisse ich auch in diesem
Artikel des Herrn Dr. Heermann wieder jede Bezug-
nahme auf die Fragen der Aesthetik, der
Kunst und der Schönheit. Das Wort „schön"
kommt in dem ganzen Artikel nicht einmal vor! Und
dies heute, wo wir die gesamte Industrie auf Schön-
heit und Geschmack aufbauen und die Grundsätze der
Aesthetik auf alle Zweige der Industrie anwenden
wollen! Wie steht es also mit der Schönheit der
synthetischen Farbstoffe, das heisst, anders ausgedrückt:
ermöglichen dieselben ebenso schöne Färbungen als
die älteren Naturfarben? Und ist der norwegische
HausHeissverein in Christiania vielleicht deshalb zu den
alten Farbvorschriften mit Birkenrinde und Heidekraut
zurückgekehrt, weil die Färbungen für gesunde, unver-
bildete und empfängliche Augen ungleich schöner sind
als die synthetischen Färbungen? U. A. w. g.
Wie schützt man Malereien oder Ent-
würfe gegen Verschmutzungen?
In einer früheren Abhandlung wurde darüber be-
richtet, wie einzurahmende Bilder, gegen Mauerfeuchtig-
keit zu schützen seien*), während der heutige kurze
Artikel den Zweck hat, Entwürfe oder Malereien, die
nicht unter Glas und Rahmen kommen, auf der Vorder-
und Rückseite mit einer entsprechenden Schutzschicht
zu versehen, um sie vor Feuchtigkeit, Beschmutzungen
usw. zu bewahren.
Wie bekannt sein dürfte, sind gerade jene Ent-
würfe — gleichviel ob sie in Schwarz oder Bunt aus-
geführt sind — ganz besonders der Beschmutzung aus-
gesetzt, die entweder für die verschiedenen Repro-
duktionsarten bei der Klischeeherstellung oder für
lithographische Zwecke von den Künstlern geliefert
werden, und so mancher Künstler hat schon in dieser
Richtung genugsam Erfahrungen gemacht, die nicht
die angenehmsten gewesen .sind. Aber auch schon
dann wird mit den Entwürfen vielmals nicht so glimpf-
lich verfahren, wenn sie an Interessenten eingereicht
werden, die zum Kauf angeregt werden sollen, wobei
es sehr oft passiert, dass die Arbeiten als ungeeignet
oder nicht verwendbar usw. in einem Zustande zurück-
kommen, der die Weiterversendung fast zur Unmög-
lichkeit macht. In diesem Falle hat der Künstler ausser
der Enttäuschung über die fehlgeschlagene Offerte
noch den Aerger, dass seine so sauber ausgeführte
Arbeit fast ganz verdorben ist, also Zeit und Mühe
fruchtlos gemacht wurde.
Für gewöhnlich wird leider das im Begleitschreiben
gestellte Ersuchen an die Interessenten, dass die Ent-
würfe möglichst geschont werden möchten, von diesen
wenig oder gar nicht beachtet, und wandern die Ent-
würfe von Hand zu Hand, wobei so mancher Knitter
und Schmutzfleck darauf kommt, der schwer oder gar
nicht mehr zu entfernen ist, worauf sie schliesslich
irgendwo eine Zeitlang zwecklos herumliegen, bis sie
endlich als ungeeignet an den Absender zurückgelangen.
— In dieser Art ist also schon so mancher Künstler
arg geschädigt worden, und will ich nicht sagen, dass
es gerade Bosheit seitens der Interessenten zu sein
braucht, die den Schaden verursachte, doch eine grosse
und unverzeihliche Nachlässigkeit und strafbare Fahr-
lässigkeit ist es unbedingt, wenn den Künstlern ihre
Arbeiten so rücksichtslos verdorben werden.
Es wird sich nun vor allen Dingen sehr empfehlen,
nach allen Seiten Vorkehrungen zu treffen, um den
erwähnten Mängeln genügend vorzubeugen, und um
*) Nr. 13 vom 2t. März 1910.