Nr 5-
Münchner kunsttechnische Blätter.
19
öffentlichen Denkmäler in ihrer Obhut haben, wird der
wahre Sinn des Wortes Wiederhersteiiung ver-
standen. Heute bedeutet Restaurieren die voll-
ständigste Zerstörung, die ein Bauwerk erieiden kann,
eine Zerstörung aus der nicht einmal Bruchstücke ge-
rettet werden können, begleitet von einer falschen Vor-
stellung des zerstörten Dinges. Täuschen wir uns doch
nicht in dieser wichtigen Sache. Es ist ganz unmög-
lich, so unmöglich wie die Toten zu erwecken, irgend
etwas wiederherzustellen, was jemals gross und schön
in der Baukunst war. Das, worauf ich stets als auf das
Leben des Ganzen hinwies, die Seele, die nur von
Hand und Auge des ursprünglichen Arbeiters einmal
gegeben werden konnte, kann nie wiederholt werden.
Ein anderer Geist mag aus anderer Zeit gegeben werden,
das bedeutet ein neues Gebäude! Doch der Geist des
toten Werkmanns lässt sich nicht zurückrufen, um
andere Hände und Gedanken zu kommandieren! Und
was direktes Kopieren anbelangt, so ist das offen-
sichtlich ein Unding. Was soll man von Oberflächen
kopieren, die einen halben Zoll tief abgewittert sind.
Die ganze Vollendung der Arbeit lag in der halbzoll-
tiefen Steinschrift, die verloren gegangen ist; sobald
du versuchst, sie zu ergänzen, tust du es mutmasslich;
kopierst du, was übrig geblieben (angenommen, Ge-
nauigkeit sei möglich, welche Vorsicht, Wachsamkeit
und Kosten würden sie wirklich verbürgen?), wie kann
die neue Arbeit besser als die alte sein? In der alten
war doch noch etwas Leben, eine geheimnisvolle
Andeutung, was da gewesen und was da verloren ging;
etwas Liebliches in den zarten Linien, von Regen und
Sonnenschein eingegraben. In der brutalen Härte der
frischen Behauung kann es keine geben.
Der erste Schritt zur modernen .Restauration' ist
meist das In-Stücke-schlagen der alten Arbeit; der
zweite ist, die billigste und banalste Imitation an die
Stelle zu setzen, die eben .durchgeht'; in allen Fällen
eine Nachahmung, mag sie noch so mühsam sein, ein
kaltes Modell solcher Teile, die modelliert werden
können, mit mutmasslichen Ergänzungen; und meine
Erfahrung hat mir bis jetzt nur ein Beispiel gezeigt,
nämlich das Gerichtsgebäude in Rouen, wo dieser
äusserste Grad von Treue erreicht oder überhaupt
versucht worden ist. Im übrigen hab' ich's erlebt,
wieder und wieder — beim Baptisterium zu Pisa, an
der Casa d'Oro in Venedig, an der Kathedrale von
Lisieux—, was .Herstellung' heisst!
Reden wir lieber gar nicht davon. Das Ding ist
eine Lüge von Anfang bis zu Ende. Ihr könnt den
Abguss gleichsam von einem Bau nehmen wie von
einem Toten; das Modell mag die Schale der alten
Mauern in sich haben wie der Gipsabguss ein Skelett;
zu welchem Zwecke ist mir unerfindlich; doch das
alte Bauwerk ist zerstört, vollständiger und er-
barmungsloser, als wenn es in Staub gesunken und zu
Erde geworden wäre.
Aber sagt man, es gibt notwendige Gründe zum
Restaurieren. Zugegeben. Seht aber nur dieser Not-
wendigkeit frei ins Antlitz. Es ist die Notwendigkeit
der Zerstörung. Nehmt sie als etwas Gegebenes hin;
reisst das Gebäude nieder; werft seine Steine umher,
macht Ballast daraus oder Mörtel, wenn ihr wollt;
aber tut das ehrlich und setzt keine Lüge an seine
Stelle. Blickt dieser Unvermeidlichkeit rechtzeitig
entgegen, ehe sie eintritt, und ihr könnt sie lange
hinhalten. Heutzutage pflegt man erst zu vernach-
lässigen, dann zu .restaurieren'. Nehmt eure Denk-
mäler ordentlich in acht, sorgt für sie, und ihr habt
nicht nötig zu restaurieren. Einige Bleiplatten bei-
zeiten auf ein Dach gelegt, ein paar tote Blätter und
Zweige rechtzeitig beim Abflussrohr entfernt, retten
Dach und Mauern vom Verfall. Ueberwacht ein altes
Werk mit ängstlicher Sorge; betreut es so gut es geht
und um jeden Preis! Zählt seine Steine wie die Juwelen
einer Krone; stellt Wachen auf wie an den Toren
einer belagerten Stadt; bindet es zusammen mit Eisen-
klammern, wo es sich löst; stützt es mit Balken, wo es
sich senkt; kümmert euch nicht um die Unansehnlich-
keit solcher Stützen. Besser eine Krücke als ein ver-
lorenes Glied. Tut dies in zärtlicher Ehrfurcht be-
ständig, und noch manche Generation wird unter
seinem Schatten geboren werden und hingehen. Sein
böser Tag muss einmal kommen. Lasst ihn aber
offen und ausgesprochen sein: lasst keine unwürdigen
Fälschungen ihn der letzten Ehren berauben, die
Erinnerung ihm erweist!"
„Wir haben kein Recht, sie anzurühren.
Denn es sind nicht unsere! Sie gehören denen, die
sie errichtet haben, und allen folgenden Menschenge-
schlechtern an. Die Toten haben noch ihr Anrecht
daran; das, wofür sie gearbeitet haben, Lob, Dank
oder religiöser Sinn, oder was es sonst war, was in
den Bauten dauernden Ausdruck finden sollte: wir sind
nicht berechtigt, es auszulöschen. Was wir selbst ge-
baut haben, das dürfen wir niederreissen; aber was
andern Menschen zu erreichen einen Teil ihrer Stärke,
Reichtum und Leben gekostet, daran geht ihr Recht
nach dem Tode nicht verloren. Es gehört auch allen
Nachlebenden. Es mag hernach für Millionen ein
Verlust, eine Ursache der Trauer sein, dass wir nur
einer augenblicklichen Bequemlichkeit wegen alte
Bauten niederlegen. Diese Trauer, diesen Verlust
haben wir anderen zuzufügen nicht das Recht. Kein
Bauwerk gehört dem Mob, der es vergewaltigt! Denn
Pöbel ist es allemal, ob im Aufruhr oder im überlegten
Stumpfsinn, ob auf der Gasse oder in Ausschüssen
versammelt, welcher ohne Grund ein Bauwerk schändet.
Denn gute Architektur wird beinahe immer grundlos
geschändet."
Einiges über photographische Aui-
nahmen von Strichzeichnungen,
Stichen usw.
Wenn es sich um photographische Aufnahmen
von Strichzeichnungen, Lithographien, Holzschnitten,
Kupfer- und Stahlstichen handelt, die im weiteren Ver-
lauf zu irgendeiner Arbeit dienen sollen, da ergeben
die üblichen photographischen hochempfindlichen
Trockenplatten keine brauchbaren Strichnegative, trotz-
dem sie für Landschafts- oder Porträtaufnahmen sehr
gut geeignet sind.
Wie man sich leicht überzeugen kann, sind Strich-
aufnahmen auf hochempfindlichen Trockenplatten trotz
schärfster Einstellung zumeist unbrauchbar. Die Striche
sind verschwommen und ohne genügende Durchsicht
und man ist geneigt, diese Unschärfe der Unzulänglich-
keit der Objektive usw. zuzuschreiben, statt dass man
sie in der hochempfindlichen Plattenschicht sucht, die
allein die Schuld an den Misserfolgen verursacht.
Für alle derartigen Aufnahmen, gleichviel ob man
damit Vergrösserungen, Originalgrössen oder Ver-
kleinerungen machen will, müssen nur ganz licht-
Münchner kunsttechnische Blätter.
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öffentlichen Denkmäler in ihrer Obhut haben, wird der
wahre Sinn des Wortes Wiederhersteiiung ver-
standen. Heute bedeutet Restaurieren die voll-
ständigste Zerstörung, die ein Bauwerk erieiden kann,
eine Zerstörung aus der nicht einmal Bruchstücke ge-
rettet werden können, begleitet von einer falschen Vor-
stellung des zerstörten Dinges. Täuschen wir uns doch
nicht in dieser wichtigen Sache. Es ist ganz unmög-
lich, so unmöglich wie die Toten zu erwecken, irgend
etwas wiederherzustellen, was jemals gross und schön
in der Baukunst war. Das, worauf ich stets als auf das
Leben des Ganzen hinwies, die Seele, die nur von
Hand und Auge des ursprünglichen Arbeiters einmal
gegeben werden konnte, kann nie wiederholt werden.
Ein anderer Geist mag aus anderer Zeit gegeben werden,
das bedeutet ein neues Gebäude! Doch der Geist des
toten Werkmanns lässt sich nicht zurückrufen, um
andere Hände und Gedanken zu kommandieren! Und
was direktes Kopieren anbelangt, so ist das offen-
sichtlich ein Unding. Was soll man von Oberflächen
kopieren, die einen halben Zoll tief abgewittert sind.
Die ganze Vollendung der Arbeit lag in der halbzoll-
tiefen Steinschrift, die verloren gegangen ist; sobald
du versuchst, sie zu ergänzen, tust du es mutmasslich;
kopierst du, was übrig geblieben (angenommen, Ge-
nauigkeit sei möglich, welche Vorsicht, Wachsamkeit
und Kosten würden sie wirklich verbürgen?), wie kann
die neue Arbeit besser als die alte sein? In der alten
war doch noch etwas Leben, eine geheimnisvolle
Andeutung, was da gewesen und was da verloren ging;
etwas Liebliches in den zarten Linien, von Regen und
Sonnenschein eingegraben. In der brutalen Härte der
frischen Behauung kann es keine geben.
Der erste Schritt zur modernen .Restauration' ist
meist das In-Stücke-schlagen der alten Arbeit; der
zweite ist, die billigste und banalste Imitation an die
Stelle zu setzen, die eben .durchgeht'; in allen Fällen
eine Nachahmung, mag sie noch so mühsam sein, ein
kaltes Modell solcher Teile, die modelliert werden
können, mit mutmasslichen Ergänzungen; und meine
Erfahrung hat mir bis jetzt nur ein Beispiel gezeigt,
nämlich das Gerichtsgebäude in Rouen, wo dieser
äusserste Grad von Treue erreicht oder überhaupt
versucht worden ist. Im übrigen hab' ich's erlebt,
wieder und wieder — beim Baptisterium zu Pisa, an
der Casa d'Oro in Venedig, an der Kathedrale von
Lisieux—, was .Herstellung' heisst!
Reden wir lieber gar nicht davon. Das Ding ist
eine Lüge von Anfang bis zu Ende. Ihr könnt den
Abguss gleichsam von einem Bau nehmen wie von
einem Toten; das Modell mag die Schale der alten
Mauern in sich haben wie der Gipsabguss ein Skelett;
zu welchem Zwecke ist mir unerfindlich; doch das
alte Bauwerk ist zerstört, vollständiger und er-
barmungsloser, als wenn es in Staub gesunken und zu
Erde geworden wäre.
Aber sagt man, es gibt notwendige Gründe zum
Restaurieren. Zugegeben. Seht aber nur dieser Not-
wendigkeit frei ins Antlitz. Es ist die Notwendigkeit
der Zerstörung. Nehmt sie als etwas Gegebenes hin;
reisst das Gebäude nieder; werft seine Steine umher,
macht Ballast daraus oder Mörtel, wenn ihr wollt;
aber tut das ehrlich und setzt keine Lüge an seine
Stelle. Blickt dieser Unvermeidlichkeit rechtzeitig
entgegen, ehe sie eintritt, und ihr könnt sie lange
hinhalten. Heutzutage pflegt man erst zu vernach-
lässigen, dann zu .restaurieren'. Nehmt eure Denk-
mäler ordentlich in acht, sorgt für sie, und ihr habt
nicht nötig zu restaurieren. Einige Bleiplatten bei-
zeiten auf ein Dach gelegt, ein paar tote Blätter und
Zweige rechtzeitig beim Abflussrohr entfernt, retten
Dach und Mauern vom Verfall. Ueberwacht ein altes
Werk mit ängstlicher Sorge; betreut es so gut es geht
und um jeden Preis! Zählt seine Steine wie die Juwelen
einer Krone; stellt Wachen auf wie an den Toren
einer belagerten Stadt; bindet es zusammen mit Eisen-
klammern, wo es sich löst; stützt es mit Balken, wo es
sich senkt; kümmert euch nicht um die Unansehnlich-
keit solcher Stützen. Besser eine Krücke als ein ver-
lorenes Glied. Tut dies in zärtlicher Ehrfurcht be-
ständig, und noch manche Generation wird unter
seinem Schatten geboren werden und hingehen. Sein
böser Tag muss einmal kommen. Lasst ihn aber
offen und ausgesprochen sein: lasst keine unwürdigen
Fälschungen ihn der letzten Ehren berauben, die
Erinnerung ihm erweist!"
„Wir haben kein Recht, sie anzurühren.
Denn es sind nicht unsere! Sie gehören denen, die
sie errichtet haben, und allen folgenden Menschenge-
schlechtern an. Die Toten haben noch ihr Anrecht
daran; das, wofür sie gearbeitet haben, Lob, Dank
oder religiöser Sinn, oder was es sonst war, was in
den Bauten dauernden Ausdruck finden sollte: wir sind
nicht berechtigt, es auszulöschen. Was wir selbst ge-
baut haben, das dürfen wir niederreissen; aber was
andern Menschen zu erreichen einen Teil ihrer Stärke,
Reichtum und Leben gekostet, daran geht ihr Recht
nach dem Tode nicht verloren. Es gehört auch allen
Nachlebenden. Es mag hernach für Millionen ein
Verlust, eine Ursache der Trauer sein, dass wir nur
einer augenblicklichen Bequemlichkeit wegen alte
Bauten niederlegen. Diese Trauer, diesen Verlust
haben wir anderen zuzufügen nicht das Recht. Kein
Bauwerk gehört dem Mob, der es vergewaltigt! Denn
Pöbel ist es allemal, ob im Aufruhr oder im überlegten
Stumpfsinn, ob auf der Gasse oder in Ausschüssen
versammelt, welcher ohne Grund ein Bauwerk schändet.
Denn gute Architektur wird beinahe immer grundlos
geschändet."
Einiges über photographische Aui-
nahmen von Strichzeichnungen,
Stichen usw.
Wenn es sich um photographische Aufnahmen
von Strichzeichnungen, Lithographien, Holzschnitten,
Kupfer- und Stahlstichen handelt, die im weiteren Ver-
lauf zu irgendeiner Arbeit dienen sollen, da ergeben
die üblichen photographischen hochempfindlichen
Trockenplatten keine brauchbaren Strichnegative, trotz-
dem sie für Landschafts- oder Porträtaufnahmen sehr
gut geeignet sind.
Wie man sich leicht überzeugen kann, sind Strich-
aufnahmen auf hochempfindlichen Trockenplatten trotz
schärfster Einstellung zumeist unbrauchbar. Die Striche
sind verschwommen und ohne genügende Durchsicht
und man ist geneigt, diese Unschärfe der Unzulänglich-
keit der Objektive usw. zuzuschreiben, statt dass man
sie in der hochempfindlichen Plattenschicht sucht, die
allein die Schuld an den Misserfolgen verursacht.
Für alle derartigen Aufnahmen, gleichviel ob man
damit Vergrösserungen, Originalgrössen oder Ver-
kleinerungen machen will, müssen nur ganz licht-