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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 4
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Zum Thema "Maltechnischer Unterricht"
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Ziegler, Walter: Die graphischen Künste und das Farbenbuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0018

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Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr 4.

unbedingt nötig scheinen, wie Anatomie und Per-
spektive, oder solche, die ihm hinsichtlich der Zeit
gerade passen, z. B. in der Stunde zwischen dem
Nachmittags-ModeH und Abendakt (falls es ihm
zum Besuch eines Cafés nicht reicht), und sofern
ihm der Vortragende besonders sympathisch ist.
Er wird nicht durch den Lehrpian hindurch-
getrieben, denn hier sind nur seine Leistungen
in künstlerischer Hinsicht ausschlaggebend.
An allen Kunstschulen werden die Verhältnisse
wohl die gleichen sein: Der junge Akademiker,
den Kopf voll Phantasien und den Sinn nur auf
künstlerische Ideen gerichtet, wird, sich seiner
Freiheit bewusst, nur das Nötigste an Vorlesungen
besuchen und gerade die Vorträge „schwänzen",
die ihm von Natur aus ferner liegen. Dazu ge-
hört eben die exakte Wissenschaft, wie es die
Chemie ist. Daraus erklärt sich das Missverhältnis
zwischen der Zahl der Besucher und jenen, die
„nicht da sind", zur Genüge.
Die Einführung des maltechnischen Unterrichts
an den Akademien, die einen solchen ihren Schülern
bisher nicht bieten, ist nur eine Frage der Zeit;
diese wird gewiss kommen, und zwar im Zusammen-
hang mit den für wünschenswert erachteten Re-
formen des allgemeinen Kunstunterrichts oder
auch ohne diese." Civis academicus.
Die graphischen Künste und das
Farbenbuch.*)
Von Walter Ziegler.
Der Zweck und die Ziele des Deutschen Farben-
buches wurden schon wiederholt besprochen. Die
Kunst und das Kunstgewerbe erwarten für sich Vorteile
aus dem Zustandekommen dieses Werkes. Die gra-
phischen Künste und das Buchgewerbe benötigen
brauchbare Farben, die Angehörigen dieser Berufs-
zweige haben daher das Recht, ja die Pflicht, in aktiver
Weise intensives Interesse an diesen Bestrebungen zu
bekunden.
Die Gruppe t$ der Farbenbuchkommission hat
noch nicht sehr lange mit den Vorarbeiten begonnen,
aber schon jetzt zeigt es sich, dass gerade in diesem
Teil des Farbenkonsums, den die Gruppe :$ vertritt,
die fortschrittlichen Neuerungen im Gebiete der Farben-
herstellung von grösster Wichtigkeit sind.
Kunstmaler und Anstreicher, Dekorations- und
Zimmermaler hat es seit Jahrtausenden gegeben. Die
Anwendung der Farben und Bindemittel zu diesen
Zwecken sowie die technischen Arbeitsgebräuche haben
sich empirisch entwickelt, die Brauchbarkeit und Halt-
barkeit der Arbeitsmaterialien konnte jahrhundertelang
geprüft werden, es hat sich ein materialgerechter Stil
entwickelt, aus dem sich feststehende Wahrheiten ge-
bildet haben und Schlüsse für die Materialienkunde
gezogen werden können. Die Drucktechnik ist viel
jüngeren Datums, die Anfänge des Mehrfarbenbild-
druckes reichen auf etwa zwei Jahrhunderte, der Geburts-
tag des photomechanischen Farbendruckes auf ein
Menschenalter zurück. Wir leben im Zeitalter der Er-
findungen, die in überstürzender Weise alle Gebiete
der Technik so überfluten, dass es dem einzelnen kaum
mehr möglich wird, sich in allen beruflichen Detail-

*) Aus dem Protokollauszug der Sitzung der Farben-
buchkommission (nach „Südd. Malerzeitung").

gebieten genauestens zu informieren und sich ein voll-
umfassendes Wissen anzueignen. Der Künstler und
Handwerker früherer Zeiten war fast ganz auf sich
selbst angewiesen, er schuf sich sein Handwerkszeug
und richtete sich seine Arbeitsmittel selbst her, er
besass in seinem Berufe ein universales Wissen und
musste sich Rechenschaft geben über jede interne
Kleinigkeit. Die Zeiten haben sich geändert. Durch
Massenfabrikation und maschinellen Betrieb wurde die
Herstellung der Werkzeuge und Materialien übernommen,
der Gewerbetreibende ist als Verarbeiter Spezialist ge-
worden in seinem Fache.
Eines der instruktivsten Beispiele der Verwandlung
von Kleinarbeit in Massenbetrieb ist durch die Ent-
wicklung der graphischen Künste gegeben. Man ver-
gleiche die Werkstätte eines Kupferstechers der alten
Zeit, eines Schriftdruckers, der noch mit der Hand-
presse arbeitete, eines Lithographen aus der Zeit Sene-
felders mit dem komplizierten Apparat einer moder-
nen Kunstanstalt. Die Druckformen wandern in den
chemigraphischen Anstalten durch viele Hände, bis sie
in die Druckereien gelangen und hier wieder wird der
Druck von vielen Einzelpersonen in vielen Einzelvor-
gängen fertiggestellt. Ich will hier keine Entwick-
lungsgeschichte der graphischen Künste geben, es han-
delt sich aber darum, zu zeigen, dass bei dem jetzigen
hohen Stand des graphischen Gewerbes die Anforde-
rungen für die Tätigkeit des einzelnen so hoch ge-
schraubt sind, dass zum tadellosen Gelingen des
Schaffensresultates ein ehrliches Zusammenarbeiten von
Fachspezialisten nötig erscheint.
Im Hoch-, Tief- und Flachdruck bildete immer
der monochrome Druck das Anfangsstadium, Bilder-
druck und Schriftdruck entwickelten sich gleichzeitig
als unentbehrliches Bildungsmittel. Die Ausgestaltung
des polychromen Druckes konnte sich erst realisieren
lassen, nachdem alle Vorbedingungen hierzu gegeben
waren. Das Bedürfnis nach Farbenfreudigkeit war für
Drucksachen von Anfang an vorhanden. In sprung-
weiser Entwicklung sehen wir zuerst mit aller künst-
lerischer Feinheit handgemalte Initialen, Randverzie-
rungen und Beiwerk, farbige Buchaustattung, wie bunten
Einband und Vorsatzpapiere. Wir ßnden dürftig kolo-
rierte Holzschnitte und bemalte Kupferstiche, es folgten
dann in manueller Graphik der Clair-obskurdruck, Ton-
plattendruck, Farbenholzschnitt mit mehreren Platten
und im Tiefdruck sowohl der mehrfarbige Einplatten-
druck als auch Versuche des Zusammendruckens von
in Schabemanier gearbeiteten Farbenteilplatten. Mit
der Erfindung der Lithographie und der graphischen
Hochätztechniken setzt eine neue Aera ein, bald darauf
wird die Lichtbildkunst erfunden und aus der gegen-
seitigen Befruchtung resultieren die photomechanisch-
graphischen Verfahren, die Autotypie, Heliogravüre
und der Lichtdruck. Nachdem auch das Problem der
Farbenaussonderung auf photomechanischem Wege ge-
löst ist, ergibt sich die Möglichkeit der Photochromie
auf dem indirekten Wege des Druckes. Die Unvoll-
kommenheit von Schwarz-Weiss-Darstellungen wurde
in vielen Fällen unangenehm empfunden. Monochrome
Bilder, die doch mehr oder weniger nur einen Erinne-
rungsbehelf bieten, genügen oft nicht als Anschauungs-
mittel. Das Abbild irgendeines dem Leser eines
wissenschaftlichen Werkes fremden Objektes muss
illusionserregend sein und hierzu ist die Farbe nötig.
Wohl wurde durch monochrome Nachbildung in Stich,
Radierung und Tonholzschnitt Meisterhaftes geleistet,
durch photomechanische Reproduktion Formenwahrheit
und selbst Tonwerte bis in mikroskopisches Detail
wiedergegeben, handelt es sich aber darum, farbige
Kunstwerke, die der Künstler farbig gedacht und ge-
arbeitet hat, zu reproduzieren, dann ist dem Original
durch die Schwarz-Weiss-Uebersetzung seine Wesen-
heit genommen. Die einfarbige Nachbildung eines
 
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