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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 5
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Werkstattdienst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0021

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Mönchen, 29. No?. 1909.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

Yl.Jahrg. Nr. 5

tnhait: Werkstattdienst? Zuschrift von H.-St.-Char)ottenburg. — John Ruskin über das Restaurieren atter Bau-
werke. — Einiges über photographische Aufnahmen von Strichzeichnungen, Stichen usw. Von Joh. Mai-
Tilsit. — Technischer Anschauungsunterricht im Kupferstichkabinett.

W erkstattdienst?
Zuschrift von H. St.-Chariottenburg.

Auf die Frage: was sich die Verfasser des in
der Nr. 24 erschienenen Artikels „Werkstattdienst
und Künstlerproletariat" unter Werkstattdienst
vorstellen, möchte ich mir gestatten, folgendes zu
antworten:
Der Gedanke ist durchaus nicht so unerhört
und unausführbar, wie es vielleicht auf den ersten
Blick hin den Anschein hat. Und dass das Be-
dürfnis zur Erlernung solcher künstlerischen
Werkstattkenntnisse vorliegt, beweist doch un-
zweideutig der vorhergehende Artikel eines jungen
Akademikers, „Maltechnischer Unterricht". —
Es gibt zwar noch keine Künstlerwerkstatt,
wie sie zu Lebzeiten der alten Meister allgemein
waren, auch wollen die jungen Leute durchaus
auf einer Akademie und Hochschule studieren.
Und da die Künstler des 19. Jahrhunderts sich
nicht bemüssigt sahen, sich mit dergleichen Dingen
zu beschäftigen, da sie ja alle Farben usw. fertig
vom Fabrikanten kaufen konnten, so gibt es auch
noch keine modernen Künstlerwerkstätten.
Es wäre aber wirklich sehr zu wünschen,
dass die Akademien und Hochschulen sich mal
ernstlich mit dieser Frage beschäftigten, und es
wäre schon viel gewonnen, wenn wenigstens mal
irgendwo der Versuch gemacht würde, an einer
Akademie solche Dinge wieder gründlich zu lehren.
Man kann natürlich nicht, wie die Herren Kalk-
schmidt und Dr. Storck fordern, gleich den zweiten
Schritt vor dem ersten machen, wenn man nicht
zu Sturz kommen will.
Erst müssen wir wieder Künstler erziehen
können zur praktischen Selbstausführung der
künstlerischen Werkstattarbeiten: Farben reiben,
Firnisse kochen, Oele bleichen und reinigen,
Grundieren von Holztafeln und Leinewand usw.
usw.

Vor allen Dingen aber müssen die jungen
Leute mit den optischen Grundgesetzen der
farbigen Erscheinungen in der Natur, welche
allein die Ursache waren zu dem gewaltigen
Aufschwünge in der Renaissance im 15. Jahr-
hundert, wieder vertraut gemacht werden, damit
sie auch den Sinn der Technik der alten Meister
verstehen lernen. Das ist eine der schwierigsten
Fragen der Wissenschaft von jeher gewesen und
gerade dieses Kapitel wird nirgend gelehrt. —
Erst müssen wir also wieder Künstler haben,
die die Werkstattkenntnisse: Optik und Physiologie
der Farben, Zubereitung der Oele und Firnisse
im Sinne der optischen Gesetze usw. usw., selbst
beherrschen und ständig auszuüben gewohnt sind,
denen es wieder ein praktisches Bedürfnis ge-
worden ist, gleich den alten Meistern nicht allein
langsam trocknende und lange nassbleibende
Farben zu haben, sondern auch solche, die schnell
und sehr schnell, sogar in 5 Minuten zu trocknen
vermögen. Alle diese Bindemittel der alten
Meister kann sich leicht jeder selbst herstellen,
wenn er weiss, wie er es zu machen hat. Und
ebenso leicht kann er sich dann seine Farben
zur ewigen Haltbarkeit selbst anreiben unmittelbar
vor dem Gebrauch, wie es auch die alten Meister
getan haben, damit sie ihm nicht erst eintrocknen.
Ein Fabrikant kann das eben aus diesem Grunde
nicht machen! —
Diese Dinge müssten alle erst mal wieder
an einer Akademie gelehrt werden, vielleicht als
Vorschule für die eigentlichen künstlerischen
Studien im Malen, nachdem sich der Betreffende
als Künstler im Zeichnen entpuppt hat, damit
nicht von vornherein ein jeder in solche edlen
Dinge eingeweiht zu werden braucht. —
Hierin lag eben die sondierende Macht des
 
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