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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr.6
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Berger, Ernst: Freih. v. Pereira, " Tempera rediviva!"
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Anfragen und Beantwortungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0028

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Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr 6.

der Mühe unterzog, die gesamte Fabrikation der
Pereiraschen Farben, Firnisse usw. zu prüfen, und in
jeder Beziehung zu günstigen Resuttaten getangte;
insbesondere wird die Befürchtung, dass der Essigzu-
satz zur Leimiösung auf gewisse Farben (z. B. Uitramarin)
schädlich sei, für unbegründet erkiärt, da ,,der geringe
Essiggehait des Tempera-Maimitteis ohne jeden Ein-
ftuss auf die Temperafarben" sei.
Dass v. Pereira in der neuen Schrift wieder aiie
schon vorher angeführten Beweisgründe für die Güte
und Dauerhaftigkeit der nach seiner Methode gemaiten
Biider vorbringt und deren noch eine ganze Reihe von
neuen hinzufügt, wird nicht überraschen; er foigt dabei
in manchen Punkten einer schon 1897 erschienenen
Schrift eines seiner Getreuen, des Maiers Cari Fei. v.
Schiichtegroii: Die Tempera-Malerei Pereira. (Vertag
v. E. Haberiand, Leipzig.)
Wie steht es aber mit diesen Beweisen, denen
zufoige die ,,grossen" Meister der Renaissance in
gleicher Art gematt haben? Ich kann sie mit bestem
Wiiien nicht für zwingend hatten. Dass noch im 14.
und Anfang des [5. Jahrhunderts Temperamittet im
Gebrauch waren, ist ja bekannt und durch Quetten-
nachweise zu betegen. Pereira führt nun ais Haupt-
argument das ,,Illuminierbuch" des Bottz v. Rufach
(Erste Ausg. 1562) an, der nicht Oete, sondern Leim,
Gummi oder Eiktar (Albumen) ais die zum Anreiben ge-
bräuchlichen Bindemittet nenne. Aber Bottz schrieb
nur für IHuminierer, aiso Miniaturmaler auf Per-
gament oder Papier und atte die „Temperaturwasser"
dieser Zeit waren für Ittuminieren, nicht aber für
Tafetbitdermaierei bestimmt!
Des weiteren wird angeführt, dass die atten
Meister — voran die Van Eycks und ihre Nachfotger —
die mit Leimfarbe gemaiten Bitder mit Oelfarben zu
lasieren ternten und diese Art ats „vervottkommnete
Materei" gepriesen wurde. Und die Stehe aus van
Mander, die v. Pereira S. 5 aniührt, scheint auf den
ersten Blick ihm rechtzugeben. Sie tautet nach der
Uebersetzung von Ftoerke (Das Leben d. niedertänd.
u. deutsch. Mater v. Caret van Mander, I, S. 27): „Er
kam damit (d. h. mit seinen Versuchen) so weit, dass
es ihm geiang, seine Ei- oder Leimfarbe mit einer Art
Firnis zu überziehen, der aus einigen Oeten hergesteht
war, und das Voik fand daran grossen Gefaben, weit
die Arbeiten dadurch einen so schönen teuchtenden
Gtanz erhielten", woraus v. Pereira schtiesst: Atso er
hat nicht mit Oetfarben gemalt! Aus der weiteren
folgenden Erzählung van Manders geht aber her-
vor, dass van Eyck, eben mit dieser Áíethode nicht
zufrieden, erst dann seine eigentliche Matart erfand,
eine Matart, über deren Wesen wir freitich bis heute
noch nicht ganz im ktaren sind.
Zur Unterstützung seiner Annahme führte schon
Schhchtegroh (a. a. O. S. 5) — und ihm fotgt neuertich
auch v. Pereira — ats „ktassischen und unantastbaren
Beieg ein uns erhabenes, in derBibtiothek von Venedig
auibewahrtes Schreiben des Antonetto da Messina
an, weiches dieser Künstier an seine italienischen
Kunstgenossen aus Flandern richtete und in dem er
ausdrücklich sagt, dass die Untermatung der Bitder
in Leimfarbe (i. e. Tempera) zu geschehen habe und
nur „das Kotorit mit bunter Oetfarbe auftasiert werde".
Ein solches Dokument würde natürlich atte Zweifet zu
beheben imstande sein! Deshatb war es für mich von
grösster Wichtigkeit, ats ich mich vor einigen Jahren
mit der Frage beschäftigte (in der III. Folge m. Ent-
wicktungsgeschichte d. Mattechn.: Mittetatter), der Ur-
kunde nachzuspüren und da v. Schiichtegroii es
Untertassen hatte, die Ouehe, aus der er geschöpft,
anzugeben, btieb mir nichts anderes übrig, ats mich
direkt an die Bibhothek nach Venedig zu wenden.
Die Antwort des damaiigen Direktors Conte Saranzo
lautete: Ein Brief des Antoneho da Messina mit obigem

Inhatte ist in der Marcus-Bibtiothek nicht vor-
handen, überhaupt kein Brief des Meisters!!
Mithin kann der mysteriöse Brief erst ats „unan-
tastbarer Beieg" geiten, wenn die Quehe deuttich
nachgewiesen würde.
Die Bemühung, die sich v. Pereira gibt, in Tempera
angefangene oder fertig gematte Biider bis in die Zeit
des Rembrandt und von diesem seibst („Die Bergpredigt"
im Beriiner Museum) nachzuweisen, muss alte Aner-
kennung finden; in vieten Fähen wird es sich jedoch
nur um Annahmen handetn, die nicht kontroiiierbar
sind. Aber ist es denn so wichtig, auf die Technik
der Alten hinzuweisen für unsere heutige Zeit? Ge-
nügt es nicht vietmehr, eine Tempera zu besitzen, die
für unsere Zwecke taugtich ist und hattbar, ohne mit
der Attmeistertechnik rivatisieren zu sotten?
Es wäre müssig, nach att den Gutachten unserer
hervorragendsten Künstler, die in der voriiegenden
Schrift auf mehr ats 50 Seiten abgedruckt sind, noch
auf die Vorzüge des Materiats, auf die anerkannt
trefftiche Auswahi der Farben und alter übrigen
Speziahtäten der Fabrik hinzuweisen. Wer in Tempera
mait, weiss, dass das Material sich vietseitig verwenden
lässt, als Guasche oder Deckfarbe für Entwürfe,
Plakate, Architekturmaterei usw.; er weiss, dass man
dieser Guasche oder Leimfarbe auch Eigelb zusetzen
kann (wie es Lenbach tat), und dass dann aus dem
Temperabitd ein Firnisgemätde zu machen ist, und
wenn man die Farbe nur ats Untermatung verwenden
wiü, dass sie mit jeder beliebigen Oet- oder Firnisfarbe
übergangen werden kann.
Das attes sind Eigenschaften, die genügen werden,
um der Pereira-Materei immer neue Anhänger zu ge-
winnen. E. B.
Anfragen und Beantwortungen.
Herrn G. K., Bert in. — Ihre Anfrage tautet:
„Auf einem Bitde, ziemtich dunket gehalten, ev. mit
Asphatt gematt, zirka 30—40 Jahre att, machen sich
auf der Oberfläche Unebenheiten bemerkbar, ungefähr
2 Mitlimeter breit und mehrere Zentimeter lang^ Es
macht fast den Eindruck, ats hätte sich die Farbe
gehoben. Eingeptatzt sind die Stetten noch nicht.
Hesse sich die Farbe wieder niederdrücken ohne
Beschädigung der Bitdftäche? Luft und Ferne, wo
die schw-eren, braunen Töne fehlen, sind gut erhatten."
Darauf kann Ihnen berichtet werden, soweit ein
Urteit über die sich zeigenden Schäden, ohne das
BHd setbst gesehen zu haben, möglich ist, dass es sich
in diesem Falte woht um Bewegungen der Leinwand-
fasern handelt, denen die Farbsubstanz nicht gteichartig
zu folgen vermag. Die Farbsubstanz hat sich zusammen-
gezogen (oder ist konstant geblieben), während sich
die Leinwand ausgedehnt hat. Ich möchte Ihnen zu
fotgendem Verfahren raten: Bestreichen Sie die Lein-
wand von rückwärts und die schadhaften Stetten von
vorne mit einer Mischung von Kopaivabatsamund gleichen
Teilen Terpentin, iassen einige Tage trocknen, dann
bügetn Sie mit einem auf 100" C abgekühtten Bügeteisen
(wie solche die Hutmacher haben!) über die Stetten,
indem Sie ein gtattes, frisch geöttes Papier unterlegen.
Sorgen Sie auch dafür, dass das Bitd auf einer glatten
Ebene (Reissbrett od. dgt.) hege. Diese Prozedur
wiederholen Sie mehrmats, auch die Einreibung mit
Kopaivabatsam ist ev. zu wiederhoten. Durch die
Wärme wird die Farbsubstanz aufgeweicht und nach
wiederholtem Uebergehen und unter dem Drucke des
Bügetns schtiessen sich die Sprünge wieder.
Fatts aber das Gemäide von besonderem Werte
ist und Sie derlei Arbeiten noch nie gemacht haben,
würde ich Ihnen raten, diese durch einen geübten
Restaurator vornehmen zu tassen. B.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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