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Münchner kunsttechnische Btätter.
Nr. 14
Ein maitechnischer Briei Altred Rethels.
Mitgeteiit von Paut Gerhardt-Düssetdorf.
Ein mattechnischer, äusserst interessanter Brief
Atfred Rethets aus dem Jahre ¡847 ist in den Besitz
des Aachener Suermond-Museums gekommen und wurde
in den Aachener Kunstbtättern Heft I und II ver-
öffentlicht.
In charakteristischer Weise gibt er ein Bitd von
der primitiven Behandtung der für die Retuschen not-
wendigen Farben.
Ich fasse zunächst den Brief unverändert fotgen,
indem ich annehme, dass er für die Leser der „M.k.Bt."
Interesse haben wird.
Aachen, den 27. Septbr. :847.
Lieber Steinte!
Zunächst meinen besten Gruss und die Voraus-
setzung, dass diese Zeiten Sie und die werthen
Ihrigen im erwünschten Wohtsein antreffen möge —
dann, das Bekenntnis dass eine materiette Zunftan-
getegenheit teider der direkte Grund dieser Zeiten
sein muss, wobei ich jedoch voraussetze dass mein
bisheriges Stiltschweigen im heben deutschen Hause
nicht so sehr zu meinem Nachthei! ausgetegt ist
worden — nach Geschriebenem dar! man uns in
keinerWetse woht beurtheiten —. Darum zur Sache;
im Vertauf meiner hiesigen Arbeit habe ich an
einem Theite dersetben, wetcher uns (mir und Ktar)
hintängtich ausgetrocknet erschien, versucht zu tem-
perieren und zwar nach der bekannten Art mit Ei-
gelb und Essig, zweimai das teere Ei mit Essig ge-
iüttt zum Eigeib — die Wahrheit zu gestehen sagte
mir die Weise schon unter der Hand nicht zu —
mir erschien die Brühe viet zu dünn und nur wo ich
eine reine Farbe im Naturzustände mit dersetben
verdünnt auftrug, erreichte ich was ich wottte — da-
gegen attes tasiren und dünn retuchiren mit ge-
mischten Thönen ftoss unangenehm auf der Wand
umher und wottte kaum trocknen — ich Hess nun
dieses Hütfsmittet, und zwar zu meinem Gtück, denn
nach Vertauf von etwa 4 Wochen ßng meine Tem-
pera an, den schönsten Schimmet zu ziehen — zu
erst glaubten wir es sei Satpeter bis zutetzt mit
Wasser und Schwamm an einer Stehe die Tempera
heruntergewaschen der Schimmet verschwand, und
bis jetzt (etwa ¡4 Tage) auch nicht wieder gekommen
ist, weiches nun woht beweist, dass diese Art woht nicht
die rechte sein wird — aber ohne Tempera geht es
woht nun einmat nicht und besonders bei mir ats
einem Anfänger im Frescomaten, darum ist meine
Bitte an Sie, Heber Steinte, mir aus dem reichen
Schatz ihrer Erfahrung, zu dem noch die berathen-
den Stimmen unserer übrigen Freunde und CoHegen
dort, das ihrige hinzuthun können, mir eine andere
Art Tempera zu verrathen und mir sotche batdigst
mitzutheiien, denn in 14 Tagen gedenke ich mit
meiner Grabscene fertig zu sein, und habe alsdann,
fatts die Klugheit mir nicht räth das Retuchiren bis
zum nächsten Jahr zu tassen, grosse Lust das Bitd
ganz zu vottenden. — Sie sehen aus diesem nun
dass ich die Hände nicht in den Schoss getegt habe,
und hat mir dies scharfe Arbeiten ausser meinen
künstterischen Resultaten auch den Vorteil gebracht
dass ich damit ein starkes Heimweh nach Frankfurt
betäuben konnte. Ich gtaube mit meiner Arbeit, bei
massigen Ansprüchen mich zufrieden erktären zu
dürfen — auch fängt die Sache an den Hiesigen zu
gefatten, wobei ich es woht ats ein Gtück bezeichnen
muss, dass die Materei gerade mit diesem Bitde be-
gann, indem es woht eines der dankbarsten sein
dürfte obgleich schwer, sehr schwer, fortwährend in
dunkten Thönen zu arbeiten z. B. 2 Pfund dunket-
grüne Erde ist schon darauf gegangen 1 Pfund dünkte
Terrasiena etc. dabei eine Masse vonDétait— tägtich
4—5 Paletten, und endtich der Lichteffekt — dabei
nichts weniger ats günstiges Wetter — genug, mein
Bitd wird fertig — auch Scitze und Pause musste
ich hier, noch machen; nur so konnte ich es aber
auch hier aushatten — die wahrhaft schöne Um-
gegend abgerechnet, ist hier wenig was künstlerisch
anzuregen im stände ist — dazu ats Mater ganz attein
zu stehen, ich, der ich in dieser Hinsicht so sehr
verwöhnt wurde, aus dem Heben seltenen Kunst-
kreise in Sachsenhause heraus gerissen und hierher
zwischen att den Färber und Nadetfabrikanten ge-
worfen und zwar für tange Zeit — ich habe hier erst
recht meine Kunst Heben geternt — es ist gut dass
das Papier hier zu Ende geht, sonst w-ürde ich eine
Stimmung verrathen, die nicht ganz zu meinem Barte
passt. Nun adieu lieber Steinte einen schönen Gruss
an Ihre wertheFrau, an Veith, Battenberger, v. Straien-
dorf und die Uebrigen u. die Bitte um einen bal-
digen Brief.
Ganz der Ihrige
Atfr. Reihet.
Einen schönen Gruss auch von Ktar.
Leider ist die Antwort Steintes auf diesen Briet
Rethets nicht bekannt.
In vortiegendem Briefe Rethets handeit es sich
um das erste von Rethe! in Angriff genommene Bitd
aus dem Krönungssaate des Rathauses zu Aachen
„Oeffnung der Gruft Karts des Grossen durch Otto III."
11s war das erste grosse Freskowerk, an welchem sich
der Meister in dieser immerhin schwierigen und un-
gewohnten Technik probieren musste, die ihm so
vieie schwere Stunden brachten und — was das atter-
schtimmste war — wobei ihm keiner hinreichend helfen
konnte, weit man in der wieder zu betebenden Fresko-
technik alterorts herumtastete und suchte, den ver-
torenen Faden der Ueberiieferungen wiederzuhnden.
Nur zu deutiich zeigt sich dies an dem ersten Ver-
such der Kornetiusschute, den Fresken der Bonner
Universitätsauta. Die Technik hatte eben mit der nun
wieder gewattig und gross emporbtühenden Monumen-
talkunst nicht Schritt zu hatten vermocht.
Weniger ängsttiche Naturen wie der Maier der
Bonner Fresken, J. Goetzenberger, gaben sich nicht
soviet Mühe, erst ein Farbbindemittet zu suchen, was
sich in seinem Reiz und Charakter, dem Charakter der
Freskotechnik anpasste, sondern — da die Freskotechnik
ihm überhaupt zu schwierig, umständlich und teuer
wurde, beschränkte er dieselbe in ihrer Anwendung
auf ein Mindestmass, um irgendeiner schlechten Sekko-
technik — gewöhnlich Leimfarben — denVorzugzu geben.
Ausserdem entsprach eine derartige Farbengebung
mehr der in der Nazarenerschute zum Ausdruck kom-
menden Geschmacksrichtung. Es mangette also nicht
attein an der Kenntnis und Beherrschung der Technik
ats sotche, sondern auch vor attem an dem Geschmack
für eine solche Technik.
Fr. Th. Vischer schreibt, ats er :86o die von
Rethe! fertiggesteHten Fresken in Aachen sieht: „Die
Aachener Fresken wurden von den Aachenern bean-
standet, weit man fatsche Forderungen an das Fresko
steüte, mehr Farbe verlangte, d. h. in dem Sinne, wie
sie Kehren bei den letzten Bildern gab, atso im Wett-
eifer mit dem Staffeteibitd. Eine Behandtung, die auf
Farbenreiz ausging, passte nicht zu diesem grossen
Zeichnungsstit."
Wie wir aus dieser Ausführung sehen, passten den
Aachenern die Farben Rethets nicht, sondern man
hielt diese für vöttig misstungen, und Mütter von Königs-
winter berichtet, dass man in Aachen alten Ernstes
in Erwägung zog, die Rethetschen Meisterwerke kurzer-
hand des Einklanges wegen von Kehren Übermaten zu
tassen.
Münchner kunsttechnische Btätter.
Nr. 14
Ein maitechnischer Briei Altred Rethels.
Mitgeteiit von Paut Gerhardt-Düssetdorf.
Ein mattechnischer, äusserst interessanter Brief
Atfred Rethets aus dem Jahre ¡847 ist in den Besitz
des Aachener Suermond-Museums gekommen und wurde
in den Aachener Kunstbtättern Heft I und II ver-
öffentlicht.
In charakteristischer Weise gibt er ein Bitd von
der primitiven Behandtung der für die Retuschen not-
wendigen Farben.
Ich fasse zunächst den Brief unverändert fotgen,
indem ich annehme, dass er für die Leser der „M.k.Bt."
Interesse haben wird.
Aachen, den 27. Septbr. :847.
Lieber Steinte!
Zunächst meinen besten Gruss und die Voraus-
setzung, dass diese Zeiten Sie und die werthen
Ihrigen im erwünschten Wohtsein antreffen möge —
dann, das Bekenntnis dass eine materiette Zunftan-
getegenheit teider der direkte Grund dieser Zeiten
sein muss, wobei ich jedoch voraussetze dass mein
bisheriges Stiltschweigen im heben deutschen Hause
nicht so sehr zu meinem Nachthei! ausgetegt ist
worden — nach Geschriebenem dar! man uns in
keinerWetse woht beurtheiten —. Darum zur Sache;
im Vertauf meiner hiesigen Arbeit habe ich an
einem Theite dersetben, wetcher uns (mir und Ktar)
hintängtich ausgetrocknet erschien, versucht zu tem-
perieren und zwar nach der bekannten Art mit Ei-
gelb und Essig, zweimai das teere Ei mit Essig ge-
iüttt zum Eigeib — die Wahrheit zu gestehen sagte
mir die Weise schon unter der Hand nicht zu —
mir erschien die Brühe viet zu dünn und nur wo ich
eine reine Farbe im Naturzustände mit dersetben
verdünnt auftrug, erreichte ich was ich wottte — da-
gegen attes tasiren und dünn retuchiren mit ge-
mischten Thönen ftoss unangenehm auf der Wand
umher und wottte kaum trocknen — ich Hess nun
dieses Hütfsmittet, und zwar zu meinem Gtück, denn
nach Vertauf von etwa 4 Wochen ßng meine Tem-
pera an, den schönsten Schimmet zu ziehen — zu
erst glaubten wir es sei Satpeter bis zutetzt mit
Wasser und Schwamm an einer Stehe die Tempera
heruntergewaschen der Schimmet verschwand, und
bis jetzt (etwa ¡4 Tage) auch nicht wieder gekommen
ist, weiches nun woht beweist, dass diese Art woht nicht
die rechte sein wird — aber ohne Tempera geht es
woht nun einmat nicht und besonders bei mir ats
einem Anfänger im Frescomaten, darum ist meine
Bitte an Sie, Heber Steinte, mir aus dem reichen
Schatz ihrer Erfahrung, zu dem noch die berathen-
den Stimmen unserer übrigen Freunde und CoHegen
dort, das ihrige hinzuthun können, mir eine andere
Art Tempera zu verrathen und mir sotche batdigst
mitzutheiien, denn in 14 Tagen gedenke ich mit
meiner Grabscene fertig zu sein, und habe alsdann,
fatts die Klugheit mir nicht räth das Retuchiren bis
zum nächsten Jahr zu tassen, grosse Lust das Bitd
ganz zu vottenden. — Sie sehen aus diesem nun
dass ich die Hände nicht in den Schoss getegt habe,
und hat mir dies scharfe Arbeiten ausser meinen
künstterischen Resultaten auch den Vorteil gebracht
dass ich damit ein starkes Heimweh nach Frankfurt
betäuben konnte. Ich gtaube mit meiner Arbeit, bei
massigen Ansprüchen mich zufrieden erktären zu
dürfen — auch fängt die Sache an den Hiesigen zu
gefatten, wobei ich es woht ats ein Gtück bezeichnen
muss, dass die Materei gerade mit diesem Bitde be-
gann, indem es woht eines der dankbarsten sein
dürfte obgleich schwer, sehr schwer, fortwährend in
dunkten Thönen zu arbeiten z. B. 2 Pfund dunket-
grüne Erde ist schon darauf gegangen 1 Pfund dünkte
Terrasiena etc. dabei eine Masse vonDétait— tägtich
4—5 Paletten, und endtich der Lichteffekt — dabei
nichts weniger ats günstiges Wetter — genug, mein
Bitd wird fertig — auch Scitze und Pause musste
ich hier, noch machen; nur so konnte ich es aber
auch hier aushatten — die wahrhaft schöne Um-
gegend abgerechnet, ist hier wenig was künstlerisch
anzuregen im stände ist — dazu ats Mater ganz attein
zu stehen, ich, der ich in dieser Hinsicht so sehr
verwöhnt wurde, aus dem Heben seltenen Kunst-
kreise in Sachsenhause heraus gerissen und hierher
zwischen att den Färber und Nadetfabrikanten ge-
worfen und zwar für tange Zeit — ich habe hier erst
recht meine Kunst Heben geternt — es ist gut dass
das Papier hier zu Ende geht, sonst w-ürde ich eine
Stimmung verrathen, die nicht ganz zu meinem Barte
passt. Nun adieu lieber Steinte einen schönen Gruss
an Ihre wertheFrau, an Veith, Battenberger, v. Straien-
dorf und die Uebrigen u. die Bitte um einen bal-
digen Brief.
Ganz der Ihrige
Atfr. Reihet.
Einen schönen Gruss auch von Ktar.
Leider ist die Antwort Steintes auf diesen Briet
Rethets nicht bekannt.
In vortiegendem Briefe Rethets handeit es sich
um das erste von Rethe! in Angriff genommene Bitd
aus dem Krönungssaate des Rathauses zu Aachen
„Oeffnung der Gruft Karts des Grossen durch Otto III."
11s war das erste grosse Freskowerk, an welchem sich
der Meister in dieser immerhin schwierigen und un-
gewohnten Technik probieren musste, die ihm so
vieie schwere Stunden brachten und — was das atter-
schtimmste war — wobei ihm keiner hinreichend helfen
konnte, weit man in der wieder zu betebenden Fresko-
technik alterorts herumtastete und suchte, den ver-
torenen Faden der Ueberiieferungen wiederzuhnden.
Nur zu deutiich zeigt sich dies an dem ersten Ver-
such der Kornetiusschute, den Fresken der Bonner
Universitätsauta. Die Technik hatte eben mit der nun
wieder gewattig und gross emporbtühenden Monumen-
talkunst nicht Schritt zu hatten vermocht.
Weniger ängsttiche Naturen wie der Maier der
Bonner Fresken, J. Goetzenberger, gaben sich nicht
soviet Mühe, erst ein Farbbindemittet zu suchen, was
sich in seinem Reiz und Charakter, dem Charakter der
Freskotechnik anpasste, sondern — da die Freskotechnik
ihm überhaupt zu schwierig, umständlich und teuer
wurde, beschränkte er dieselbe in ihrer Anwendung
auf ein Mindestmass, um irgendeiner schlechten Sekko-
technik — gewöhnlich Leimfarben — denVorzugzu geben.
Ausserdem entsprach eine derartige Farbengebung
mehr der in der Nazarenerschute zum Ausdruck kom-
menden Geschmacksrichtung. Es mangette also nicht
attein an der Kenntnis und Beherrschung der Technik
ats sotche, sondern auch vor attem an dem Geschmack
für eine solche Technik.
Fr. Th. Vischer schreibt, ats er :86o die von
Rethe! fertiggesteHten Fresken in Aachen sieht: „Die
Aachener Fresken wurden von den Aachenern bean-
standet, weit man fatsche Forderungen an das Fresko
steüte, mehr Farbe verlangte, d. h. in dem Sinne, wie
sie Kehren bei den letzten Bildern gab, atso im Wett-
eifer mit dem Staffeteibitd. Eine Behandtung, die auf
Farbenreiz ausging, passte nicht zu diesem grossen
Zeichnungsstit."
Wie wir aus dieser Ausführung sehen, passten den
Aachenern die Farben Rethets nicht, sondern man
hielt diese für vöttig misstungen, und Mütter von Königs-
winter berichtet, dass man in Aachen alten Ernstes
in Erwägung zog, die Rethetschen Meisterwerke kurzer-
hand des Einklanges wegen von Kehren Übermaten zu
tassen.