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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 17
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Waetzoldt, Wilhelm: Methoden der Farbenbenennung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0071

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Nr. .y.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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der Anzahl der Helligkeitsabstufungen auf den Farben-
scheiben, und damit von der Anzahl überhaupt mög-
licher Farbenkombinationen. Bei toteiligen Scheiben
ist die Anzahl erzeugbarer Farbentöne 8000, bei
tooteiligen Scheiben 6400000, bei ßteiligen 90, bei
5teiligen 800. Für die meisten Zwecke der Praxis
wird der toteilige Apparat ausreichen.
Auf Grund der Zahlen an den Scheibenperipherien
lässt sich Kallabs Farbenanalysator auch für eine —
die Farben gleichzeitig definierende — Farbenbenen-
nung verwenden. Hat man z. B. durch Verschiebung
der vier Scheiben gegeneinander ein bestimmtes Braun
erzeugt und es mit Hilfe des ersten Farbenfensters für
das Auge isoliert, so lässt sich dieses Braun,
entsprechend seiner — im Sektor sichtbaren —
Herkunft aus Rot, Gelb und Blau bezeichnen als:
Braun 4)10 R, 9/10 G, i/:o B. Dabei stehen die
Zähler — Ziffern: 4—9—1 an den Scheibenrändern,
von aussen nach dem Zentrum hin abgelesen, über-
einander. In gleicher Weise lassen sich natürlich
auch die sekundären Farben (z. B. Violettrot: 10/toR,
io/io B) und die primären Farben (z. B. 3/10 R) be-
nennen und definieren. Dabei gibt die Zahl auf der
Farbenscheibe den Helligkeitsgrad einer gesättigten,
die Zahl auf der Grauscheibe den Helligkeitsgrad einer
ungesättigten Farbe an. Also z. B. 9/10 R, 2/10 B,
i/to Gr. ist eine Farbe aus lichtschwachem gesättigtem
Rot, lichtstarkem gesättigtem Blau und lichtstarkem
Grau. Dunkles Rot mischt sich mit hellem Blau zu
dunklem Blaurot. Dieses dunkle Blaurot bedeckt mit
hellem Grau gibt demnach ein ungesättigtes dunkles
Blaurot. Jeder Besitzer eines Kallabschen Farben-
analysators gleicher Einteilung (gteilig, Steilig, iotei-
lig usw.) ist in der Lage, durch entsprechendes Ein-
stelien der Farben- und event. der Grauscheibe eine
von ihm gelesene Farbenbenennung dieser Methode in
die Anschauung der gemeinten Farbe unmittelbar zu
übersetzen.
Ich glaube, diese Nomenklatur genügt auch den
drei genannten Hauptbedingungen: sie ist absolut ein-
deutig, da alle Besitzer gleichteiliger Apparate sich die
bezeichnete Farbe selbst erzeugen können, sie ist sehr
umfangreich, da schon der toteilige Apparat 8000
Farbentöne und damit auch 8000 Farbennamen her-
gibt, sie lässt sich schliesslich auch international ver-
ständlich machen.
In den drei modernen Hauptsprachen sind ja die
Anfangsbuchstaben für die Grundfarben ungefähr die
gleichen. R = rot — red — rouge; G (y und j) -
gelb — yellow — jaune; B = blau — blue — bleu.
Zwei Einwände, der eine vom physikalischen, der
andere vom maltechnischen Standpunkte aus lassen
sich Kallabs Apparat gegenüber äussern. Die Prüfung
der Farbenscheiben mit dem Spektroskop ergibt, dass
die Farben ihrer geringen Homogenität wegen physi-
kalisch nicht einwandfrei zu definieren sind. Die Mass-
einheit (ein Normalfarbenton) ist demnach nicht jederzeit
reproduzierbar. Die Scheiben lassen sich nicht eichen.
Dieser Mangel wird sich wohl mit fortschreitender Er-
fahrung in Auswahl und Behandlung der zur Herstellung
verwandten Farbenstoffe beseitigen lassen. Mit Kallabs
Farbenanalysator ist es zweitens nur möglich, lasie-
rende Farben voneinander zu unterscheiden und zu be-
stimmen. Dagegen versagt er deckenden Farben
(pastosem Farbenauftrag) gegenüber. Da diese Grenze
der Leistungsfähigkeit in der Natur des Apparates
beruht, der eben mit durchscheinenden Farbenscheiben
arbeitet, wird man einfach mit ihr zu rechnen haben.
Eine weitere Reihe von Bedenken, teils psychologi-
scher, teils praktischer Natur erheben sich gegen jede
experimentelle Methode derFarbenbenennung. Wenn wir
die Farben eines Bildes benennen oder überhaupt es
mit einem Kunstwerk zu tun haben, dessen Kolorit auf
einer Mehrheit von F'arben beruht, arbeiten wir mit

relativen, nicht aber mit absoluten Farbenwerten;
wirkt ja doch eine Farbe nie allein, sondern nur im
Verhältnis zu den Nachbarfarben. Wir wollen also in
diesen Fällen mit Hilfe des absoluten — im Farben-
fenster des Kallabschen Analysators isolierten —
Wertes einer Farbe den relativen Wert einer Bildfarbe
bezeichnen, mit anderen Worten, wir übertragen die
Bezeichnung einer bestimmten Pigmentfarbe auf Pig-
mente, die aus ihrer koloristischen Umgebung los-
gelöst, anders benannt werden müssten. Es lässt sich
freilich denken, dass man für bestimmte Fälle mit
Hilfe einer Papierschablone auch gewisse Farben im
Bilde isoliert und dann absolute Farbenwerte hier mit
absoluten Farbenwerten dort vergleicht.
Das gleiche Gesetz einer BeeinHussbarkeit der
Farben durch ihre koloristische Umgebung macht sich
auch im grossen als ein die Farbenbezeichnung bei
Galeriebildern sehr erschwerender Umstand fühlbar.
In fast jeder Bildergalerie erhalten wir beim Betrachten
eines Gemäldes von den Bildern rechts, links, oben und
unten farbige Eindrücke, die die koloristische Wirkung
des betrachteten Bildes modifizieren, im wörtlichsten
Sinne „färben". Solche Nebenwirkungen sind nach
Möglichkeit auszuschalten, indem man das betreffende
Bild entweder durch einen Kasten betrachtet oder,
was bei Farbenbenennungsarbeiten für Katalogzwecke
nicht unterlassen werden sollte — das Gemälde in
einen Isolierraum, vor eine Wand von neutralem
Grau und in die vom Bilde verlangte Beleuchtung bringt.
Lassen sich die erwähnten praktischen Schwierig-
keiten der Farbenbenennung fast völlig beseitigen,
sobald man sie kennt, so sind eine Reihe psycholo-
gischer Bedenken nicht zu zerstreuen; man wird mit
den betr. Tatsachen als unvermeidlichen Fehlerquellen
von vornherein rechnen müssen. Es handelt sich
um die individuellen Modifikationen des Farben-
sehens. Selbstverständlich nicht so sehr um den groben
Unterschied zwischen farbentüchtig und farbenblind,
als vielmehr um die feineren Differenzen innerhalb der
Gruppe der „Farbenschwachen" und der normalen
Trichromaten. Pflicht jedes Farbenbeobachters wird
es sein, mit Hilfe des Farbenanalysators sich zu prüfen,
auf Farbenblindheit, Farbenschwäche, auf Art und
Grade der Unterschiedsempfindlichkeit und auch darauf-
hin, ob er eine Farbe mit beiden Augen gleich sieht
oder ob das eine Auge die Farben um einen Grad
gesättigter oder lichtstärker sieht als das andere.
Es lässt sich ferner nicht leugnen, dass das Farben-
sehen der Farbentüchtigen von der psychischen Ge-
samtlage ausserordentlich leicht afñzierbar ist. Die
allgemeinen Verhaltungsweisen der Seele, die wir als
Aufmerksamkeit und Gedächtnis, Uebung und Ermü-
dung bezeichnen, beeinflussen unsere Farbenerlebnisse
merklich. Jeder, der sein Farbenempfindungsvermögen
zu beobachten gewöhnt ist, weiss, dass sich lustbetonte
Farben und Farbenverbindungen im Bewusstsein vor-
wiegend geltend machen, dass das Erwartete leichter
aufgefasst wird als das Unerwartete, hat an sich die
Vervollkommnung der Leistung bei Aufmerksamkeit
und Uebung und die Verschlechterung bei Ermüdung
erfahren. Wer viel mit Farben zu tun hat, kennt schliess-
lich die Abhängigkeit seines Farbenunterscheidungs-
vermögens und Farbengeschmackes von Stimmungen;
Depressionszustände setzen beide Fähigkeiten bedeu-
tend herab. Die notwendige Forderung, die diese
Gesetzlichkeit unseres Seelenlebens an den Farben-
beobachter stellt, ist die: gleich wie er nur auf einem
neutralen Hintergründe die koloristische Erscheinung
eines Bildes prüfen wird, so eine gewisse seelische
und körperliche Gleichgewichtslage abzuwarten, in sich
eine neutrale psychische Folie zu schaffen, auf Grund
deren einzig und allein gute Durchschnittsleistungen
im Farben-Beobachten und -Benennen sich erzielen
lassen.
 
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