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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 7
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Hermanns, Heinrich: Ein Erinnerungsblatt an Richard Burnier
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0019

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Rickarä Lnrnier.

Masses Wetter.

Lin LrilinerunALblatt nn Liekarä Lurnier.


ines lages schritt ick mit einem Oreunde
durch das Oijksmuseum in Amsterdam.
Oer Mann detried im Nebenamt das

8tudium der Kunstgeschichte. Mit

grossem Liter batte er die erreichbaren Oalerien

des Kontinents durchstreift, manche kunstge-

schichtlichen Abhandlungen in sich ausgenommen.
Viel musste ich kerhalten und tausendfältige

Oründe für meine Ansichten immer und immer

wieder anführen. K1öt?1ich vernahm ich die Krage:
„Warum stellen 8is einen Rembrandt so be-
deutend böber als einen Ool? Oeweisen 8ie

mir das!"
Ich holte tief ^.tem und wollte wieder eine
Leibe kräftiger, fühlbarer Qründe hervorbringen,
als mir plötzlich eine Welle ?u Kopf stieg und
ich meinem Kreunde also erölfnete:
„Wenn 8ie hier in dem l'empel der Kunst,
im Angesicht eines Lembrandt, eines Hals, de
Ooogke u. s. w., 8tets mit skeptischem Orübeln
nach überzeugenden Oründen und 1ogi8cben Oe-
wei8en fragen, wenn 8ie mit kaltem Verstände
jedes Bild, 8cbnitt für 8cbnitt, verlegen, sezieren,
so begeben 8ie ein 8akrileg. Ibr 8ucken nach
algebraischen Beweismitteln verkümmert Ihnen
jeden Oenufs. Das Oer? muss empünden, die
8eele muss in 8cbwingungen versetzt werden;
der Verstand schweigt."
Kopfschüttelnd schaute mich der Oackbar an
und sagte, gezwungen lächelnd: „Wenn ick dock
mit empknden könnte; vielleicht lerne ick es . . .
vielleicht..." —

„Lernen" wollte er, „erlernen"; sich selbst
durch mathematische Beweise überzeugen. Wo
dock nichts von ihm verlangt wurde als lebendiges
Oefükl. Oarum konnte die edle 8ckönkeit einer
8cböpfung nickt ?u ihm reden. Oarum konnte
er nickt empknden, wie die 8eele eines Werkes,
gleichsam aus dem Lakmen tretend, sich über
ibn herabsenkte. Oarum wusste er nichts von
dem feierlichen Zustand, der uns in jeder Oalerie
alter Meister befällt wie die Ebnung einer
höheren Welt.
8olcke Werke der koken Kunst, die ?u allen
Zeiten des wechselnden Kunstgesckmacks auf den
fühlenden Menschen wirkten, die den 8tempel,
das 8ignum des „Meisterwerkes" an sich tragen,
knden wir in allen Oalerien alter Meister vor.
Kür unsern vermeintlichen Kortsckritt ist es kein
gutes Zeichen, dass nickt viele moderne Bilder
existieren, die diese packende subjektive Wirkung
auf uns ausüben und hierdurch den 8tempel der
Klassizität erlangen.
Zu Werken dieser ^.rt möchte ick das diesem
Oeft in Oicktdruck beigegebene Bild Burniers:
„8tier auf der Weide" rechnen. Os packt und
ergreift, man kühlt sich einer 8cköpiung gegen-
über; das Oer? ahnt, dass die erdgeborne Kreatur
?um Kreator, ?um 8cköpker geworden ist. Oer
Mensch Kat sich der Oottkeit genähert; er Kat
einen, wenn auch minimal kleinen l'eil einer
göttlichen Funktion erfüllt, er ist dadurch ?um
8cköpfer, ?um Künstler geworden.

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