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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 7
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Neitzel, Otto: Musikleben am Rhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0053

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NnZikleden am
Oie Bbeiniscbe lVlusikxeitung, die seit kurzem
in Köln erscheint, giebt uns willkommenen An-
lass, des Oesers Aufmerksamkeit einmal auf den
grössten lVlusiker rheinischer Abstammung kin-
xulenken, den nämlichen, der augenblicklich in
der ganxen Weit als grösster Omeros der Oon-
kunst verehrt wird: Oudwig van Beethoven.
In einern TVulsatx „Oie lVlusik arn Allein unter
den letzten Kurfürsten" giebt Hermann Kipper,
der wohlbekannte Bestor der rheinischen lVlusik-
reserenten, interessante Ausschlüsse über das
lVlusiktreiben am Hose des letzten Kölner Kur-
fürsten, des österreichischen Brxberxogs lVlaxi-
milian Oranx. Oleicb nach seinem Begierungs-
antritt 1784 wandte er, seinem Oescbmack ent-
sprechend, seine eifrigste Kürsorge der Kflege
der Oonkunst in seiner Besidenx Bonn xu. In
dem Bericht, den er über den derzeitigen Zu-
stand der Blaskapelle einfordert und der sieb in
den ^kten des Krovinxialarchivs xu Oüsseidorf
bebndet, geschieht auch der beiden Beethovens,
des Vaters Johann und des Lohnes Oudwig,
Brwäbnung: „Johannes van Beethoven hat eine
ganx abständige Ltimm', ist lang in Oiensten,
sehr arm, von Ziemlicher Aufführung und ge-
heirathet. Lein Lohn Oudwig hat xwar kein
Oebalt, hat aber während der Abwesenheit
Ouchesis (des Bofkapellmeisters) die Orgel ver-
sehen, ist von guter Käbigkeit, jung, von stiller
Aufführung und arm." Oer Kurfürst veranlafste
sofort die Zahlung eines jährlichen Oebalts von
100 Ibalern an Beethoven, der dem Organisten
bleele xur Band gehen, als Zweiter Bratschist
in der Boskapelle mitwirken sollte, später auch
als O^mbalist im Orchester xu fungieren hatte.
Oas war an sich nicht viel, aber für einen vier-
zehnjährigen jungen, dessen Vater einen grossen
7l?eil seiner Einkünfte ins Wirtshaus trug und
welcher lVlutter und Oesckwister hatte, eine
willkommene Binnabme. Oie Kunst des O^m-
balospielens ist jetxt ganx aus der lVlode ge-
kommen, und einige Worte darüber dürften am
Blatxe sein. In der IVlusik des achtzehnten
Jahrhunderts behauptet noch die Bassstimme
einen Bang, der an Wichtigkeit, an Lelbständig-
keit der Bewegung fast dem der Oberstimme
gleicbkommt. lVlan mufs sich stets vergegen-
wärtigen, dass dis lVlusik, nachdem sie ihre
ursprüngliche Binstimmigkeit im Altertum und
lVlittelalter bis xum Zehnten Jahrhundert über-
wunden batte, nach Bntdeckung des Zusammen-
klingens mehrerer selbständiger Ltimmen, der
Bol^pbonie also, in das entgegengesetzte Bxtrem
einer fast unübersehbaren Ltimmenverwebung
verüel. 7Vm Ausgang des lVlittelalters war eine
führende lVlelodie so sehr blebensacbe, dafs die
ordinärsten Oassenbauer als Lantus brmus der
frömmsten Kirchengesänge benutzt, dafs diese
sogar nach den Oassenbauern benannt wurden.


^IkrscZ 8c>t>ri - kietkel.


lVleistersingerei und Oemeindegesang in den
protestantischen Kirchen, der wieder auch auf
die Oepilogenbeiten der durch Balestrina ver-
einfachten katholischen Kirchenmusik xurück-
wirkte, brachten die lVlelodie und xwar die ihrem
2weck angepasste lVlelodie wieder xu Bkren.
Vielleicht bat auch der naive Volksgesang hieran
grösseren TVntbeil, als bisher nacbgewiesen
werden konnte. TVber immerhin war die lVlelodie
noch nicht lange genug der Kesseln der Kol^-
phonie entwachsen, als dass nickt noch besonders
im Basse der lVlelodie eine kräftige Oegen-
bewegung (Kontrapunkt) gegenübergestellt wurde.
lVlan kann übrigens beute noch xum grossen
Oeil den Wert einer lVlusik an den gutgeiükrten
Bässen eines Ltücks beurteilen, und Beethoven
und Brabms sind in dieser Binsicbt wobl als die
besten lVluster der modernen lVlusik xu nennen.
Oie Forderung unsrer musikalischen TVbnen
nach selbständiger Bewegung der einzelnen
Ltimmen rückte Zuerst das Bedürfnis nach einer
harmonischen Küllung, wie sie dem modernen
Obr unumgänglich scheint, völlig in den Binter-
grund. Oa aber nach und nach der Oescbmack
nach einer solchen verlangte, so wurde die
Aufgabe, sie auf Orund der bezifferten (die
Akkorde in Ziffern ausdrückenden) Bassstimme
(Qeneralbafs) xu ergänzen, dem Organisten und
O^rubalisten übertragen, die dann die harmonische
Küllung aus Orund der lVlarscbroute der Oeneral-

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