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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 11
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Schäfer, Wilhelm: Rheinische Dichter, (3): Carl Ferdinands
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0249

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KWIM86W VILHILR. (III).

Lari I^erclinnnüs.*

ick im ^abre
1897 meinen tbö-
ricbten „Oeleit-
bries 2u Zwanzig
Oebmelscben
Oedicbten" er-
sckeinen liess —
sckon desbalb
tköricbt, weil er
entbusiastiscb
war nncl Lntku-
siasmus niemals
überzeugt — war der einzige Lrsolg, dass micb
die )ournalistiscbe Legistratur als Oebmelscbüler
eintrug. Onterdessen sind clie Aktien dieses
Lösten, dessen geniale Begabung kein ernstkafter
lVlenscb mebr bestreitet (vorausgesetzt, dass er
Oebmels Lücber gelesen bat), so weit gestiegen,
dass ibn nur nocb in ganz Zurückgebliebenen
LrovinZblättcben irgend ein abnungsloser Redak-
teur, einer süssen Oewobnkeit solgend, straflos
verböbnen darf. Ls wird also Lari Lerdinands
nicbt ^u viel scbaden, wenn icb an seinem
Beispiel ?eige, wie mir eine Lcbülerscbast bei
Licbard Oebmel ein gutes Ding sckeint, von
dem icb selbst leider keinen blutten baben konnte,
weil es micb niemals sonderlicb 2um lzrriscben
Ausdruck gedrängt bat.
Lei der Wirkung von Licbard Oebmel muss
man Zweierlei sebr auseinander balten: seine
Oesüblswelt, die stärker mit Oedanken durcb-
ZOgen scbeint, als die irgend eines andern Oicbters,
und seine grosse 8pracbkunst. Leides bat sicb
von Werk ^u Werk in einer Weise konzentriert,
dass ibm überall bin nur lVlenscben mit ebenso
grosser Oesüblskrast als Oeistesscbärse Zu folgen
vermögen. Oaber der 8pott der kleinen Leute.
Oaber aucb die leidenscbaktbcbe Bewunderung
)ugend1icber Brauseköpfe, die in seiner Lzrrik
den eruptiven ^usbrucb modernen Oeistes
süklen.
Weil )ugendlicbe Lrauseköpfe immer Lzrrik
macben und weil sie immer Oedanken für Kunst
balten, ist es Kein Wunder, dass die Wirkung
Oebmels meist die eines starken Lunscbes ist,
der den jungen Herren gleicb in ^ntlitZ und
Oebärde steigt. 8ie können es nicbt lassen,
aucb so starkes 2eug ZU dickten. 80 bescbert
uns mebr oder weniger )edes )unge Oedicbtbucb
geistige Oebmel-blacbabmungen. Wenn icb
Lari Lerdinands in dem 8inn einen Oebmel-
scbüler nennte, dürfte er sicb mit Leckt be-
scbweren.


Oer I^lame i8t ein ?8snclonvm.
Bilü nncl 8io§rapkie ÜS8 Oiclitsr8.

Oarnm telilen üis8mal

blickt die Lersönlicbkeit, nur die l'ecbnik
kann man lernen. Ond darin ist keiner un-
beeinbusst, weder Ooetbe nocb Leine, nocb
Oiliencron oder Oebmel. Weil )eder den grössten
l'eil seiner 8pracbkunst als Lrbe übernimmt
und nacb seiner ^.rt weiterbildet. Wenn wir
darin recbt viele Oekmelscbüler erlebten, wäre
es für unsere 8pracke kein 8cbaden.
Ls sind ibrer nocb wenige. Ond Lari Ler-
dinands ist der eigenste.
Indem icb das nacb^uweisen versucke, denke
icb natürlicb nickt an Lilderreicktum und andere
spracklicben Vorzüge, die direkt derLersönlicbkeit
entspringen; aucb nicbt an die einlacbsten
grammatiscben und 8at2bau-Lege1n, die den
Lyrikern der Lpigonen^eit Zum l'eil abbanden
gekommen waren und aus die man aucb mo-
derne Oicbter okt genug verweisen kann, ^ucb
vom Lb^tbmus will icb abseben, weil der 8ieg
der rbxtbmiscben 8pracbe über die metriscbe eine
8elbstverständlicbkeit und darum Ligentum der
ganzen modernen Linie ist. Was in Oebmels
l'ecbnik ckarakteristisck wirkt, ist die ^.rt, wie
er das Oedicbt, den lzrriscben Lrguss giebt. Om
das einmal scbematisck Zu trennen, was in
Wirklicbkeit eine gemeinsame und da?u nocb
unbewusste Arbeit der 8eele ist: Im Augen-
blick der Konzeption, wo sicb ibm in einer
8timmung ein 8innbild oksenbart, bebt er aus dem
Inbalt der 8eele alles Bedeutsame keraus: die
^nscbauungen, seine Orundstimmung, die durcb
die ^nscbauung angeregten Oedanken, Oetükle,
Lrinnerungen, Wünscbe, 8ebnsücbte. ^edes Lin-
2elne versucbt er ^u konzentrieren, bis das Oan?e,
so einsacb wie möglicb gesagt, genau aus die-
selbe Weise das 8innbild giebt, wie es ibn selbst
überkam. Das scbeint eine ebenso alte wie
selbstverständlicbe 8acbe. Ond in Wabrkeit
beruben die besten Wirkungen des Volksliedes
daraus. Das 8cbwierige, nämlicb das dicbteriscbe
Können, ist nur, die wirklicb scblagenden ^n-
scbauungen, Oeiükle, Lrinnerungen u. s. w.
berausZubnden und im Ausdruck 2U konzen-
trieren, wie es 2. 8. in folgendem Oedickt
gescbiebt:
Oie 8ti1Ie 8taüt.
Oisxt eins 8taclt im Ikals,
Lin blL88er verbellt;
L8 wircl niclit 1an§e clausrn mskr,
8i8 wecler IVlonü neck 8terne,
I4nr I^laclit am Himmel 8tekt.
Von allen Bergen ürücksn
l^edel ank üie 8taüt;
B8 ürin§t kein Oacli, kein blot noclr Han8,
Xein Baut an8 ilrrem Bancli lieran8,
Xanm l'ürme nocli nncl Brücken.

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