Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Henckell, Karl: Ein kleines Curriculum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0198

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lin kleines Lurriculuni.

Ick bin ein ^prilkind und kam in der Baupt-
und BesidenTStadt Hannover Tur Welt, wäk-
rend die Breuisen die Düppeler 8cbanTen stürm-
ten. Mit Twei ^akren wurde icb demnacb, ganT
obne von Bismarck gefragt Tu sein, „annektiert"
und erfubr so scbon als williges Bübcben in
rneiner l'reue Tum „angestammten Berrscber-
bans" äie radikalste Brscbütterung. ^ber
träumend in seliger Dnscbuld strampelte icb
souverän über den welbscb-bobenToUernscben
Nntertbanenkonllikt von 66 binweg und liels
rnicb vorurteilslos läcbelnd „einverleiben". Icb
verrnute böcbstens, dafs icb einrnal instinktiv
rnit dern Kopf genickt babe, Tum ^eicben rneines
knospenden Beicbseinbeitssinnes, der den keran-
wacksenden Knaben später mäcbtig erfüllen
sollte, ^nno 70 babe icb jedenfalls scbon rneine
ersten poetiscben Pistolen abgeknallt, der Drang
war elementar bei mir, das kann icb skrupellos
TU Protokoll geben. Lorpora delicti steben —
aber nur im blotfall! — TU Diensten, ^war
mag es „D^rik" mebr privatester als patriotiscber
Batur gewesen sein, trotT der grofsen nationalen
Qelegenbeit. Mit Qeibel bätte icb's docb nocb
nicbt aufgenommen, daTU war meine Macke Tu
primitiv. Icb kielt rnicb
einstweilen mebr ans
„Dokale": eine l^riscbe
Ballade auf den mzbbi-
scken Bäuberbauptmann
„Banebut" in der Bilen-
riede bei Bannover be-
Teicbnet eine meiner irü-
besten dokumentarisck
beglaubigten Deistungen.
Dock bilden die 70er
grofsen „Moritbaten"
natürlicb meine ersten
kräftigen Erinnerungen;
wir batten selbst viel
Bin^uartierung, 8tall und
Wagenremise bei un-
serm Hause steckten
voll Mannen und Gossen.
8oldatenabmarscb mit
taktlosen Blumensträufs-
cben, angescblagene
Krieges- und 8iegesde-
pescben, gefangene 1?ur-
kos im Welfenscblofs,
8edanjubel, Illumination
und Babnenausbängen,
die ersten patriotiscben
8cbulfeiertage — das
scbwingt alles lebendig
nacb. Mein Vater — um
die Bamilie vorTustellen!
— der vor nickt Dangern

fast neuiligjäkrig in DenTburg (8cbweiT) das 2eit-
licke gesegnet bat, war dereinst Kaufmann in
Bodenfelde bei Karlskafen a. d. Weser und batte
sicb, bauptsäcblicb durcb Qetreidebandel nacb Bre-
men, so situiert, dafs er in Hannover als Bentier und
Hausbesitzer rubig leben und uns Kindern die „bö-
bere" städtiscbe 8cbulbildung angedeiben lassen
konnte. Icb babe vierDescb wister, Twei Brüder und
Twei 8cbwestern, alle verbeiratet, in 8bebo^gan
(Amerika), Brüssel, DenTburg und ^arau. Meine
Mutter, eine l'ocbter des ci-devant kurfürstlicb-
bessiscben Boipredigers und ^rcbivrats Biderit
in Kassel, der eine Oescbicbte dieser scbönen
8tadt gescbrieben bat, ist bock in den 8ecliTigern
und wobnt in ^arau. (Gegenwärtig, im beiden
Maien, wäbrend icb, auf besonderen Wunsck
der „Bbeinlande" notabene, diese Bersonalia
TU Kapier bringe, genieise icb mit meiner Diebsten
das Olück, sie bei uns TU baben, bier in Büscb-
likon am farbenreicben 2üricbersee, wo ick, Tur
^bwecbslung, seit letTtem Herbst meine Baus-
götter aufgepllanTt babe. Da liefse sicb ja scbon
ungeTwungen Turückgreifen und der augenblick-
bcbe Moment mit dem Mutterscbois der Kind-
beit verknüpfen, ^.ber — oben gestanden! —
icb babe nocb gar keine
reckte Dust, mit mir
selber bistoriscb TU ver-
fallen. 80 Oott will
und icb das Deben be-
balte, ist daTU scbliefs-
licb nocb in ca. 40 jsab-
ren, vielleicbt nacb dem
70 sten Jubiläum, die pas-
sendste 2eit. InTwiscben
lieber die junge (Gegen-
wart scblürken, obne viel
TurückTuscbauen! Die
8älte sind nocb voll im
Kluis. . . ^.ber um aucb
nicbt widerborstig TU
sein, will icb scbnell ein
paar „8tadien" bxieren.
Icb war ein stark „in
abnorme Ideen verbobr-
ter" Oz^mnasiast in Ban-
nover und Kassel und
kielt dessenungeacbtet,
als icb, trotT matkema-
tiscker 8cbwäcbeTU-
stände „reif" geworden,
in letTterer 8tadt als
„B1ite"abiturient coram
pubbco eine begeisterte
Bede „Über das deutscbe
Volkslied". Dann war
icb 8tudent in Berlin und
Heidelberg und gab mein
 
Annotationen