DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:Schäfer, Wilhelm: Heinrich Hansjakob
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0091
wenn über seinen Oroksvater oder Onkel oder
sonst einen Verwandten gedruckte Vierte ?u
lesen sind. 8odann aber tbnt klansMkob nocb
etwas anderes als Oescbicbten er?äblen. Lr
räsonniert: über die Lreuksen, über die ^uden,
über die Lngländer, über die modernen l^seue-
rungen, über die Kultur überbanpt. Ond das
ist aucb ein Wesens?ug des dentscben Clans-
vaters : Wenn er an seinem Liertisck nicbt 8kat
spielt, dann will er räsonnieren oder räsonnieren
büren. Lin keiner Oeist, wie etwa Ibsen, wird
mikstraniscb gegen seine Ideale, wenn sie ibm
seine Wirklicbkeit verderben: Oer dentscke Haus-
vater aber läkst sieb seine Ideale nicbt rauben
und bndet darin immer neuen ^nlaks, die mangel-
bakten Lin?elkeiten der wirklicben Welt und die
scblecbten lVlitmenscben ?u bassen. Indem Llans-
)akob dieser bleigung entgegenkommt durcb un-
aukbörlickes Läsonnement, wird er populär.
Ond docb liegt darin seine wabre Volkstüm-
licbkeit, die Ledeutung dieses galligen Qeistes
aucb kür eine feinere Letracbtung. Om es Kur?
?u sagen: er ist auk seine Weise nicbts anderes,
als ein deutscker, sagen wir ein kleinstädtiscber
1?olstoi. Obwokl er sicb niemals ?u den scbnei-
denden Lagerungen und unerbittlicben Lorde-
rungen des leidensckaktlicben 81awen erbebt, ist
er mit ibm ein Verkünder des gleicben 8cbick-
sals: ein Leidender an der Kultur. 8ie bat ibm
persönlicb bitterlicbes Leid angetban. Ond da-
durcb kommt er xu der verneinenden Antwort,
die scbon Lousseau berübmt macbte: Das Lr-
gebnis des menscblicben Lortscbritts, das wir
als unsere Kultur erleben, bat den lVlenscben
kein Olück gekrackt. Oarum kort mit der Kultur
und Zurück ?ur einkacben blatur. Oaks diese
blatur am einkacbsten im Landleben xu knden
sei, ist bei Tolstoi teilweise ein Lrgebnis der
Qrübelei, bei Lans^akob nur die 8ebnsucbt
eines Lauernsprökslings nack seiner Heimat.
Leute ist er Lkarrer an 8t. Martin in Lreiburg.
„^.ber icb wäre tausendmal lieber Läcker ?u
Laslacb!" seuk?t er okt. Oenn dort in dem scbünen
Ibal von Laslack ist seine Heimat und eine
l'akel be?eicbnet das Haus, wo er im ^abre 18Z7
geboren wurde. 8eins Liograpbie braucbt nicbt
gescbrieben ?u werden. 8ie stebt, wenn aucb
verstreut, in seinen 8cbrikten. Oa ist?u lesen von
seinen Oroksvätern, dem bausierenden Wälder-
Xaveri und dem Lselsbeck, von seinen Litern
und seiner Jugendzeit, von seinem 8tudium mit
„Laucben und 8ingen", von den pobtiscben
Kämpfen des jungen katboliscben Oeistlicben,
die ibn Zweimal ins Oekängnis bracbten, von
einem langen rubelosen Lkarrerleben und von
der lVlelancbolie, der ,,Listerie", den verstörten
blerven des alten IVlannes. Oa stebt zwiscben
den Xeilen das 8cbicksal des 8cbwar?wald-
Mngen, der mit seiner Lauernnatur in den ?er-
mablenden 8andstaub des modernen Lebens
geriet und 8cbaden nabm an seinen blerven.
Oie 8elbstberrlicbkeit, die Lücksicbtslosigkeit
der Abneigungen, die zur 8cbau getragene
Wabrbeitsliebe: das alles sind Lauern-Ligen-
scbakten, die ibn in leidenscbaktlicbe Kämpfe
bringen muksten. Ond ^e mebr der Lkarrer zu
8t. lVlartin ibre Loipen spürte, desto mebr lieks
er die bäueriscbe Lacbsucbt gegen seinen per-
sünlicben Leind: gegen die moderne Kultur in
seinen 8cbrikten ausbieksen.
Was sind nun seine 8cbrikten? I'agebuck-
blätter, auk 8cbwarzwaldreisen und dabeim ge-
scbrieben, mit allem, was ibm an eigenen und
fremden Lrlebnissen, an seltsamen Vorgängen,
an lVlenscbenscbicksalen, an landsebaktlicben und
religiösen 8timmungen, 8agen, Volkserzäblungen
die 8eele bewegt und den Oeist erregt. Oie be-
wegte 8eele bndet stille webmütige Laute, der
erregte Oeist bektige, okt makslose Worte. ^Iso
nicbts von dickteriscbem Handwerkszeug, von
Komposition und Lbarakterentwicklung. „Icb
und Oicbter? Oas kommt mir gerade so vor,
als wenn man einen Oorlmaurer, der den Lauern
ibre Häuser anstreicbt, einen Kunstmaler beiksen
wollte."
Dieses bescbeidene Xurücktreten, die willige
Anerkennung der Lürsten im Leicb des Oeistes,
ist aucb ein eckt bäueriscber Xug. Oocb was
beikst scbliekslicb Oicbter? Ls giebtzwar immer
nocb kluge Leute, die einen Vers-Oickter von dem
Lrosa-Verfasser säuberlicb auseinander kalten,
^.ber was macbt z. L, dep Lovellenscbreiber
27
sonst einen Verwandten gedruckte Vierte ?u
lesen sind. 8odann aber tbnt klansMkob nocb
etwas anderes als Oescbicbten er?äblen. Lr
räsonniert: über die Lreuksen, über die ^uden,
über die Lngländer, über die modernen l^seue-
rungen, über die Kultur überbanpt. Ond das
ist aucb ein Wesens?ug des dentscben Clans-
vaters : Wenn er an seinem Liertisck nicbt 8kat
spielt, dann will er räsonnieren oder räsonnieren
büren. Lin keiner Oeist, wie etwa Ibsen, wird
mikstraniscb gegen seine Ideale, wenn sie ibm
seine Wirklicbkeit verderben: Oer dentscke Haus-
vater aber läkst sieb seine Ideale nicbt rauben
und bndet darin immer neuen ^nlaks, die mangel-
bakten Lin?elkeiten der wirklicben Welt und die
scblecbten lVlitmenscben ?u bassen. Indem Llans-
)akob dieser bleigung entgegenkommt durcb un-
aukbörlickes Läsonnement, wird er populär.
Ond docb liegt darin seine wabre Volkstüm-
licbkeit, die Ledeutung dieses galligen Qeistes
aucb kür eine feinere Letracbtung. Om es Kur?
?u sagen: er ist auk seine Weise nicbts anderes,
als ein deutscker, sagen wir ein kleinstädtiscber
1?olstoi. Obwokl er sicb niemals ?u den scbnei-
denden Lagerungen und unerbittlicben Lorde-
rungen des leidensckaktlicben 81awen erbebt, ist
er mit ibm ein Verkünder des gleicben 8cbick-
sals: ein Leidender an der Kultur. 8ie bat ibm
persönlicb bitterlicbes Leid angetban. Ond da-
durcb kommt er xu der verneinenden Antwort,
die scbon Lousseau berübmt macbte: Das Lr-
gebnis des menscblicben Lortscbritts, das wir
als unsere Kultur erleben, bat den lVlenscben
kein Olück gekrackt. Oarum kort mit der Kultur
und Zurück ?ur einkacben blatur. Oaks diese
blatur am einkacbsten im Landleben xu knden
sei, ist bei Tolstoi teilweise ein Lrgebnis der
Qrübelei, bei Lans^akob nur die 8ebnsucbt
eines Lauernsprökslings nack seiner Heimat.
Leute ist er Lkarrer an 8t. Martin in Lreiburg.
„^.ber icb wäre tausendmal lieber Läcker ?u
Laslacb!" seuk?t er okt. Oenn dort in dem scbünen
Ibal von Laslack ist seine Heimat und eine
l'akel be?eicbnet das Haus, wo er im ^abre 18Z7
geboren wurde. 8eins Liograpbie braucbt nicbt
gescbrieben ?u werden. 8ie stebt, wenn aucb
verstreut, in seinen 8cbrikten. Oa ist?u lesen von
seinen Oroksvätern, dem bausierenden Wälder-
Xaveri und dem Lselsbeck, von seinen Litern
und seiner Jugendzeit, von seinem 8tudium mit
„Laucben und 8ingen", von den pobtiscben
Kämpfen des jungen katboliscben Oeistlicben,
die ibn Zweimal ins Oekängnis bracbten, von
einem langen rubelosen Lkarrerleben und von
der lVlelancbolie, der ,,Listerie", den verstörten
blerven des alten IVlannes. Oa stebt zwiscben
den Xeilen das 8cbicksal des 8cbwar?wald-
Mngen, der mit seiner Lauernnatur in den ?er-
mablenden 8andstaub des modernen Lebens
geriet und 8cbaden nabm an seinen blerven.
Oie 8elbstberrlicbkeit, die Lücksicbtslosigkeit
der Abneigungen, die zur 8cbau getragene
Wabrbeitsliebe: das alles sind Lauern-Ligen-
scbakten, die ibn in leidenscbaktlicbe Kämpfe
bringen muksten. Ond ^e mebr der Lkarrer zu
8t. lVlartin ibre Loipen spürte, desto mebr lieks
er die bäueriscbe Lacbsucbt gegen seinen per-
sünlicben Leind: gegen die moderne Kultur in
seinen 8cbrikten ausbieksen.
Was sind nun seine 8cbrikten? I'agebuck-
blätter, auk 8cbwarzwaldreisen und dabeim ge-
scbrieben, mit allem, was ibm an eigenen und
fremden Lrlebnissen, an seltsamen Vorgängen,
an lVlenscbenscbicksalen, an landsebaktlicben und
religiösen 8timmungen, 8agen, Volkserzäblungen
die 8eele bewegt und den Oeist erregt. Oie be-
wegte 8eele bndet stille webmütige Laute, der
erregte Oeist bektige, okt makslose Worte. ^Iso
nicbts von dickteriscbem Handwerkszeug, von
Komposition und Lbarakterentwicklung. „Icb
und Oicbter? Oas kommt mir gerade so vor,
als wenn man einen Oorlmaurer, der den Lauern
ibre Häuser anstreicbt, einen Kunstmaler beiksen
wollte."
Dieses bescbeidene Xurücktreten, die willige
Anerkennung der Lürsten im Leicb des Oeistes,
ist aucb ein eckt bäueriscber Xug. Oocb was
beikst scbliekslicb Oicbter? Ls giebtzwar immer
nocb kluge Leute, die einen Vers-Oickter von dem
Lrosa-Verfasser säuberlicb auseinander kalten,
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