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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Koester, Reinhard: Ritter Blaubart
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Clément, Frantz: Luxemburg und die Luxemburger
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0153

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Ritter Blcuibart.

Da verschivande» die Spukgestalten auö seinem
Sinn, und das lichte Antlitz seincr jungen Gattin blühte
ihm entgegen. Und weiter sann er:

Schenken soll daö Weib, nicht vcrlangen. Jhre
Liebe svll tiescr und kostbarer sein als die deö Manneö,
so viel kostbarer, daß all seine sehnende Glut die ihre
nicht aufwiege» kann. Und wenn wir unser Lebcn sür
ihre Liebe geben, so soll eö sein, als gäben wir gemeinen
Stein für stuchtende Rubine. Wie niedrig ist die Liebe
einer Frau, die um den Mann bettelt und nach ihm
verlangt in gieriger Lust!

Schenken soll das Weib, und wenn ich flehe: gib
mir deinen Leib, so soll sie lächeln, wie wcnn sie mir
zu vergeben hätte; und wenn sie sich gibt, soll sie eö
tun, wie man einein Dürstcndcn einen Trank reicht.

Wie habe ich sie gcliebt, sie alle bis zu der Stunde,
da daö lüsterne Tier in ihnen erwachte, da sie Liebe
und Stolz vergaßen und bettelten um meine Krast!
Immer wicder trieb mich meine Hoffnung, die Eine
zu finden, die ihre Liebe hält wie eincn Wundcrtrank
in kostbarem Gefäß, aus dem sie nie erschöpsend mir
den Becher reicht, der mcinen Durst stillt. Wie segne
ich meine Hoffnung, die mich die Eine finden ließ,
die meiner Sehnsucht Ende und Anfang ist.

So sann Ritter Blaubart in der stummen Sommer-
nacht, biS sich eine weiche kühle Hand aus seine Schulter
legte und zwei dunkle Augen ihn liebcvoll ansahen.
Auf einem niedrigen Schcmel ließ sich die junge Gemahlin
zu seinen Füßen nieder und trank mit ihm den Duft
der Sommernacht. Jn tiefer Sehnsucht suchte er ihren
Blick, in dcm heute ein seltsameö Leuchten glühte. Und
plötzlich war eö ihm, alö ob er wieder auö weiter
Ferne ein spöttischeö Gelächter hörte. Mit brennenden
Augen starrte er in ihr Antlitz, indeö ihre Finger mit
seinem Gewande spielten. Ein Flackern war in ihrem
Blick — ihre Lippen bebten. Und plötzlich schlang sie in
zitterndcr Lust ihre Arme um seinen Leib, und ihr Mund
suchte den seinen.

Da sprang Ritter Blaubart in die Höhe, daß ihr
Körper i» tödlichem Schreck zusammcnsank — da ballte
sich seine Faust - da hob er den Arm - da crschlug
er sie!

Jhre sterbenden Arme streckten sich ihm entgegcn,
ihr brechender Blick suchte den seincn, und ihr letzter
Ruf klang wie ein Liebesschrei — so liebte sie ihn.

Ritter Blaubart aber ftarrte mit nachtverhangenem
Blick in die Weite:

Nun ist meine Sehnsucht hinausgegangen, denn
diese liebte ich, wie ich es erträumt habe in tiefen
Nächten! Nun will ich mit ihr meine Licbe zu Grabe
tragen, sie sollen vereint ruhen in der schwcigenden
Erde.

* *

Am folgenden Tage zog wiederum ein düfterer
stiller Zug durch die Reihen deö Volkeö. Ein Trauer-
wagen schlich von sechs Pferden gezogen unhörbar durch
die erftarrten Gaffcn, und auf ihm ruhte in Blumen
begraben ein schmaler silberner Sarg.

Da rauschte die Bewegung dcr Massen auf, und
ein dunkler Schrei entrang sich Tausenden:

Du hast sie gemordet!

Wiederum ließ Ritter Blaubart seinen furchtloscn
Blick über die Menge schweifen und wieö die Ritter
zurück, die sich schützend um ihn drängten. Verachtung
lag in diesem Vlick und Sterbcnötraurigkeit. Daö Lächeln
war aus ihm gewichen.

Da erschlug ihn das Volk.

Ja — um dreseö Lächelnö willen erschlugen sie den
Ritter Blaubart. —

uxembmg und die Luxembmger.

Wer von deutschem Boden auö in daö Luxcm-
burger Land fahren will, hat drei Eisenwege. Nach
keinem dieser drei Zugänge dars er über daö ganze
Land urteilen; ällc drei zusammen crgeben erst ein Bild,
und zwar cin annähernd fertiges Bild. Der crstc Weg
führt von Aachen her durch die Eifel. Wenn der
Bahnzug bei Ulflingen in Luxemburger Gebict einfährt,
braucht der Reisende scin Auge nicht crst anderö ein-
zustellen; daö Luxemburger Oöling ist eine Art Vor-
eifel, ohne Vulkaniömuö, ohne die cwig schweigcndcn,
trauernden Mare. Schwarze Dcvonfelsen belauern
trotzig die Bahn, wie wenn sie den Wcg verstellen
wollten. Rücken legt sich an Rücken, nicht wellig und
in die Ebene verrinncnd, sondern bald schmal und keck,
bald geschwungen und scharf ausladend. Zwischcn
ihnen brach sich die Saucr durch, immer wicder ab-
gelenkt durch die dunklen fteinigen Bcrge, die um sie
hcrumstehen, auf sie zulaufen, wic wenn sie ihre Arme
als Bett hingcbcn wollten. Der stets zerzaustc Eichen-
schälwald und die graugrüncn Tannenbestände stehen
aus ihnen alö Haarschopf und Sturmhaube. Und bcide
sind symbolisch: einst waren rs die Lohhecken, die dcn
Oölinger Bauer so rcich machten, daß er Sonntagö
im Wirtshauö harte Taler auf dcn Spieltisch warf,
über Iahrzehnte vielleicht sind die Tannen- und Fichten-
wälder der einzige Reichtum, wenn der dürstigc Acker
und die Bergwiese versagen. Es ist sonderbar und
zeigt keinen rechten Blick für Vcrhältnisse — der Gul-
länder betrachtet die Oölinger Bauern alö barbarischcö
Bergvolk, daö niemalö so sinnenfroh und fein sein
kann wie der geschmcidigere Stamm, der an der Moscl,
Alzette und Eisch wohnt; dabei licgt der höchste Punkt
sechöhundcrt und einige Meter über dcm Meereöspiegel,
und oberhalb der Linie, die daö Dsling vom Gutland
schneidet, ift die Welt noch nicht mit Brettcrn vcrnagelt.

Wer im Bahnzug weiterfährt, kann bequem herauö-
finden, wann er nicht mchr im Dsling ist: da wo
der letzte lange Tunnel aufhört und die verbreitcrte
Sauer die Alzette aufnimmt. Durch die Alzette wird
die Sauer sozusagen gutländisch naturalisiert; sic vcr-
liert ihren Gebirgöstromcharakter und bckommt die
demokratischen Farben der Arbeit. Drobcn in den
Bergeinsamkeiten spielen in ihr die Forellen und lassen
ihren besternten Rücken in dcr Sonne erschimmern;
auch in ihrem weiteren Laufe bleibt sie fischreich, aber
sie sieht nicht mehr so brav aus, sie ist kein Spiegel
mehr für die Landschaft. Dcr Bahnzug verläßt sie bei
Ettelbrück und hält sich am Ufcr der Älzctte hin. Jm
 
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