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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 11
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Schäfer, Wilhelm: Was machen wir mit unserer Altstadt?
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0181

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Was machen wir mil unserer Altstadt?

der Juninummer dieses JahreS brachten wü
L Abbildungen und Erläuterungen von vr. I. Baum,
M den Neubau der Stuttgarter Altftadt betreffend. Ob-
wohl dort reizvolle Häuser und malerische Straßen-
züge abgerissen wurden, dachte niemand ernstlich an einen
Widerspruch. Es war zu offenbar, daß diese malerischen
Winkel im modernen Sinn unbewohnbar waren; und
da schließlich die Häuser nicht wegen ihrer malerischen An-
sicht sondern zum Wohnen da sind, hat man kurzen Pro-
zeß mit den „Ruinen"
gemacht, um „neues
Leben" darauS „blü-
hen" zu lassen. Da
dieses neue Leben an-
mutig ist, denkt nie-
mand mehr mit un-
ftillbarer Wehmut an
die alten Gassen zu-
rück, jeder sreut sich
der neuen.

Es will mir schei-
nen, daß es auch an
andern Orten vielmehr
aus das Neue als auf
das Alte ankommt.

Wir sind nur so emp-
findlich geworden, weil
das „neue Leben" der
vergangenen Jahr-
zehnte nicht mit re-
ellen Neubauten, son-
dern mit der abscheu-
lichen Zement-Renais-
sance zu blühen ver-
suchte. Da war unS
schließlich jeder alte

Kasten lieber, weil wir in einer letzten schwächlichen
Aufwallung der Romantik das moderne Leben rettungs-
los mit Häßlichkeit behaftet sahen. Nun wir aber den
Sturm der modernen Kunstbewegung erlebten und mit
einer Art traumhaster Verwunderung erkennen, daß auch
wir modernen Menschen etwaö Schönes bauen, schmieden
oder glasieren können, wenn wir nur den Mut zu uns
selber haben: müssen wir auch mit der schwächlichen
Verehrung des historischen Gerümpels aushören.

Jch kenne wenig
Altstädte, die gute
Wohnungen oder Ge-
schäftsräume bieten;
da sie aber meist auf
zu teurem Boden ste-
hen für ihren einzigen
Zweck, alS SehenS-
würdigkeit der Frem-
denindustrie zu dienen:
wird unsere Zeit, wenn
siewirklich sovielKräfte
auslöst, wie eö nun
scheint,mitihnenfertig
werden müssen. Jhre
einzige Verpflichtung
wird sein, die alten
Bauflächen ebenso
schön (oder schöner)
aber für die verän-
derten Verhältnisse
brauchbar zu bebauen.
Ob das möglich ift,
bleibt vorläufig freilich
die nicht unbegründete
Iwcifelfrage nicht nur
ängstlicher Gemüter.


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