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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0030

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_ 22 —

ihr religiöses Leben können wir zwar nicht viel Detail angeben;
dennoch haben wir neben Anderem insbesondere eine That-
sache von unschätzbarem Werthe. Im Yeda findet sich eine
alte, schon etwas verblassende Göttergestalt, Dyäüs pitär der
Himmel-Vater, der Himmel als Vater angerufen. Und dieser
Dyäüs pitär ist unzweifelhaft identisch mit Zevg jiarrjQ,1 dem
obersten Gotte der Griechen, dem Vater der Götter, mit dem
Ju-piier des lateinischen Volkes, mit dem Tyr der altisländischen
Edda und dem Zio der alten Deutschen. Wir wissen also, dass
das indogermanische Urvolk den leuchtenden Himmel2 als Gott
verehrte und das-1, es sich diesen Gott persönlich dachte, dass
es ihn Vater anredete.

Auf die Periode der indogermanischen Einheit folgte die
der indopersischen oder arischen, nachdem die anderen
Völker sich abgetrennt und nur die späteren Inder und Perser,
die man auch unter dem Namen Arier zusammenfasst, noch
längere Zeit als ein Volk verbunden lebten. Und während
uns an jene früheste indogermanische Periode meist nur noch
schwerer zu entziffernde Gedenksteine erinnern, liegt die nahe
Verwandtschaft der Inder und Perser, speciell in ihren ältesten
Producten, den Hymnen des Rigveda und den Gäthä's des Zend-
Avesta klar am Tage. Wer mit den Hymnen des Rigveda
vertraut ist, den berührt es in der That fast wunderbar,
wenn er die auf Zarathustra oder Zoroaster zurückgeführten
ältesten Lieder des sogenannten Zend-Volkes, des in Nordost-
iran oder Baktrien lebenden Zweiges des persischen Volkes,
kennen lernt.

Schon die Sprache des Avesta zeigt ihre nahe Verwandt-
schaft mit der des Rigveda auf allen Gebieten, oft in ganz
überraschender Weise, und für die Aufklärung der sehr corrupt
überkommenen Zend-Texte hat der Veda die wichtigsten Bei-
träge geliefert. Insbesondere ist es Rudolf Roth, der beste
Kenner des Veda, der diesen nahen Zusammenhang stets in
lichtvollster und fruchtbarster Weiste hervorgehoben hat.

Der höchste und heiligste Gott des Rigveda ist Varuna,
der in einer höchsten Lichtregion über allen anderen thront,
umgeben von seinen sechs Brüdern, den Äditya's; eine erhabene,

1 Sehr bemerkenswerte ist die genaue formelle Uebereinstimmung
in dem Accent von dyäüs und Zevq; Nom. dyäüs — Voc. dyäü, Nom.
Zsiq — Voc. Zev; cf. Max Müller, Ursprung und Entwickelung der
Religion, S. 165.

2 Dyäus kommt von der Wurzel div „leuchten, glänzen".
 
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