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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0618

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Zweiundvierzigste Vorlesung.

Die Dramen des Kälidäsa. Charakteristik und Analyse. Qakuntalä.

Urvaiji. Mälavikägnimitram.

Lassen Sie uns die nähere Betrachtung einzelner indischer
Dramen mit den schönsten unter ihnen, den Dramen des Käli-
däsa, beginnen.

Es sind im Ganzen drei Dramen, welche diesem gefeiert-
sten unter den indischen Dichtern zugeschrieben werden: die
reizende, vielbewunderte Qakuntalä; die Urvagi oder, wie
sie im Original heisst, Vikramorvagi, und endlich das Mälavi-
kägnimitram oder Mälavikä und Agnimitra. Die Echtheit
dieses letzteren Stückes ist eine Zeitlang beanstandet worden,
darf aber jetzt, wie ich glaube, als erwiesen angesehen werden.

Unter diesen Dramen gehören Qakuntalä und Urvagl ihrem
ganzen Charakter, dem Stoif wie auch der Ausführung nach
näher zusammen. Beide versetzen uns in die graue, sagenhafte
Vorzeit Indiens, wie sie uns vor Allem durch das grosse Epos
übermittelt ist. Beide führen uns altberühmte Könige jener
Sage, den Dushyanta und Puraravas, vor und schildern ihre
Liebesabenteuer, das Unheil das über sie hereinbricht und die
endliche versöhnende Auflosung dieses Unheils. Ich möchte
Qakuntalä und Urvagi als die recht eigentlichen Repräsentanten
des romantischen Wunder- und Märchendramas der Inder
bezeichnen, während das Mälavikägnimitram ein Palast- und
Haremsdrama, ein modernes Liebes- und Intriguenstück dar-
stellt. In den beiden erstgenannten Dramen sind wir den
Grenzen der prosaischen Wirklichkeit entrückt, das Wunder-
bare waltet hier und übt sein Recht uneingeschränkt. Irdisches
und Himmlisches ist ungeschieden. Menschen, Halbgötter, Nym-
phen und Heilige wogen in buntem Gedränge durcheinander.
Aus den Lüften steigt Indra's Wagenlenker zur Erde nieder,
um den streitbaren König zum Kampfe gegen die bösen Dä-
monen abzuholen. Die himmlische Nymphe wird von dem
 
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