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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0394

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— 386 —

Mitglied der buddhistischen Gemeinde konnte ja nur ein Mönch
sein. In den Jahrhunderten, die auf Buddha folgten, vor Allem
zur Zeit des glaubenseifrigen Acoka, wuchsen allenthalben Wohn-
stätten dieser Mönche empor; in Klöstern und Hainen in der
Nähe der Städte und Dörfer wohnten sie beisammen, ihr Leben
ganz der Erbauung und dem Andenken an den Vollendeten
weihend, oder sie zogen bettelnd und lehrend im Lande umher.
Das buddhistische Mönchthum hat im Culturleben Indiens
eine hervorragende Rolle gespielt.

Andererseits entwickelte sich nun auch bei den Brah-
manen das Einsiedler- und Biisserwesen in immer reicherem
Maasse. Wir wissen, dass seine Anfänge älter sind als Buddha.
Seine weitere Entwickelung, bei der wohl auch der Einfluss der
buddhistischen Richtung und der Gegensatz zu derselben eine
Rolle gespielt haben mag, im Einzelnen zu verfolgen, ist nicht
leicht. In vollendeter, festgeordneter Form führt es uns das
Gesetzbuch des Manu vor. Demgemäss soll ein Jeder, der zu
den drei oberen Kasten gehört, wenn er seine Pflicht als Haus-
vater erfüllt hat, „wenn er Runzeln, graue Haare und Nach-
kommenschaft seiner Nachkommenschaft erblickt," Dorf oder
Stadt verlassen und in den Wald ziehen. Er wird dann Väna-
prastha oder Waldeinsiedler.1 Als solcher soll er von Früchten,
Wurzeln und Wasser leben, gekleidet in ein Bastgewand oder
das Fell einer schwarzen Antilope. Das heilige Feuer nimmt
er mit, verrichtet noch bestimmte Opfer, liest die heiligen
Bücher, Veden und Upanishaden, und bemüht sich, der höchsten
Erkenntniss theilhaft zu werden. Auch sind ihm verschiedene
Büssungen und Kasteiungen vorgeschrieben, die den Geist von
den sinnlichen Leidenschaften befreien sollen. Zwischen vier
brennenden Feuern, der Sonne als fünftem ausgesetzt, soll er
in der heissen Jahreszeit leben, in der Regenzeit unbekleidet
sein, in der kalten Zeit ein nasses Gewand tragen u. dgl. m.

Diese Bestimmungen des kanonischen Gesetzbuches haben
sicherlich nicht bloss in der Theorie bestanden, — das lehren
uns sowohl die einheimischen Bücher, wie auch die Berichte
der Fremden.2 Ihre systematisch geordnete Form verdanken
sie sehr wahrscheinlich dem Gegensatze zum Buddhismus, als
es für die Brahmanen galt, dem überwuchernden Hange zum
völligen Mönchthum in einer Weise die Spitze zu bieten, die
den Bestand der brahmanischen Staatsordnung nicht gefährdete.

1 vkoßioq, wie der Grieche Megasthenes sagt.

2 Megasthenes schildert uns das Einsiedlerleben genau so, wie es
im Gesetzbuche vorgeschrieben wird. Vgl. Lassen, Ind. Alt, II2, p. 4G7.
 
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