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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0337

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Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Die Lehre von den Verkörperungen oder Avatara's des Vishnu, speziell
als Krishna and als Räma. Muthmasslicher Einfluss des Buddhismus
auf Entstehung und Entwickelang dieser Lehre. Krishna im Mahäbhä-
rata in seiner doppelten Eigenschaft, als menschlicher Held und als -Gott.
RAma im Rämäyana. Die weiteren Verkörperungen Vishnu's: als Zwerg,
als Fisch, als Schildkröte, Eber, Mannlöwe, Paraguräma, Buddha und
Kalki. Aeussere Erscheinung des Vishnu. Cultus.

Die Erhöhung Yishnu's zum grossen, hoch über andere
emporragenden Gotte ging wahrscheinlich schon in den ersten
Jahrhunderten nach Buddha's Tode, d. h. im fünften und vierten
Jahrhundert vor sich, denn um das Jahr 300 vor Chr. war
diese Bewegung wohl bereits zum Abschluss gekommen oder
doch weit vorgerückt, das lehren uns die Mittheilungen des
Megasthenes.1

Die Brahmanen, welche den Cultus des Vishnu und der
mit ihm identificirten Volksgötter beförderten, thaten inzwischen
noch einen weiteren, eminent wichtigen Schritt auf diesem
Wege. Sie nahmen in das Dogma von dem grossen Gotte
Vishnu die Lehre von den Incarnationen oder Verkörperungen,
den sogenannten Avatara's, d. h. „Herabsteigungen", auf.2 Vor
Allem wichtig war die Identification Vishnu's mit den beiden
gepriesensten Helden, deren Andenken die Völker des Ganges-
landes feierten, deren Thaten sie in ihren epischen Gedichten
verherrlichten, — dem Krishna des Mahabharata und dem
Räma des Rämäyana, resp. die Lehre, dass Krishna sowie
R&ma als Verkörperungen, als Menschwerdungen des grossen
Gottes Vishnu aufzufassen seien.

Hatten die Brahmanen früher in ihren Speculationen den
höchsten Gott aller persönlichen, menschlichen Eigenschaften

1 Wir werden dieselben weiter unten näher kennen lernen,

2 Von ava-tar „herabsteigen".
 
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