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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0637

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Dreiundvierzigste Vorlesung.

Die Mricchakatikä oder „Das irdene Wägelchen" des Cüdraka.

Das Drama, dessen Charakteristik ich heute versuchen will,
ist so sehr von den bisher besprochenen Stücken verschieden,
so merkwürdig, so voll dramatischen Lebens, voll Kraft und
Frische, voll übersprudelnden Humors und Witzes, dass man
die Vielseitigkeit des indischen Geistes nicht genug bewundern
kann, der ein solches Stück neben den zartpoetischen Schöpf-
ungen des Kälidäsa hervorbringen konnte. Es liegt urwüchsige,
gesunde Kraft in diesem Schauspiel. Wenn das Talent Käli-
däsa's eine gewisse Verwandtschaft mit dem Goethe's zeigt, so
erinnert dagegen der ganze Geist, Charakter und Diction dieses
Stückes ganz merkwürdig an Shakespeare. Sein Name ist
Mricchakatika, d. h. das irdene Wägelchen, angeblich von
einem Könige namens Qüdraka verfasst, der im Prolog des
Stückes mit überschwänglichen Worten gepriesen wird. In-
dessen muss es als wahrscheinlich bezeichnet werden, dass nicht
Qudraka selbst das Stück geschrieben, sondern ein ihm er-
gebener, von ihm unterstützter Dichter, der dann aus Höflich-
keit und Dankbarkeit dem Könige die Autorschaft seines Werkes
abtrat, wie dies auch sonst in Indien öfters vorgekommen ist.1
Der Name des wirklichen Dichters lässt sich aber nicht mit
Sicherheit ermitteln, und so behalten wir bis auf Weiteres den
traditionellen Autornamen bei.2 Das Stück dürfte etwa dem

1 Vgl. oben p. 628.

2 Pischel hat vor einigen Jahren die Vermuthung aasgesprochen,
ein von Bäna im Harshacaritam erwähnter Dramatiker Bhäsa, in dessen
Stücken sehr viele Personen aufgetreten sein sollen, möchte der Ver-
fasser der Mricchakatikä sein. (Vgl. Gött. Gel. Anz. 1883. Stück 39.
p. 1232—1234.) Er ist indessen jetzt der Ansicht, dass vielmehr D and in
die Mficchakatikä verfasst habe und glaubt den Nachweis dafür liefern
zu können. (Vgl. Gött. Gel. Anz. 1885 No. 19, p. 765.) Ist dies richtig,
so gehört die M. wohl dem sechsten Jahrhundert nach Chr. an. Die er-
wähnte Vermuthung hat nach dem, was Pischel neuerdings in der Ein-
leitung zu Rudrata's Qringäratilaka etc. p. 16 flg. anführt, allerdings
Manches für sich, scheint mir aber doch nicht gesichert.
 
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