Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0076

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sechste Vorlesung.

Die Götterwelt des Rigveda (Fortsetzung und Schluss). Die Götter der
Erdregion: Agni, Sorna u. a. Brihaspati. Charakter der vedischen Reli-
gion. Polytheismus oder Henotheismus? Darlegung von Müller's Be-
griff des Henotheismus. Die vedische Religion ein Polytheismus mit
ausgesprochener Tendenz zum Pantheismus. Götteridentificationen. Dua-
lische Verschmelzung bestimmter Götter. Monotheistische- Neigungen
und Ausätze. Philosophisches. Anhang.

In der Region der Erde, welcher wir uns nunmehr zu-
wenden, ist der wichtigste und vornehmste Gott Agni, der
Gott des Feuers, dessen Cult jedenfalls schon in die indoper-
sische Periode zurückreicht. Der Name Agni bedeutet „Feuer"
und fällt zusammen mit dem lat. ignis, slav. o/onb. Die Erde
kann eigentlich nicht eines grossen Gottes Heimath sein. Auch
Agni ist, wie die Sage erzählt, vom Himmel, aus der Götter-
welt herabgestiegen. Atharvan oder Mätariqvan, eine Art
indischer Prometheus, soll ihn von dort geholt haben, aber
nicht als einen Raub, sondern als eine Gabe der Götter. Dass
diese Sage von der Herabkunft des Feuers uralt sei, hat Adal-
bert Kuhn1 gezeigt.

Agni ist der gütige Gott des Feuers, der auch im Dunkel
der Nacht dem Menschen sein Heim traulich, warm und hell
macht. Er ist den Guten ein Schützer, er durchbohrt mit
seinen Flammenpfeilen die bösen Dämonen, die Rakshasen, die
Zaubrer und Hexen. Er ist selbst ein grosser und heiliger
Gott, aber seine Hauptfunction besteht doch darin, dass er der
Bote zwischen Menschen und Göttern ist. Er trägt die Opfer-
gabe hinauf zum Himmel und afi seine Gegenwart ist die Gegen-
wart der Götter beim Opfer gebunden. Nicht in Tempeln,
sondern unter freiem Himmel, auf schmucklosem Altar wird

1 Ad. Kuhn, Die Herabkunft des Feuers und des Göttertranks, 1859.
Neu herausgegeben von-Ernst Kuhn, Gütersloh 1886.
 
Annotationen