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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0418

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Neunundzwanzigste Vörlesung.

Die ständische Gliederung der Gesellschaft im indischen Mittelalter.
Das Kastenwesen. Schroffe Ausbildung desselben. Reaction gegen den
Buddbismus. Bevorzugte Stellung und Herrschaft der Brahmanen. Keine
geistliche Centralgewalt. Das Königthum und seine Bedeutung im in-
dischen Mittelalter, Strafgewalt und Steuererhebung. Selfgovernment
auf manchen Gebieten. Einfluss der Brahmanen auf die Regierung.
Ihre rechtliche Stellung. Kshatriya, Väigya und Qddra. Beschränkung
des Connubium's der Stände. Mischkaaten. Paria's. Spaltung der Kasten
in viele Unterabtheilungen, die grossentheils den Charakter der Zünfte
oder Gilden tragen. Angabe der Griechen über die indischen Kasten.

Höchst charakteristisch für das indische Mittelalter und
von hoher Bedeutung für diese Zeit ist die scharfe ständische
Gliederung, die schroffe Ausbildung des Kastenwesens.

Starr und hart wie nie zuvor wurden jetzt allmählich die
Schranken, welche die verschiedenen Menschenklassen von ein-
ander schieden. Die staatlichen und gesellschaftlichen Ein-
richtungen krystallisirten in einer festen Form, um in derselben
dann für lange unverändert zu verharren.

Auch für unser abendländisches Mittelalter ist eine feste
ständische Gliederung charakteristisch; der Gegensatz der Geist-
lichen, des Adels, der Bürger mit ihren Gilden und Zünften
war damals schärfer denn je. Standesvorurtheile pflegt man
noch heute als „mittelalterlich" zu bezeichnen, so sehr sind sie
gerade in jener Zeit zu Hause, haben damals ihre eigentliche
Blüthe erlebt. Es hängt dies wohl zusammen mit der stark
ausgeprägten Richtung auf fromme Ergebung, Duldung, Ver-
tiefung in das Ewige, die hier wie dort dem Mittelalter eigen
und mehr dazu angethan sind, den Menschen zum Verharren
in bestehenden Verhältnissen zu veranlassen, als zum freien,
kräftigen Schaffen neuer Lebensformen. In gleicher Schärfe
wie in Indien hat aber solche ständische Gliederung im Abend-
 
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