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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0638

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— 630 —

Ende des fünften oder dem sechsten Jahrhundert nach Chr.
entstammen1 und hat den Anspruch, unter den auf uns ge-
kommenen Dramen der Inder das älteste zu sein. Es gehört
zur Gattung der sogenannten Prakarana's 2 und umfasst zehn
Akte.

Der Name des Stückes, „das irdene Wägelchen", ist eigent-
lich wenig charakteristisch, da das irdene Wägelchen darin nur
eine nebensächliche Rolle spielt, wie wir späterhin sehen werden.
Der Schauplatz der Handlung ist Ujjayini und Umgehung. Die
Zahl der auftretenden Personen ist eine sehr bedeutende, und
eine Fülle der verschiedensten Charaktere bewegt sich scharf
und klar gezeichnet vor unserem Auge in buntem Durcheinander.

Die Hauptpersonen des Stückes sind Carudatta, ein ehe-
maliger Handelsherr aus der Kaste der Brahmanen, der durch
zu grosse Freigebigkeit sein Vermögen eingebüsst hat, und
Vasantasenä, eine reiche Hetäre, die den armen aber edlen
Carudatta leidenschaftlich lieb gewinnt und durch diese Liebe
gehoben und veredelt wird, bis sie endlich ihr höchstes Ziel
erreicht und seine rechtmässige Gattin wird. Es treten ferner
in dem Stücke auf: die erste Gemahlin des Carudatta und sein
Söhnchen Rohasena; Mäitreya, eirf Brahmane, Freund und Spass-
macher im Hause Cärudatta's; Samsthänaka, der Schwager des
Königs Pälaka, jener freche, dumme und gemeine Renommist,
den ich dem Shakespeareschen Cloten an die Seite stellte; er
bemüht sich in brutalster Weise, die Hetäre für sich zu ge-
winnen, wird aber von ihr hartnäckig mit Verachtung zurück-
gewiesen. Es erscheinen ferner: ein Schmarotzer im Gefolge
des Samsthänaka; Äryaka, ein junger Hirte, der durch eine
Revolution den Thron des Pälaka besteigt; Qarvilaka, ein Brah-
mane, zugleich Liebhaber der Madanikä, der Dienerin der Va-
santasenä, und Dieb nach allen Regeln der Kunst; ferner ein
Bader, der Unglück im Spiele hat und in Folge dessen bud-
dhistischer Mönch wird; ein Spielhalter und mehrere Spieler;
Richter, Gerichtsdiener, Schreiber, Wächter der Stadt, Henkers-
knechte; die Mutter der Hetäre, eine alte Kupplerin; Diener
oind Dienerinnen aller Art.

Der erste Akt, betitelt „die Anvertrauung des Schmuckes",3

1 Vgl. oben p. 608. 2 Vgl. oben p. 594.

3 Nach indischer Sitte bekommt jeder Akt seinen Titel, eine Art
Ueberschrift, wie wir sie den einzelnen Capiteln zu geben pflegen. —
Den Prolog habe ich weggelassen. — Alle direkten Reden der einzelnen
Personen gebe ich nach Böhtlingk's Uebersetzung. Vgl. den Schluss
dieses Capitels.
 
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