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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0039

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— 31 -

liehen Indien und war dem Volke des Rigveda offenbar noch
unbekannt.1

Eine weit grössere Rolle als der Ackerbau spielte aber zu
jener Zeit die Viehzucht, insbesondere die Zucht der Rinder.
Wir haben gesehen, dass schon in der Periode der indopersischen
Einheit mit der Kuh ein förmlicher Cultus getrieben wurde, sie
war ein heiliges Thier. Diese Richtung steigert sich bei den
Indern im Laufe der Zeit noch um ein Bedeutendes und hat
sich als charakteristischer Zug bis in die neueste Zeit erhalten.
Alles, was von der Kuh stammt oder mit ihr in Zusammenhang
steht, ist späterbin bei den brahmanischen Indern heilig und
werth, zu geweihten Zwecken verwendet zu werden; Tödtung
eines Rindes gilt als eines der schwersten Verbrechen u. s. w.
Die Erklärung für diese Denkart bietet uns gerade der Rigveda,
denn wir sehen es deutlich, wie in jener Zeit das Denken und
Wünschen des Inders sich hauptsächlich mit dem Besitz und
der Pflege der Rinderheerden beschäftigt. Beständige Bitten
um Reichthum an Kühen sind ein hervorstechender Zug der
vedischen Lieder, mehr noch als die Bitten um Nachkommen-
schaft und Sieg über die Feinde. Der Kampf wird geradezu
„Begierde nach Kühen" genannt (gavishti); kampflustig heisst
„nach Rindern verlangend" (gavyu). Charakteristisch ist es
auch, dass die poetischen Bilder nicht selten aus diesem Ge-
biete genommen werden. Indra wird oft genug ein starker
Stier genannt, desgleichen andere Götter; die Morgenröthe heisst
eine rothe Kuh; die Gewitterwolken Küb , die ihre Milch
strömen lassen u. dgl. m. Wie naiv und merkwürdig ist es z. B.,
wenn ein vedischer Sänger sagt (RV 1, 25, 16): „Es ziehen
meine Gebete hin, - wie Kühe auf die Weide zieli'n, suchend
den Weithinschauenden" (d. i. Varuna). Oder wenn der Dichter
Vasishtba zu Gott Varuna fleht (RV 7, 86, 5): „Nimm weg von
uns die Sünden unsrer Väter und was wir selbst begangen, —
befrei, o König, den Vasishtba wie ein Kalb vom Stricke!" —
Neben dieser Hauptbeschäftigung werden im Rigveda noch ver-
schiedene Gewerbe namhaft gemacht; so das des Zimmer-
manns und des Wagenbauers, des Schmiedes, des Töpfers
und des Gerbers, während die Frauen die Fertigkeiten des
Webens, Nähens und Flechtens ausüben. Der Handel,
soweit er erwähnt wird,, scheint wesentlich noch Tausch-
handel gewesen zu sein.

1 Vgl. Zimmer, Altind. Leben, p. 239.
 
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