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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0064

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— 56 —

der Menschen hinschwinden lässt, während sie die göttlichen
Ordnungen aufrecht erhält" (RY 1, 124, 2). Strahlend er-
scheint sie des Morgens, eine Erweckerin des Lebens (RV 1, 48>:

Leuchte auf — ruft ihr der Sänger zu — Morgenröthe, du Tochter
des Himmels, mit schönem Gut, mit hehrem Glanz, du Strahlende, mit
Reichthum, du gabenreiche Göttin! (1) Lass Lobgesänge sich bei mir
erheben und sporne an die Freigebigkeit der Opferherren (2). Kanva,
der beste der Kanviden, preist hier deinen Namen unter den Männern. (4)
Wahrlich wie ein holdes Weib naht sich die Morgenröthe, die erfreuende;
sie wandelt dahin und weckt Alles, was Füsse hat, und macht, dass die

Yögel auffliegen (5). Sie entsendet die Geschäftigen zum Verkehr,

nicht bleiben die geflügelten Vögel sitzen bei deinem Aufleuchten, du
rossereiche! (6) Sie hat ihre Rosse geschirrt, aus der Ferne, vom Auf-
gang der Sonne her, mit hundert Wagen wandelt dort die herrliche
Morgenröthe zu den Menschen hin (7). Alles Lebendige beugt sich vor
ihrem Anblick, Licht bereitet die Wonnige! Mit ihrem Glänze soll die
gabenreiche Tochter des Himmels fortscheuchen die Anfeindung, fort die
Gegner (8). Strahle her, o Ushas, mit hellem Glanz, du Tochter des
Himmels, herfahrend reiches Glück für uns, wenn du aufleuchtest beim
Opferfest (9). Denn alles Athmen, alles Leben ruht in dir, wenn du
aufleuchtest, Wonnige! Auf deinem hehren Wagen, du Glänzende, höre
unsren Ruf, die du strahlende Gaben besitzest (10). Fahre die Götter
alle herbei aus dem Luftraum zum Somatrunk, o Morgenröthe! Du sollst
uns rinder- und rossereichen, preiswürdigen, heldenhaften Besitz spenden,
o Morgenröthe! (12) Wenn dich auch früher schon die alten Weisen
zur Labung herbeigerufen haben, so nimm doch jetzt auch unsre Lob-
gesänge sammt der Spende freundlich an, o Ushas, mit hellem Glanz! (14)
Wenn du, o Ushas, jetzt des Himmels Thore mit Glanz öffnest, so ver-
leih' uns sichern, weitreichenden Schutz und Labungen, die reich mit
Kühen versehen sind (15). Mit hehrem, allgeschmücktem Reichthum und
Labungen beschenke uns, mit allsiegendem Glanz, du erhabene Morgen-
röthe, mit Beute, o du rossereiche! (16)

Verhält sich dieser Hymnus mehr anrufend und bittend,
so sind andere mehr schildernd, z. B. das Lied RY 1,124, welches
man in den „Siebenzig Liedern" übersetzt findet.

Schliesslich sei noch bemerkt, dass auch die Schwester der
Morgenröthe, die Nacht, die sterngeschmückte, die Ruhe-
bringerin, in einem schönen, stimmungsvollen Liede des Rigveda
gefeiert wird.1

1 RV 10,127; vortrefflich übersetzt in den „Siebenzig Liedern"
p. 138. 139.
 
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