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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0106

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— 98 —

Hausvater das ganze Leben hindurch täglich Morgens und
Abends das in einer Milchspende bestehende Agnihotra oder
Feueropfer darzubringen.

Um nun ein Beispiel aus diesem Ritual und damit einen
Begriff von der Art dieser Opfer zu geben, wende ich mich
zur eingehenderen Schilderung eines speciellen Opfers, des so-
genannten Dar<japürnamäsa —, d. h. des Neu- und Voll-
mondsopfers, dessen Verlauf uns von Alfred- Hillebrandt in
einer werthvollen Monographie detaillirt dargestellt ist.1

Es soll diese Ceremonie dreissig Jahre hindurch immer
zur Zeit des Neumonds und des Vollmonds ausgeführt werden.
Mit den Sprüchen zu diesem Opfer beginnen alle unsere Yajur-
veden, und es gilt dasselbe als die einfache Grundform für all
die zahllosen Opfer, welche zur Erlangung bestimmter Wünsche
dargebracht werden.2 Es empfiehlt sich die Betrachtung dieses
Opfers schon darum, weil wir es hier mit einer verhältniss-
mässig wenig complicirten und darum leichter zu überblickenden
Ceremonie zu thun haben.

Es fungiren bei demselben vier Priester, ausser dem Opfer-
herrn, dem sogenannten Yajamäna, d. i. dem Veranstalter des
Opfers, zu dessen Nutz und Frommen und auf dessen Kosten
dasselbe ausgeführt wird.3 Diese Priester sind: der Brahman,
der Hotar, der Adhvaryu und der Agnidh.4 Unter diesen ist
der Adhvaryu der vorzugsweise handelnde Priester, und sein
Ritualbuch ist der Yajurveda, während der Hotar sich an den
Rigveda hält, die Hymnen recitiren muss, der Brahman eine
mehr im Allgemeinen leitende und überwachende Function hat.

Am ersten Opfertage findet nach einigen einleitenden Cere-
monieen das Abschneiden eines Zweiges von einem Qami- oder
Paläga-Baume durch den Adhvaryu statt, der mit diesem Zweige
nachher die Kälber von den zu melkenden Kühen wegzutreiben
hat. Er spricht dazu den Spruch: „Zur Labung (schneide ich)

1 Alfred Hillebrandt, Das altindische Neu- und Vollmonds-
opfer in seiner einfachsten Form, mit Benutzung handschriftlicher Quellen
dargestellt. Jena, 1880.

2 Es sind dies die sogenannten kämyä ishtayah.

3 Mit Recht legt A. Barth in seinen Reiigions de l'Inde (p. 34)
ein Gewicht darauf, dass jedes Opfer bei den Indern für eine be-
stimmte Privatperson, niemals für mehrere oder gar für eine ganze
Gemeinde ausgeführt wird. Es giebt demnach keine öffentlichen Opfer,
überhaupt keinen öffentlichen Gottesdienst, keine religiöse Gemeinde-
versammlung in jener Zeit.

4 Bei anderen Opfern sind bedeutend mehr Priester erforderlich,
so beim Somaopfer sechzehn und mehr, u. dgl.
 
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