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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0188

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— 180 —

Dies und Aehnliches bildet den Inhalt der Brähmana-Literatur,
die in den nun folgenden Jahrhunderten mächtig emporwächst
und durch Zahl und Umfang ihrer Werke in der That verdient,
eine Literatur für sich genannt zu werden.

Viele von den Werken dieser Periode sind jedenfalls ver-
loren gegangen; das lehren uns die zahlreichen Namen und
Anführungen, die in den noch erhaltenen Brahmana's citirt
und zum Theil bekämpft werden. Es scheint, dass die in
diesen Parteikämpfen siegreichen Werke ihre weniger glück-
lichen Rivalen zum Theil so verdrängt haben, dass dieselben
spurlos verschwunden sind. Immerhin aber ist noch eine
recht bedeutende Anzahl dieser Werke bis heute erhalten.1

Diese Brahmana's sind der geistige Spiegel einer mehrere
Jahrhunderte dauernden Epoche; einer Zeit, die uns — cha-
rakteristisch genug — keine literarischen Denkmäler hinter-
lassen hat ausser diesen; deren ganzes geistiges Streben sich
nur in dieser Richtung bewegt und überall eine unverkennbar
charakteristische Färbung an sich trägt. Das Opfer ist der
grosse geistige Mittelpunkt, um den sich Alles bewegt. Die
Beschreibung seiner Ceremonieen, Darlegung ihres Werthes,
ihres Ursprunges und sonstiger Beziehungen, — darauf con-
centrirt sich das Interesse des priesterlichen Denkens jener
Tage. Ein Werk dieser Art nach dem anderen ^chiesst empor,
das eine an diesen, das andere an jenen, das dritte an einen
dritten Yeda und die Functionen seiner speciellen Priester sich
mit seinen Erläuterungen anlehnend. So einförmig diese Lite-
ratur im Ganzen ist, so gewahren wir doch ein§ Entwickelung,
ein Fortschreiten, und ein Werk wie das Qatapatha-Brähmana
erhebt sich inhaltlich schon sehr bedeutend über jene ersten
und ältesten Brähmana-artigen Bücher.

j. n die Brähmana's schliessen sich dann die sogenannten
Aranyaka's oder die „Waldbücher", bestimmt für die in den
Wald sich zurückziehenden Frommen, die keine Opfer mehr
ausführen, aber im Durchdenken des Rituals und dessen, was
damit zusammenhängt, eine Art Gottesdienst üben sollen. In
diesen Aranyakä's nimmt die theosophische Spqculation all-
mählich einen immer breiteren Raum ein und gehen aus ihnen
schliesslich die sogenannten Upanishaden hervor, die ältesten
speculativen Tractate der Inder.

In den Brähmana's liefen Erklärung und Bestimmung des
Rituals einerseits, und die daran geknüpften und darüber hinaus-

1 Vgl. Weber, Ind. Lit., 2. Aufl., p. 13. 14.
 
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